Apple erfindet das Schulbuch neu

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Neue Gratis-AppsApple erfindet das Schulbuch neu

Interaktive Grafiken und Videos statt trockener Bücher: Apple will mit multimedialen Lerninhalten für das iPad die Schulzimmer erobern. Ein Schweizer Bildungsexperte nimmt Stellung.

von
dsc

Apple will mit seinem Tablet-Computer iPad den US-Schulbuchmarkt erobern. Der Technologiekonzern stellte am Donnerstag in New York eine neue Version seines kostenlosen Programms «iBooks» vor. Mit der App sollen Schüler und Studenten Lehrbücher auf ihr iPad laden.

Die Bildung sei tief in der «DNA von Apple» verankert, sagte Marketingchef Philip Schiller bei der Präsentation im Guggenheim Museum. Mit «iBooks 2» biete Apple Schülern und Studenten die Möglichkeit, «dynamischer, fesselnder und wirklich interaktiv zu lesen und zu lernen».

E-Books einfach erstellen

Mit der iBooks-2-App können elektronische Bücher, sogenannte E-Books, gekauft werden, die auch interaktive Animationen, Graphiken, Fotos und Videos abspielen können. Ausserdem sollen Nutzer in den digitalen Lehrbüchern leicht Markierungen und Notizen machen, Definitionen abrufen und im Text suchen können.

Mit dem kostenlosen Programm «iBooks Author» können Apple-Nutzer zudem eigene E-Books zusammenstellen und sie im Internet-Buchladen iBookstore anbieten. Allerdings stossen die rigiden Bestimmungen, die im Endbenutzer-Lizenzvertrag (EULA) festgelegt sind, auf Kritik. Die Software steht für Mac OS X zur Verfügung. Sie kann - wie iBooks 2 - ab sofort aus dem App Store heruntergeladen werden.

Drohende Ungleichbehandlung

Kritiker sind skeptisch, ob sich das Lernen mit elektronischen Medien durchsetzt. Schulbücher werden in der Regel von den Schulen zur Verfügung gestellt und halten durchschnittlich fünf Jahre. Ein iPad kostet in den USA dagegen mindestens 499 Dollar.

Der Marketingprofessor und ehemalige Schuldirektor Albert Greco warnte vor der Ungleichbehandlung, wenn im selben Klassenzimmer Schüler mit dem Tabletcomputer und andere mit herkömmlichen Büchern lernen würden. «Das ist eine Einladung für eine Klage vor Gericht», sagte Greco. Der Professor will Schülern das unangenehme Minderwertigkeitsgefühl ersparen, wenn ihre Eltern sie nicht mit einem iPad ausstatten können oder wollen.

Analysten zufolge ist der Marktanteil der E-Books auf dem 8 Milliarden Dollar schweren US-Lehrbuchmarkt mit nicht einmal drei Prozent noch sehr gering. Nach Angaben von Apple sind bislang 1,5 Millionen iPads in Bildungseinrichtungen im Einsatz. Um den Marktanteil zu steigern, arbeitet Apple bei der Produktion der Tablet-Lehrbücher mit US-Verlagen zusammen.

«Warm anziehen»

Die Auswirkungen der neuen Apple-Produkte auf die Schweizer Schulen und den Lehrmittelmarkt sind offen.

«Der Lehrmittelverlag muss sich wahrscheinlich bald warm anziehen!», heisst es in einer ersten Reaktion eines bloggenden Lehrers. Und in einem Kommentar darauf antwortet ein anderer Pädagoge: «Mit iBooks Author erhalten ganz gewöhnliche Lehrer wie du und ich die Möglichkeit, Aufgaben zu schreiben, welche unsere SchülerInnen mit dem Reader iBooks (nur auf dem iPad) lesen, lösen, einreichen und innerhalb ihres Kurses als erledigt abhaken können.»

Noch nichts gehört

An der Fachhochschule Nordwestschweiz wird Apples Bildungsoffensive in den USA mit Interesse verfolgt. Hierzulande gebe es keinen vergleichbaren Vorstoss, sagt Andy Schär von der Pädagogischen Hochschule FHNW. «Wir haben noch nichts gehört von Apple.» Der Einsatz von offiziellen Schweizer Lehrmitteln auf dem iPad oder Tablet-PC müsse kommen, brauche aber noch Zeit, ist der Leiter der Beratungsstelle für digitale Medien in Schule und Unterricht überzeugt.

Zwar gab und gibt es verschiedene Projekte mit Tablet-Computern an Schweizer Schulen und sogar Kindergärten. Die Initiative ging jeweils von den Schulgemeinden und übergeordneten Bildungseinrichtungen aus. (dsc/sda)

iTunes U als eigene App

Dem Universitätsprogramm iTunes U hat Apple eine eigene App spendiert. Sie läuft auf dem iPad, iPhone und iPod touch. Mit der Gratis-App können Universitäten ihre Dienstleistungen auf mobilen Geräten anbieten. So können Dozenten Kurse einrichten, Hausaufgaben und Notizen verwalten und mit den interaktiven Lehrbüchern verknüpfen, die auf den iPads der Lernenden installiert sind. Schüler und Studenten können mittels Push-Nachrichten über neue Inhalte und Aufgaben informiert werden.

Die bisherigen Audio- und Videopodcasts, die bei iTunes U veröffentlicht wurden, können ebenfalls mit der mobilen App abgespielt werden. An iTunes U beteiligen sich Universitäten und Hochschulen aus zahlreichen Ländern, auch aus der Schweiz, Deutschland und Österreich.

(dsc)

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