Unter dem HammerStumpen-Herbies Shelby Mustang GT 350
Wenn der Schweizer Herbert Müller in den Sechzigerjahren einen schnellen Untersatz benötigte, um zur und auf der Rennstrecke zu fahren, nahm er gerne seinen Shelby Mustang.
Rennfahrer waren früher auch auf normalen Strassen gerne schnell unterwegs, denn oftmals gingen sie während der Woche einem normalen Arbeitsalltag nach und es blieb nur wenig Zeit für die Fahrt zur Rennstrecke. Das gilt auf jeden Fall für Stumpen-Herbie, wie der Schweizer Herbert Müller gerne genannt wurde, weil er zur Entspannung gerne rauchte.
Herbie war ein Rennfahrer, wie es sie heute kaum mehr gibt. Als Amateur fuhr er in der ersten Liga mit, siegte zweimal an der Targa Florio, gewann die Europa-Bergmeisterschaft, dominierte die Interserie und verpasste einen Sieg in Le Mans nur knapp. Sogar ins Formel-1-Cockpit schaffte er es, Platz 5 trotz Benzinmangels war die immer noch beeindruckende Platzierung in seinem einzigen F1-Rennen.
Hauptberuflich kümmerte er sich um den Galvanikbetrieb, den er von seinem Vater übernommen hatte, an 15 bis 20 Wochenenden im Jahr fuhr er aber Rennen. Auf einen Ausgleichssport konnte er verzichten, denn die Strassenkilometer, die er für die Fahrten zu den Rennstrecken zurücklegte, konnte er seiner Ansicht nach locker als Konditionstraining verbuchen. Jedes Jahr legte er zudem 20'000 Versuchs- und 10'000 Trainings-/Rennkilometer zurück. Da blieb die Fitness automatisch erhalten, so befand zumindest Herbie, der es in seiner aktiven Rennkarriere mit den verschiedensten Fahrzeugen zu tun hatte, darunter Porsche 904 GTS, Porsche Carrera 6, Abarth 1000, Ford GT40, Lola T70, Ferrari 512 S/512 M, De Tomaso Pantera, Porsche RSR, Porsche 917K und Porsche 917/10, um nur einige Beispiele zu nennen.
Vom Serienfahrzeug zur Rennversion
Dass ein derart viel beschäftigter Mann mit Benzin im Blut auch im Alltag ein gut motorisiertes Fahrzeug fahren wollte, versteht sich von selber. Im Jahr 1966 kaufte er sich daher einen Shelby Mustang GT 350, den er einem Porsche 911 vorzog, weil er mehr Komfort, Platz und vor allem viel mehr Leistung bot. Der Shelby Mustang ist ein Auto, mit dem man in jenen Jahren auf öffentlichen Strassen zur Rennstrecke fahren konnte, dort auf Bestzeiten- und Trophäenjagd ging und am Abend wieder heimfuhr. Mit auf Achse war dabei Herbies Sohn Daniel.
Bereits an der Weltausstellung von New York im Frühling 1964 konnte man den kommenden Shelby Mustang GT 350 zum ersten Mal sehen, aber da war er wohl noch nicht ganz fertiggestellt. Offiziell stellte Carroll Shelby den Wagen der Presse Anfang 1965 vor und das Echo war ausserordentlich positiv. Das war der Mustang, den sich Power-Freunde gewünscht hatten. Für Shelby war der GT 350 aber nur ein Baustein auf dem Weg zum wirklich erfolgreichen Rennwagen, denn der Serien-GT 350 war ein Kompromiss, der vor allem auf der Strasse für Erfolg sorgen musste. Der GT 350R aber war die Rennversion.
Herbies besonderer GT 350
Müller kaufte einen 66-er Shelby Mustangs und liess ihn im englischen Slough bei Ford Advanced Vehicles zum rennfähigen Gerät umbauen. Im Rahmen dieser Modifikationen erhielt das Chassis SFM6S342 die typischen R-Elemente wie Überrollbügel, Ölkühler, 140-Liter-Tank, Kunststoff-Front und Aluräder. Am interessantesten aber war wohl der Motor, denn der stammte mehr oder weniger direkt aus dem Rennwagen Ford GT40 und war bei Holman-Moody aufgebaut worden. An Kraft dürfte es diesem Mustang also nicht gefehlt haben.
