Walter Frey (73): Der letzte Schweizer Patron

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GIMS CountdownWalter Frey (73): Der letzte Schweizer Patron

Autos sind seine Leidenschaft: Walter Frey über den Genfer
Auto-Salon, die Digitalisierung im Autogewerbe, den lebenslangen Werbevertrag mit Bernhard Russi und den neuen Toyota C-HR.

Dieter Liechti
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Dieter Liechti
Walter Frey auf die Frage hin, ob er (Toyota) sich mit dem zweiten Platz zufrieden gebe (weltweit abgesetzte Fahrzeuge 2016): «Wir wollen die Besten sein, nicht unbedingt die Grössten.»
Premiere 1967  Der erste Stand von Toyota am Auto-Salon Genf.
Schnell: Rennfahrer Walter Frey, unterwegs...
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Walter Frey auf die Frage hin, ob er (Toyota) sich mit dem zweiten Platz zufrieden gebe (weltweit abgesetzte Fahrzeuge 2016): «Wir wollen die Besten sein, nicht unbedingt die Grössten.»

Dieter Liechti

Er gehört zu einer aussterbenden Spezies: Walter Frey, der 73 Jahre alte Zürcher Vollblutunternehmer, SVP-Politiker und ZSC-Präsident ist ein Patron alter Schule. Im Zentrum seines Familienunternehmens stehen die Mitarbeitenden. Für ihn bilden sie das grösste Kapital der Firma. Das Sagen hat er als Patron – und nicht Shareholder oder Banken. Zu seinem «konservativen Stil» gehört, dass er die Sachen, die er anpackt, langfristig zum Erfolg führt. 1975 hat er die im Autohandel und Autogewerbe im In- und Ausland tätige Emil Frey AG seinem Vater abgekauft.

Seit über drei Jahrzehnten spielt er zudem eine prägende Rolle bei der SVP. Er war 18 Jahre Präsident der SVP der Stadt Zürich und sass 14 Jahre im Nationalrat, davon 2 als Fraktionschef. Seit 2008 ist er als Vize der SVP für die Kommunikation zuständig. Und Walter Frey liebt den Sport: In den 80er-Jahren stieg der ehemalige aktive Autorennfahrer und Eishockeyspieler bei der Eishockeysektion des Grasshopper Club Zürich als Präsident ein. Und in diesem Jahr feiert er sein 20-Jahr-Jubiläum als Präsident der ZSC Lions. Sein Lebensmotto ist das gleiche, das schon seinen Vater Emil begleitete: «Ich bin Optimist und werde immer Optimist bleiben!»

Walter Frey, Sie haben vor 50 Jahren als Erster japanische Autos in die Schweiz importiert: Toyota. Der Coup brachte Ihnen Feinde, aber auch viel Erfolg.

Es wurden schon vor 1966 einzelne japanische Autos importiert.

Nur nicht so bescheiden.

Es stimmt. Der erste offizielle Auftritt von Toyota war in der Tat der Beginn des eigentlichen Handels mit japanischen Autos in der Schweiz. Die Vorstellung von Datsun (heute Nissan) fand bereits eine Woche später statt. . . (lacht)

Erinnern Sie sich noch an den Auftritt 1967 beim Auto-Salon in Genf? Wie waren die Reaktionen der Besucher?

Und ob ich mich erinnere! Ein Kleinststand mit gemieteten Möbeln und vier Mitarbeitenden als Standpersonal. Und diese hatten alle Hände voll zu tun, um das rege Interesse und die Neugier der Besucher zufriedenzustellen.

Trotzdem mussten Sie auch mit Imageproblemen kämpfen: Es gab die Gegenkampagne «Arbeitsplätze sichern – Europäer fahren Europäer».

Diese beispiellose und bösartige Schmutzkampagne fand Mitte der 70er-Jahre statt, nachdem die japanischen Autos ausserordentliche Verkaufserfolge erzielt hatten und das erste Mal infolge der Erdölkrise negative Verkaufszahlen geschrieben worden waren.

Einer Ihrer Konkurrenten zahlte Carchauffeuren 50 Franken, damit sie den Passagieren Witze über die «Japser» erzählten, wenn der Car auf der Autobahn beim Lager in Safenwil vorbeifuhr. Erinnern Sie sich an einen?

Ja, klar, sie gingen derart unter die Gürtellinie.

Eine Kostprobe, bitte.

Vater Emil Frey habe versucht, aus dem neu erstellten Importhauptsitz aus dem 4. Stock zu springen und sich das Leben zu nehmen. Man könne aber aufatmen, er sei nicht weit gefallen und gesund, da sich das Autolager schon bis in den 3. Stock getürmt habe. Das ist nicht witzig, oder?

Nein, aber wer zuletzt lacht, lacht offenbar auch im Automobil-Business am besten.

