«The Social Network»«Mark Zuckerberg ist ein Heuchler»
Ein neuer Kinofilm über die Gründung von Facebook basiert auf einem Buch, in dessen Untertitel von Sex und Betrug die Rede ist. Autor Ben Mezrich klärt auf.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg lehnte es ab, mit Autor Ben Mezrich zu sprechen. Bild: Keystone/Composing
«Du kannst keine 500 Millionen Freunde haben, ohne dir ein paar Feinde zu machen», heisst es in der Ankündigung zum Film «The Social Network», der am 7. Oktober in die Kinos kommt. In den Hauptrollen sind Jesse Eisenberg als Mark Zuckerberg, Andrew Garfield als Eduardo Saverin und Justin Timberlake als Sean Parker zu sehen. Regie führt David Fincher, der unter anderem «Fight Club», «Seven» und «Der seltsame Fall des Benjamin Button» drehte.
Erzählt werden die Anfänge von Facebook. Das heute weltgrösste soziale Netzwerk wurde in einem Wohnheimzimmer der Universität Harvard gegründet und ging am 4. Februar 2004 online. Zunächst hatten nur Studenten der US-Elitehochschule Zugang. Heute zählt die Community über 500 Millionen Mitglieder. Der Streifen basiert auf dem Buch «Milliardär per Zufall: Die Gründung von Facebook - eine Geschichte über Sex, Geld, Freundschaft und Betrug» des amerikanischen Autors Ben Mezrich. Im Interview spricht der 41-Jährige über die Schattenseiten des Erfolgs, vermeidbare Fehler, Verzögerungstaktiken des Unternehmens und erklärt, warum Mark Zuckerberg an der Abschaffung des Datenschutzes arbeiten soll.
20 Minuten Online: Als Ihr Buch erschien, bezeichnete sie Facebook-Sprecher Elliot Schrage als Judy Collins des Silicon Valley. Sind Ihre Tränen mittlerweile getrocknet?
Ben Mezrich: Ich finde das sehr lustig und wollte es sogar auf den Buchrücken drucken lassen. Aus naheliegenden Gründen hatte mein Verlag aber etwas dagegen. Grundsätzlich verstehe ich Facebooks Reaktion. Das ist nicht unbedingt ein Buch, welches man herbeigesehnt hat. Nicht ohne Grund wollte Mark Zuckerberg nicht mit mir sprechen. Ich habe etwa ein Jahr an diesem Buch gearbeitet und die ganze Zeit Kontakt zu Facebook gehabt. Man hat mich immer wieder vertröstet - und es ist trotzdem fertig geworden. Ständig wollten Mitarbeiter wissen, mit wem ich gesprochen habe und mich beeinflussen. Als sie den Titel des Buches erfuhren, waren sie natürlich nicht glücklich.
Der Facebook-Sprecher spielte aber auch auf Ihre Arbeitsweise an,...
... die ich aber in einem Vorwort ganz klar beschrieben habe. Natürlich war ich nicht in jeder beschriebenen Szene dabei und musste manche konstruieren, um aus dem Ganzen eine Geschichte zu machen. Aber die entscheidenden Fakten stimmen.
Sie lassen einen der Napster-Gründer, Sean Parker, bereits 2004 darüber nachdenken, den Technologie-Blog Valleywag anzurufen. Die Seite wurde aber erst 2006 gegründet. Ausserdem werden Harvard-Diplome nicht an alle Studenten auf einer Bühne, sondern einzeln im kleinen Rahmen überreicht. Zudem ist Mark Zuckerberg mit seiner Freundin Priscilla Chan bereits länger zusammen als es Facebook gibt.
Das mag sein, ändert aber nichts an den entscheidenden Szenen des Buches. Anekdoten wie Mark Zuckerbergs Visitenkarten mit der Aufschrift «I'm CEO - bitch» stimmen ganz sicher. Ich habe mit dutzenden Leuten gesprochen und tausende Seiten Material zusammengetragen.
Ihre wichtigste Quelle ist Eduardo Saverin, einst Mark Zuckerbergs Freund und Co-Gründer von Facebook, der dann später ausgebootet wurde. Wie sind Sie an ihn herangekommen?
Um zwei Uhr nachts erhielt ich eine E-Mail von Will, einem Freund Eduardos, der Facebook mitgegründet habe und seine Geschichte erzählen wolle. Also habe ich die beiden in einer Bar getroffen und so hat alles angefangen. Eduardo fühlte sich betrogen und befand sich mitten in einem Rechtsstreit mit Mark Zuckerberg.
Worum ging es dabei?
