«Trump ist dünnhäutig, Clinton extrem unbeliebt»

Aktualisiert

US-Präsidentschaftswahl«Trump ist dünnhäutig, Clinton extrem unbeliebt»

Der Politologe Manfred Elsig begleitet für 20Minuten die US-Wahlen. Kurz vor dem Termin schätzt er die Kandidaten und den Wahlkampf ein.

Oliver Fischer
von
Oliver Fischer

Donald Trump

•  Stärken: «Donald Trump verspricht Reformen, um gegen das Establishment vorzugehen. Man weiss aber nicht, wie das aussehen würde. Er hat einen gewissen Erfolg in der Wirtschaft vorzuweisen, obwohl man auch hier nicht genau weiss, wie gross dieser Leistungsausweis tatsächlich ist. Aber in den USA gilt: «Nothing succeeds like success». Seine grösste Stärke ist die Schwäche des ­jetzigen Systems.»

• Schwächen: «Trump kann nicht mit Kritik umgehen. Er hat eine sehr dünne Haut. Darum haben viele Sicherheitsexperten Bedenken, wenn er quasi Oberfeldherr der US-Armee wäre. Er bringt nicht das mit, was man normalerweise von einem Präsidenten erwartet. Ich finde, das ist bei seiner Kandidatur die grosse Frage: Wofür steht Donald Trump? Niemand kann das wirklich beantworten.»

•  Trump als Präsident: «Vieles ist Spekulation, wenn es um einen möglichen Präsidenten Donald Trump geht. Viele, die früher mit ihm zu tun hatten, bestätigen seine Beratungsresistenz. Man muss sich da schon wünschen, dass das Parlament ein Gegengewicht darstellt und die Gewaltentrennung funktioniert. Ich vermute, dass nach vier Jahren Trump viele seiner Anhänger enttäuscht sein werden.»

Hillary Clinton

•  Stärken: «Sie ist eine Vollblut-Politikerin. Sie hat Erfahrung in Bildungs- und Gesundheitspolitik, kennt die internationale Politik aus dem Effeff. Bei ihr weiss man, was man hat. Sie will das Land wieder näher zusammenbringen, das in blaue und rote Staaten aufgeteilt ist. Man traut ihr zu, innenpolitisch Konsenslösungen zu finden. Vielleicht nicht eine Stärke, aber eine Chance für Clinton könnte sein, dass die Erwartungen an sie als Präsidentin viel tiefer wären als etwa bei Barack Obama vor acht Jahren.»

• Schwächen: «Sie ist eine Vertreterin des politischen Establishments. Man sieht es in den Umfragen: Clinton ist unglaublich unbeliebt. Weil sie ein Teil des Systems ist und in diesem Filz drinsteckt, kann es sich für sie als schwierig erweisen, etwas Grundlegendes zu verändern.»

•  Clinton als Präsidentin: «Ihre Themen sind bekannt: den Mittelstand stärken, Minderheiten nicht ausgrenzen, das Land einen, Steuer- und Bildungspolitik anpassen. Ich erwarte eine Fortführung der Obama-Politik, wie gesagt, mit weniger hohen Erwartungen. Ich denke, sie wird sich rasch zurechtfinden und ein Beraterteam um sich versammeln, das keine grossen Experimente wagt.»

Der Wahlkampf

«Die Medien haben eine wichtige Rolle im Wahlkampf gespielt, indem sie die Prioritäten mitbestimmt haben. Dann waren die gegenseitigen Beleidigungen sehr präsent. Man merkte, dass sich die beiden überhaupt nicht ausstehen können. Der Wahlkampf hat Dimensionen angenommen, die man so nicht kannte. Aber die Medien haben auch jedes Detail aufgegriffen. Dabei kamen die Inhalte zu kurz – und der Wahlkampf ist dann für die Amerikaner recht schnell langweilig geworden. Man hat einfach auf den nächsten Skandal gewartet.»

Die Wahl

«Wenn die Umfragen einigermassen zutreffen, muss man davon ausgehen, dass Clinton am 8. November gewählt wird. Trump müsste fast alle sogenannten Swing States gewinnen, um auf die nötigen 270 Wahlmännerstimmen zu kommen. Aber kann man sich wirklich auf die Umfragen verlassen? In normalen Zeiten würde man jetzt sagen, es sei nicht «too close to call». Aber wir befinden uns nicht in normalen Zeiten. Viele Wähler werden vielleicht erst im Moment der Stimmabgabe aus dem Bauch heraus wählen. Gibt der Wunsch auf Veränderung oder die Abneigung gegenüber der Unsicherheit einer Präsidentschaft Trump den Ausschlag?»

Manfred Elsig

Professor für Internationale Beziehungen, World Trade Institute, Universität Bern

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