Rund 220 km/h schnell war ein GT 350R damals und wer das Gaspedal senkte, liess die Hölle losgehen. So befand zumindest die «Automobil Revue» bei einem ersten Kontakt im Jahr 1965:
«Das Ingangsetzen des Motors löst beim ersten Stoss aufs Gaspedal ein sturmartiges Gebrüll aus, da eigentliche Schalldämpfer fehlen. Auf Geräuschdämpfung wurde bei der rennsportlichen Ausführung kein Wert gelegt, der Wagen ist sowohl für Aussenstehende wie auch im Innern ausserordentlich lärmig, da aus Gründen der Gewichtseinsparung kein schalldämpfendes Material verwendet wurde.»
Leistungsfähig war auch Herbies Mustang. «Der Motor war bärenstark, das Getriebe lang übersetzt. Im ersten Gang lag die Endgeschwindigkeit bei 128 km/h, im vierten war bei 260 km/h die Höchstdrehzahl erreicht», erinnert sich Herbies Sohn Daniel, der ja ausreichend Gelegenheit hatte, die Fahrleistungen vom Rücksitz her mitzuerleben.
Unterwegs zur Rennstrecke
Dass mit einem schnellen Auto früher tatsächlich Zeit gespart werden konnte, zeigt folgende Anekdote aus dem Jahr 1969, an die sich Müllers Sohn Daniel bis heute erinnert: «In jenen Jahren galt eine Fahrzeit von sechs Stunden vom Schweizer Mittelland nach Le Mans - rund 800 km - als ?ordentlich?, vor allem wenn man bedenkt, dass es damals noch keine Autobahnen gab ... Jedenfalls wurden wir tief in der Nacht von einer Polizeikontrolle angehalten und die uniformierten Beamten meinten, Herbie wäre sicherlich mit 180 km/h gefahren. Mein Vater antwortete freundlich-lächelnd mit den Worten: ?C'est impossible avec cette voiture ...?, schob drei Zigarren durch das Seitenfenster und die Bemerkung hinterher, dass er unterwegs zu den 24 Heures du Mans sei. Einer der Polizisten erkannte ihn daraufhin tatsächlich als Fahrer des französischen Matra MS 630, woraufhin wir unbehelligt weiterfahren konnten. Bevor wir wieder bei unserer ?Reisegeschwindigkeit? angekommen waren, meinte Herbie lakonisch: ?So'ne Aff, was meint denn de ..., mit Hundertachtzg chämed mer erscht zum Rennände aa?!?»
Eine derartig flüssige Fahrt zur Rennstrecke forderte allerdings ihren Tribut. Über 60 Liter flossen bei hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten durch die Doppel-Weber-Vergaseranlage. Selbst bei einem 140-Liter-Tank musste man rund alle 200 km beginnen, nach Benzin-Nachschub Ausschau zu halten, was beim damaligen französischen Tankstellennetz durchaus eine Herausforderung sein konnte. So kam es auch vor, dass ein Tankwart aus der verdienten Nachtruhe geweckt werden musste, um die Fahrt fortsetzen zu können.
Nur zwei Besitzer bis heute
Einige Jahre nach dem Unfalltod Herbert Müllers im Jahr 1981 kaufte ein Amerikaner den Mustang und behielt in bis heute.
Jetzt wird der Wagen am Freitag den 16. Mai 2014 an der Indianapolis-Versteigerung des Auktionshauses Mecum unter den Hammer kommen. Es wäre doch zu schön, wenn der Wagen wieder in die Schweiz zurückkäme.
Weitere Informationen, viele Bilder, historische Berichte und technische Daten zum Shelby Mustang GT finden sich auf www.zwischengas.com.
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