Pussy-Riot-Aktivisten entern Grossmünster

Aktualisiert

Pfarrer überraschtPussy-Riot-Aktivisten entern Grossmünster

Am Grossmünster in Zürich hängt ein «Free Pussy Riot»-Transparent in schwindelerregender Höhe. Aktivisten demonstrieren damit symbolstark gegen die harte Bestrafung der drei russischen Sängerinnen.

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dwi/gux/Ilö

«Das ist Action pur», sagt Leser-Reporter Michael N. Etwa zehn Aktivisten haben am Montagmittag ein Billet gekauft, um – ganz legal – auf den Südturm des Zürcher Grossmünsters zu gelangen. Auf gut 50 Metern Höhe entrollten sie dann aber ein riesiges Transparent mit der Aufschrift «Free Pussy Riot – Fuck Putin now».

Die Aktivisten, alles Künstler, gehören dem erst vor drei Tagen gegründeten «Freien Punk Kommitee» an, wie Kommitee-Sprecherin «Jacky Müller» (Künstlername) gegenüber 20 Minuten Online erklärte. Mit ihrer spektakulären Aktion fordern sie die sofortige Freilassung von Pussy Riot, die wegen ihres Protestsongs gegen Wladimir Putin am Freitag zu 2 Jahren Arbeitslager verurteilt worden waren.

Angst vor Konsequenzen haben die Mitglieder des ««Freien Punk Kommitees» weniger: «Wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt», sagt Aktivistin Müller, «aber wir gehen davon aus, dass uns nicht zwei Jahre Gefängnisstrafe drohen.»

Sie ergänzt: «Die Aktion wurde auf dem Grossmünster durchgeführt, weil dies ein symbolträchtiger Ort ist und Parallelen zur Kathedrale in Russland hat.»

Die Aktivisten boten den Zuschauern einiges: «Sie tragen Masken und fuchteln mit gefälschten Waffen herum», erzählt Leserreporter N. Immer mehr Leute hätten sich unter dem Grossmünster versammelt, um zu schauen, was dort in schwindelerregender Höhe passiert. «Etwa 40 Personen stehen bereits da», so der Leserreporter.

(Noch)Kein Strafantrag gestellt

Leser-Reporter Mike B. ist begeistert von der Aktion. «Ich finde das toll. Das Urteil gegen die Sängerinnen ist viel zu hart», so B. Er sass gerade an der Limmat, als das Transparent aufgehängt wurde. «Die Aktivisten haben sich vom Geländer abgeseilt, um das Plakat zu befestigen», erzählt B.

Mittlerweile sind die Protestrufe verstummt. Gemäss Judith Hödl, Sprecherin der Stadtpolizei Zürich, dauerte die Demonstration bis 13.30 Uhr. Ob die Kirche gegen die Aktivisten vorgehe, sei noch offen. «Bis jetzt allerdings ist noch kein Strafantrag bei uns eingegangen», so Polizeisprecherin Hödl.

Grossmünsterpfarrer weiss von nichts

Martin Rüsch, Pfarrer am Grossmünster, wusste auf Anfrage von 20 Minuten Online nichts von der Aktion. Er reagierte gelassen. «Die Aktion war nicht bewilligt, aber für ein kleines Aufgeld kann jeder auf den Turm des Grossmünsters.»

Dabei gab sich Pfarrer Rüsch ganz und gar nicht weltfremd, den Fall der drei verurteilten Putin-Kritikerinnen kennt er bestens. «Aus unserer Sicht war die Verurteilung dieser Frauen sicher schräg», sagt Rüsch.

«Es wundert mich nicht, dass gerade das Grossmünster für die Aktion gewählt wurde. Die Kirche ist in diesem Fall natürlich ein Ort von grosser Symbolkraft.»

Allerdings werde die Zürcher Kirche insofern missbraucht, als dass sie «ohne Spielregelen oder Absprache» als Plattform benutzt worden sei.

«Der Fall weckt Unrechtsbewusstein»

Grundsätzlich kann Pfarrer Rüsch der Aktion einiges abgewinnen. «Die Diskussion über das Verhältnis zwischen Staat und Kirche ist eine spannende und aktuelle, die auch hier geführt werden könnte.»

Der Pfarrer kann gut nachvollziehen, dass sich vor allem junge Leute mit den verurteilten Musikerinnen beschäftigen und sich empören. «Dieser Fall weckt in besonderem Masse ein Unrechtsbewusstsein», so Rüsch.

Dennoch: Das riesige Plakat «Free Pussy Riot – Fuck Putin now» soll möglichst schnell vom Kirchturm des Grossmünsters entfernt werden. «Es gab dafür weder eine Nachfrage noch eine Bewilligung. Ausserdem: Das Ziel der Aktion wurde erreicht, Aufmerksamkeit erregt, ein Skandaleffekt erzielt.»

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