Auf dem Papier hatte er 30 Prozent der Anteile. Durch eine massive Kapitalerhöhung, bei der er übergangen wurde, wurde er de facto aus dem Unternehmen gedrängt. Eduardo fühlte sich also betrogen und wollte seine Geschichte erzählen. Einige Monate später erschien bei gawker.com ein Artikel, in dem zu lesen war, an was ich arbeitete. Da bekam Eduardo kalte Füsse. Ausserdem einigte er sich dann mit Facebook. Laut Gerüchten soll er einen 5-Prozent-Anteil erhalten haben, der ihn zum Milliardär machte. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Er bekam also, was er wollte. Übrigens gehe ich davon aus, Mark Zuckerberg hätte sich niemals mit Eduardo Saverin geeinigt, wenn dieser nicht mit mir gesprochen hätte.
Wenn man Ihr Buch liest, gewinnt man den Eindruck bei der Gründung von Facebook sei es Mark Zuckerberg vor allem darum gegangen, Aufmerksamkeit beim anderen Geschlecht zu erregen. Ist es wirklich so einfach?
Mark und Edudardo waren Outsider. Sie gehörten keinem der jahrhundertealten Clubs an und hatten daher kaum Chancen bei Mädchen. Also hackte er sich in Universitätsserver, stellte die Bilder von Studentinnen auf seine eigene Seite, auf der man sie dann bewerten konnte. Das brachte ihm zwar Ärger mit der Hochschulleitung ein, machte ihn aber auch bekannt. Kein Junge, der Mädchen bekam, hätte eine derartige Website programmiert. Es war das Projekt eines Studenten, der in der Ecke sass und Kommilitoninnen anstarrte. Und Facebook ist das Gleiche - natürlich einige Nummern grösser.
Glaubt man Ihrem Buch, haben Mark Zuckerberg und Eduardo Saverin eine Vorliebe für asiatische Frauen. Es gibt da unter anderem diese Szene, in der die beiden Sex mit Asiatinnen haben - in benachbarten Duschkabinen. Hätte es derartige Details gebraucht?
Vorab: Wer wie ich in Harvard war, weiss, dass Geeks eine Vorliebe für Asiatinnen zu haben scheinen. Denn auf dem Campus sieht man viele entsprechende Paare. Im Übrigen hat mir Eduardo die erwähnte Szene so geschildert. Und ich kann diese Vorliebe verstehen, denn meine Frau ist Taiwanerin. Als ich Eduardo interviewte, lernte er eine Freundin meiner Frau kennen - natürlich ebenfalls eine attraktive Asiatin. Ich verstehe Mark Zuckerberg, denn auch ich war in Harvard ein Outsider, hatte aber leider nicht die Idee, Facebook zu entwickeln.
Facebook macht immer wieder mit Datenschutzproblemen Schlagzeilen. Überrascht Sie das - angesichts der Entstehungsgeschichte seines Vorläufers?
Mark Zuckerberg ist kein Anhänger des Datenschutzes. Facebook will die Mauern der Privatsphäre einreissen. Es soll immer einfacher sein Informationen zu teilen und Leute zu finden. Die Frage ist nur: Warum wollte er dann nicht mit mir sprechen? Daher ist er für mich ein Heuchler, der bestimmen möchte, was und wie über ihn und seine Firma geschrieben wird. Fairerweise sei angemerkt, dass viele Facebook-Mitglieder sich nicht um ihre Privatsphäre zu scheren scheinen. Sie wollen bekannt sein.
Hat Mark Zuckerberg also Recht und das Ganze ist ein Medienthema, welches an den Nutzern von Facebook vorbeigeht?
Wenn man sich die stetig wachsende Zahl der Mitglieder anschaut, könnte man diesen Eindruck gewinnen. Viele Jugendliche haben wohl kein Problem damit, dass viele sehen können, wo sie leben, mit wem sie befreundet sind und was sie in ihrer Freizeit machen. Man darf bei all dem nicht vergessen, dass Facebook einst für Studenten von US-Eliteuniversitäten gedacht und man mit Leuten befreundet war, die man auch im realen Leben oft sah. Das hat sich bekanntlich geändert.
Wie nutzen Sie Facebook?
Ich nutze es mehrmals täglich, habe aber keine Anwendungen installiert und veröffentliche kaum Bilder. Es dient mir vor allem dazu, mit weit entfernt lebenden echten Freunden in Kontakt zu bleiben. Ich habe aber einige Fotos unseres Kindes auf Facebook gestellt, wenngleich ich mir nicht sicher bin, ob das die richtige Entscheidung war.
Haben Sie Mark Zuckerberg jemals getroffen?
Nein - leider nicht.
Werden Sie eine offizielle Biographie über den Facebook-Chef schreiben?
Sagen wir es mal so: Ich bin kein klassischer Biograph. Mein Interesse gilt Studenten, die in einer Grauzone viel Geld verdienen, wie man es unter anderem auch in meinem unter dem Titel «21» verfilmten Buch «Bringing Down the House» nachlesen kann: Ein Team von MIT-Studenten erspielte sich mit diversen Tricks jahrelang hohe Gewinne in Casinos rund um den Globus. Auch in meinem neuen Buch wird es um Studenten gehen, die eine Grenze überschreiten und einen Raubüberfall begehen, der an den Film «Ocean's Eleven» erinnert.