MWC 2010«Das ist eine Frage für James Cameron»
Google-Chef Eric Schmidt über Zensur in China, eigene Mobilfunknetzpläne und die Kritik an Buzz.
Google-Boss Eric Schmidt ist kein Performancekünstler wie Apple-Chef Steve Jobs oder Microsoft-CEO Steve Ballmer, der vorgestern in gewohnt charismatischer Manier Windows Phone 7 auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona vorgestellt hatte. Wo Jobs sein berühmtes «One more thing» platziert und Ballmer auch mal lauter wird, da raschelte Schmidt nur hörbar mit seinem Manuskript und rief einige Male fast schüchtern «It's magic» ins Publikum.
So wollte er auf die Qualitäten von Smartphones mit Googles Betriebssystem Android hinweisen - fast schon emotionale Ausbrüche für Schmidt, der in der Unternehmensleitung den seriösen Gegenpart zu den noch immer fast studentenhaft wirkenden Gründern Sergey Brin und Larry Page bildet. Während Schmidt pausierte, gaben einige Google-Entwickler einen kurzen Ausblick auf kommende Funktionen von Android-Geräten. Dazu zählen die Spracheingabe auf Deutsch und die Unterstützung von Adobe Flash 10.1. Ausserdem sollen Nutzer Texte mit ihrem Smartphone fotografieren und diese sogleich übersetzen lassen können. Wie in der obigen Bilderstrecke zu sehen ist, klappte dies fürs Präsentationsbeispiel gut. Das Ganze erinnert an Google Goggles, die Anfang Dezember vorgestellte bildbasierte Suche des Anbieters. Anwender fotografieren beispielsweise Gebäude und erhalten dann Informationen zu ihnen aus dem Netz.
«Die Mobilfunkbranche ist jetzt an einem Punkt angekommen, an dem drei Entwicklungsströme zusammenlaufen: Prozessoren bieten ausreichend Rechenleistung, die Cloud wird zur Basis für mobile Dienste und schnelle Netze erlauben dauerhafte Konnektivität», sagte Schmidt. Damit gebe es neue Spielregeln und für Google gelte das Motto «Mobile first». Denn 2013 werden laut dem Google-CEO erstmals mehr Smartphones als PCs abgesetzt werden - für Schmidt ein «fundamentaler Wandel».
20 Minuten Online: Samsung hat mit bada in Barcelona ein weiteres Betriebssystem vorgestellt, für das Entwickler Apps schreiben können. Wie viele Plattformen braucht die Welt?
Eric Schmidt: Man darf nicht vergessen, dass die Welt gross ist und Smartphones für fast die ganze interessant sind. Daher kann man auch nicht sagen, ob offene Betriebssysteme wie Android oder nicht freigegebene wie das iPhone OS am Ende als Sieger dastehen werden. Als ehemaliges und stolzes Aufsichtsratsmitglied von Apple kann ich sagen: Das Unternehmen hat eine brillante Strategie.
Was halten Sie von Apples Ende Januar präsentiertem Tablet-PC iPad? Und wann kommt Googles Tablet-PC, über den es schon seit Monaten Gerüchte gibt?
Ich werde mich weder zu konkreten Produkten anderer Hersteller noch zu besagten Spekulationen äussern.
Anders gefragt: Werden wir irgendwann nur noch mit einem Gerät wie einem Tablet-Computer auskommen?
Ich gehe nicht davon aus. Die Bedürfnisse der Menschen sind so verschieden wie sie selbst. Wir haben beispielsweise mal über die maximale Grösse des Google-Handys Nexus One diskutiert. Aus der Runde hiess es: «Das Gerät muss in die Tasche eines Mannes passen.» Damit fängt es schon an schwierig zu werden, denn der Vorschlag kam von einem männlichen Teilnehmer. Es wird also auch in Zukunft Smartphones und Rechner in allen möglichen Formfaktoren geben.
Kürzlich haben 24 Provider angekündigt, einen eigenen App Store starten zu wollen. Ist dies das Ende für den Android Market?
Wir fürchten den Wettbewerb nicht. Wenn es mehr Angebote gibt, wird es auch mehr Applikationen geben und dies dürfte am Ende die Nutzer freuen.
Trotzdem: Die Pläne der Provider scheinen ein Signal zu sein, sich von Anbietern wie Apple und Google emanzipieren zu wollen. Werden Unternehmen wie Ihres mit Apps gute Geschäfte machen und die Provider zu blossen Bereitstellern von Infrastruktur degradiert?