In der Tat: Toyota war jahrelang die weltweite Nummer 1.

Hätten Sie eine derartige Entwicklung vor 50 Jahren für möglich gehalten?

Ich habe Toyota immer sehr viel zugetraut. Aber dass das Unternehmen weltweit die Nummer 1 bei den Produktionszahlen wird, das konnte ich mir damals nicht vorstellen.

Ende 2016 stand Volkswagen auf Platz 1. Trotz des weltweiten Dieselskandals. Erstaunt Sie das?

Nein. Produkt, Preis und Vertrieb haben weltweit offensichtlich immer noch erste Priorität. Wobei der Volkswagen-Konzern sicher auch vom – international gesehen – billiger gewordenen Euro profitiert hat.

Was muss Toyota ändern, um 2017 wieder die Nummer 1 zu werden?

Um Himmels willen, nur nichts ändern!

Hand aufs Herz: Sie geben sich doch nicht mit dem zweiten Platz zufrieden?

Es geht um etwas anderes: Toyota muss nichts ändern, sondern weiter gute und preiswerte Autos bauen und sein Motto weiterverfolgen: Wir wollen die Besten sein, nicht unbedingt die Grössten.

Früher galten Japaner als zuverlässig und günstig, aber wenig sexy. Das hat sich verändert. Sind Sie mit der neuen Ausrichtung zufrieden?

Ich habe Toyota immer auch als sexy empfunden. Denken Sie an den Celica, an den ersten RAV4 und an die sexy Technologie beim Hybridpionier Prius. Und wenn jetzt Qualität und Sicherheit mit einem akzentuierten Styling noch mehr Käuferschichten gefallen, dann freut mich das umso mehr.

Konkret: Wie gefällt Ihnen beispielsweise der provozierende Auftritt des neuen C-HR?

Ich finde ihn schön und elegant und hoffe nicht, dass das provoziert.

Nennen Sie uns Ihren persönlichen Lieblings-Toyota?

Mein Favorit in der Schweiz ist der Celica GT – und in Frankreich, wo ich Toyota auch vertreten durfte, ist es eindeutig der Land Cruiser.

Nicht nur die Autobranche ist im Wandel, sondern die ganze Welt. Vor zehn Jahren war das iPhone eine Sensation, heute geht fast nichts mehr ohne Smartphone. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Die Digitalisierung macht selbstverständlich weder beim Auto als Produkt noch beim Automobilgeschäft und den Dienstleistungen halt.

Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Kerngeschäft?

Es ist unsere Aufgabe, die neuen Möglichkeiten für unsere Kunden werthaltig zu nutzen.

Heute informieren sich die Menschen in erster Linie online. Weshalb schafft es da eine Ausstellung wie die Geneva International Motor Show immer noch, hunderttausende Besucher zu mobilisieren?

Bei dieser Frage kommt mir ein gängiger Satz aus der Managementliteratur in den Sinn: «One time see is better than ten times hear» – oder frei nach Frey übersetzt: Etwas real zu sehen und zu spüren, bringt viel mehr Erkenntnis und löst Emotionen aus, als es nur zu sehen oder nur darüber zu lesen oder zu hören.

Werden Sie auch an der Geneva International Motor Show sein?

Natürlich! Ich bin jedes Jahr am Genfer Auto-Salon. Weil ich im

Automobilgeschäft tätig bin, gilt das vorher Gesagte für mich ganz besonders. Und ich will mit eigenen Augen sehen, was in der Branche läuft.

Nehmen Sie sich für die ganze Ausstellung Zeit?

Ich bin meist bis zur Publikumseröffnung vor Ort. Dabei besuche ich möglichst alle Stände, um mich auf dem Laufenden zu halten. Genf ist ideal, weil hier alle Marken unter einem Dach vertreten sind. So habe ich die Möglichkeit, mir in kurzer Zeit einen breiten Überblick zu verschaffen. Das ist wichtig und notwendig.

Apropos Marken: Emil Frey importiert zehn Marken, verkauft aber auch noch andere. Stört es Toyota nicht, dass Sie fast die ganze japanische Palette im Angebot haben?

Ich hoffe nicht, dass es Toyota stört. Die einzelnen Marken werden von eigenen Geschäftsführern und Firmen geführt – und jeder kämpft zu hundert Prozent für seine Marke. Ich denke, dass Toyota Vertrauen in unsere Gruppe hat.

Auch Subaru gehört zum Portfolio. Dort ist Ihnen 1979 mit der Verpflichtung von Olympiasieger Bernhard Russi als Markenbotschafter ein Husarenstück gelungen. Wie haben Sie das geschafft?

