Projekt Smart-UhrApple schlägt zurück
Vom belächelten Gadget zum Kassenschlager? Unter Tim Cook will Apple das nächste grosse Ding herausbringen. Oder besser: das nächste kleine Ding.
Was haben ein illegaler Einwanderer, eine 102-jährige Seniorin und ein verwundeter Afghanistan-Veteran mit dem Apple-Chef gemeinsam? Sie alle sind am Dienstag von First Lady Michelle Obama nach Washington eingeladen worden. Gemeinsam verfolgten sie die Rede des US-Präsidenten zur Lage der Nation.
In seiner Fernsehansprache fand Barack Obama denn auch lobende Worte für seinen Ehrengast Tim Cook. Noch in diesem Jahr werde Apple wieder damit anfangen, Mac-Computer auf US-Boden zu bauen. Die präsidiale Erwähnung ist Balsam auf die Wunden des amerikanischen Vorzeige-Unternehmens. Apple musste in den vergangenen Monaten böse Tiefschläge einstecken, der Aktien-Höhenflug endete jäh.
Der Coolness-Faktor
Was die Kalifornier noch mehr schmerzen dürfte als der Milliardentaucher an der Börse, ist die sich wandelnde öffentliche Wahrnehmung. Zwar verkauft Apple immer noch rekordverdächtig viele iPhones und iPads: Doch der Nimbus der Unbesiegbarkeit ist weg, der Coolness-Faktor der iFirma wird immer häufiger in Zweifel gezogen. Steht Apple nach dem Tod von Übervater Steve Jobs vor einem schleichenden Niedergang?
Die Fans des angebissenen Apfels können sich beruhigt zurücklehnen: Apple ist immer dann am stärksten, wenn das Unternehmen angefeindet und unterschätzt wird. Das sich das Blatt sehr bald wenden könnte, zeigen die jüngsten Gerüchte. Offensichtlich arbeiten die Apple-Ingenieure fieberhaft am nächsten grossen Ding, oder besser am nächsten kleinen Ding. Während die Eroberung des Wohnzimmers mit einem eigenen TV-Gerät weiter auf sich warten lässt, rücken die Handgelenke der Kunden ins Visier.
100-köpfiges Team
Anfang Woche waren die ersten ernst zu nehmenden Gerüchte zur iWatch aufgetaucht. Das «Wall Street Journal» und die «New York Times» berichteten übereinstimmend von einer Smart-Uhr, die angeblich in Entwicklung sei. Nun hat die Nachrichtenagentur Bloomberg nachgelegt. Sie will aus gut informierten Kreisen erfahren haben, dass seit vergangenem Jahr ein Team von 100 Personen an der Arbeit sei. Darunter seien neben Marketing-Fachleuten auch Hardware- und Software-Ingenieure, die vorher das iPhone und das iPad mitentwickelt hätten.
Die Grösse des Teams weise darauf hin, dass das Projekt mittlerweile die Experimentierphase überschritten habe, heisst es. Bekanntlich konzentriert sich Apple auf einige wenige Produkte, das Portfolio ist überschaubar gross. Wenn nun viel Manpower und Geld investiert wird, ist das ein klares Zeichen.
Gezielte Indiskretion
Andererseits muss man sich die Frage stellen, warum diese an sich vertraulichen Informationen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Die iWatch wird am Apple-Hauptsitz im kalifornischen Cupertino entwickelt. Dort gelten strengste Sicherheits- und Geheimhaltungsmassnahmen. Im Gegensatz zu den weniger streng kontrollierten Zulieferbetrieben in Asien ist es im hermetisch abgeriegelten Hauptquartier am Infinite Loop 1 undenkbar, dass die Nachricht von zukunftsweisenden Interna ungewollt nach aussen dringt. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es sich um gezielte Informationen mit dem Segen der Apple-Führung handelt. Soll der Boden vorbereitet werden für eine baldige Lancierung?
Perfekte PR-Maschine
Fakt ist, dass die Kalifornier mit guten Nachrichten im Gespräch bleiben wollen. Apple verfügt über eine perfekt eingestellte PR-Maschine, zu deren Repertoire gehören auch Indiskretionen. Im Gegensatz zu den Vorjahren zeichnet sich zudem für diesen Frühling keine wichtige Produkt-Lancierung ab, abgesehen vermutlich von einem iPad mini mit schärferem Bildschirm. Und das iPhone 5S, das mit grösster Wahrscheinlichkeit im Sommer vorgestellt wird, lockt derzeit noch niemanden hinter dem Ofen hervor.
Während Google auf eine schlaue Datenbrille setzt, will Apple mit einer Armbanduhr punkten. Die bissigen Kommentare sind absehbar. Doch sollten sich die Skeptiker an die Geschichte der vorangegangenen Apple-Lancierungen erinnern. Auch beim iPod, iPhone und iPad hatte es geheissen, Apple sei damit kein Riesenerfolg vergönnt.
Tim Cook wird sich von all den Unkenrufen nicht verunsichern lassen. Gegenüber Analysten sagte er diese Woche, dass die Innovationskraft seines Unternehmens ungebrochen sei. Der verstorbene Firmengründer Steve Jobs hatte diesbezüglich die Weichen gestellt. Apple könne gar nicht anders, als grossartige Produkte herauszubringen, ist sich der aktuelle CEO sicher. Ob es gelingt, die Magie früherer Tage zurückzubringen, wird sich wohl noch dieses Jahr weisen.
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