Keineswegs, denn woher kommt denn das Wachstum im Geschäft der Anbieter in erster Linie? Es wird durch Datenangebote getrieben, die wiederum durch Applikationen attraktiver werden. Viele Provider sagen uns: «Entwickelt attraktive Apps, die uns helfen unsere Surftarife zu verkaufen.» Handynetze der vierten Generation kosten viel Geld, aber wer sie beispielsweise für Videotelefonie und aufwändige Spiele nutzen will, wird teurere Datenangebote der Mobilfunkprovider wählen.
Der spanischen Tageszeitung «El País» sagte Cesar Alierta, Chef der spanischen Telefonica, kürzlich: «Google nutzt unser Netz, ohne dafür etwas zu zahlen - ein Glück für sie, ein Pech für uns. Das kann so nicht weitergehen.» Sehen Sie das auch so?
Nein, denn wie gesagt: Dank Android-Applikationen verdienen Provider mehr Geld, weil die Leute häufiger surfen.
Hintergrund des Vorstosses war wohl auch, dass die User eine Flatrate kaufen, immer mehr Videotelefonate führen und den neuen Film von James Cameron mehrmals auf dem Smartphone angucken. Dieses Nutzerverhalten verursacht den Providern wegen des massiv steigenden Datenverkehrs höhere Kosten, lässt sie dabei aber nicht mehr einnehmen.
Das ist eine Frage für James Cameron. Im Ernst: Die Provider sind unsere Partner und wir sind ebenso an leistungsfähigen Netzen interessiert wie sie.
Mit der Applikation Google Voice sind Nutzer auf allen Geräten über eine Nummer erreichbar und können günstiger telefonieren als über viele Mobilfunkanbieter. Geht Google hier zu weit, indem man den Providern Gesprächsminuten stiehlt?
Genauso gut könnte man argumentieren, dass günstige SMS teure Anrufe ersetzen.
Vergangene Woche hiess es in einer Studie des Mobilfunkdienstleisters Flurry, das seit Anfang Januar erhältliche Android-Smartphone Nexus One, welches als erstes auch von Google selbst verkauft wird, sei ein Ladenhüter. Stimmt das?
Ich kann nur sagen, dass zurzeit täglich etwa 60 000 Geräte mit Android von uns und unseren Partnern ausgeliefert werden - etwa doppelt so viele wie durchschnittlich an einem Tag des Vorquartals, in dem das Nexus One noch nicht erhältlich war.
Vor zwei Jahren bot Google bei einer Versteigerung von US-Mobilfunkfrequenzen mit, stieg dann aber aus. Wird Ihr Unternehmen noch einen Versuch machen, zum Handyprovider zu werden?
Das ist nicht geplant.
Google hat begonnen, in den USA Internetanschlüsse mit Verbindungsgeschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit zu testen, die etwa zehnmal so schnell sind wie heutige DSL-Angebote. Was wird daraus?
Das ist nur ein Forschungsprojekt, mit dem wir viel Spass haben. Google wird kein Internetprovider werden.
Seit vergangener Woche ist mit Google Buzz eine Social-Network-Erweiterung für Gmail verfügbar, die sich massive Kritik wegen fehlenden Schutzes der Privatsphäre eingehandelt hat. Was ist da schief gelaufen?
Die richtige Frage wäre: Was läuft gut bei Google Buzz? Antwort: Millionen Leute nutzen es. Mittlerweile verzeichnen wir 160 000 Beiträge oder Kommentare pro Stunde. Wir haben die User sicherlich anfangs schlecht informiert, wie sie Privates vor den Blicken Unbefugter schützen können. Mittlerweile haben wir wichtige Änderungen vorgenommen. So folgt man etwa nach dem Start nun nicht mehr automatisch anderen Nutzern, mit denen man beispielsweise bisher viele E-Mails geschrieben hat. Jetzt kann man sich bewusst aussuchen, mit wem man sich über Buzz verbinden möchte.
Auch Google Street View erntet Kritik von Datenschützern. So hat beispielsweise der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Google sogar vors Schweizer Bundesveraltungsgericht gebracht. Befürchten Sie, dass Ihr Unternehmen seinen guten Ruf bei den Nutzern verliert, den es sich unter anderem wegen zahlreicher Gratis-Tools erworben hat?
Deswegen machen wir uns keine Sorgen, denn die meisten Leute lieben das Produkt. Europa ist eine Hochburg des Datenschutzes. Das respektieren wir und versuchen einen Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Qualität des Angebots zu finden.
Einen Kompromiss müssen Sie auch mit China finden. Ansonsten droht Ihnen der Verlust des Marktes, weil Google seit Mitte Januar wegen Hackerangriffen auf Bürgerrechtler seine Suchergebnisse dort nicht mehr zensiert. Wurde diese Entscheidung politisch beeinflusst?
Dieser Schritt wurde im Google-Vorstand beschlossen, ohne vorher darüber mit der US-Regierung zu sprechen. Unsere chinesische Dependance wurde auch nicht in die Beratungen involviert.