Er kam zu mir, um sich für Jaguar als Botschafter zu empfehlen. Doch als ich ihm vertraulich den noch gänzlich unbekannten Subaru 4x4 Leone zeigte, war uns beiden auf der Stelle klar: Diese Marke passt perfekt zu Bernhard, er wird ein glaubwürdiger Markenbotschafter – und das ist er nun schon seit Jahrzehnten.

Wann läuft der Vertrag aus?

Das hat mich Bernhard auch schon gefragt. Wir einigten uns auf eine lebenslange Vertragsdauer . . . (lacht)

1975 haben Sie die Firma Ihrem Vater abgekauft. Weshalb heisst das Unternehmen heute nicht Walter Frey AG?

Mein Vater hat die Firma 1924 gegründet und sich einen sehr guten Ruf erarbeitet. Mein Ziel war es, das zu halten und auszubauen. Ich wäre dumm gewesen, diesen Prozess mit einer Namensänderung zu stören.

Was viele nicht wissen: Emil Frey ist auch im Ausland tätig und gibt Tausenden von Menschen Arbeit. Wann hat diese «Eroberung» begonnen, und was sind Ihre Ziele?

Bereits 1970 wurde mir der Toyota-Import für Frankreich anvertraut. Das war der Beginn unserer Tätigkeit im Ausland. Anschliessend wurden wir in Deutschland aktiv und seit dem Mauerfall auch in Ländern Mitteleuropas. Ich möchte auch künftig eine unabhängige Gruppe bleiben auf der Basis der im Emil-Frey-Brief festgehaltenen Grundwerte.

Dieser Brief hängt in jedem Büro, alle Mitarbeitenden haben ihn. Was sind das für Grundwerte?

Mein Vater hat diesen Kundenbrief 1935 verfasst. Er hat heute noch Gültigkeit. Es geht darum, dass die Kunden für ihr Geld einen wirklichen Gegenwert erhalten. Dass sie prompt und gewissenhaft von ausgewiesenen Fachleuten bedient werden. Und dass sie nur die besten, vorteilhaftesten und preiswürdigsten Erzeugnisse erhalten.

Jeder zehnte Arbeitsplatz in der Schweiz hat direkt und indirekt mit Autos zu tun. Trotzdem ist die Grundstimmung in unserem Land eher autofeindlich – wieso? Da würde man wohl am besten einen Volkspsychiater befragen.

Als langjähriger Vollblutunternehmer, Politiker und Sportler kennen Sie die Schweiz und ihre Bewohner in- und auswendig.

Fakt ist: Der Automobil- und Strassenverkehr nützt allen. Die politisch gepflegte Feindlichkeit rührt vielleicht von der Tatsache her, dass vor hundert Jahren das Automobil ausschliesslich den Vermögenden zugänglich war und breite Volksschichten davon ausgeschlossen waren. Das ist heute anders. Heute trägt es im Personen- und Güterverkehr die Hauptlast.

Als Politiker haben Sie sich seit Jahrzehnten mit der Schweizer Verkehrspolitik beschäftigt. Wie hat sich der Kampf Strasse gegen Bahn verändert?

Ich habe eine leichte Versachlichung der Diskussion festgestellt. Bahn und Strasse wissen, dass man den Verkehr nur gemeinsam bewältigen kann.

Welches sind die grössten Flaschenhälse in der Schweiz?

Wo würden Sie zuerst ansetzen?

Am prekärsten ist die Situation in der Agglomeration Zürich, in Egerkingen/Härkingen und rund um Lausanne/Genf.

Der Automarkt Schweiz/Liechtenstein hat das Jahr 2016 deutlich besser abgeschlossen als erwartet. Mit 317 318 neu immatrikulierten Personenwagen liegt das Resultat klar über den budgetierten 305 000 Einheiten. Was erwarten Sie für 2017?

Ich gehe von rund 310 000 Personenwagen aus.

Haben politische Entscheide wie der Brexit oder die Trump-Wahl einen direkten Einfluss auf den Markt?

Einen direkten Einfluss nicht. Indirekte Auswirkungen sind langfristig aber möglich.

Was halten Sie vom Slogan «Mobilität ohne Besitz», mit dem bei der jüngeren Generation gepunktet wird? Haben Sie da auch Ideen und Visionen?

Es ist möglich, dass auch in der wohlhabenden Schweiz der Trend, vom Besitz zu teilen (own to share), zunehmen wird. Das kann bei jüngeren oder älteren Generationen der Fall sein. Wir haben vor einigen Jahren auch in die Hertz-Vermietungsorganisation investiert und haben durchaus auch Ideen in diesem Bereich.

Und Ihre Visionen?

Wenn ich Visionen habe, dann gehe ich zuerst zum Doktor.

Max Fischer

& Dieter Liechti

Alle wichtigen Infos zur Geneva International Motor Show findest du hier.

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