SuchmaschinenManche Surfer sehen schwarz
«Street View» spaltet das Land. Die einen spazieren gut gelaunt am PC durch Schweizer Städte. Die anderen werfen Google fehlenden Datenschutz vor. Ob das Unternehmen beanstandete Bilder löscht, zeigt der Test von 20 Minuten Online. Er deckt überdies eine schwere Sicherheitslücke auf.
Vor einer Woche wurde Googles Panorama-Dienst «Street View» in der Schweiz gestartet. Nutzer können damit auch hierzulande virtuelle Spaziergänge unternehmen. Wie 20 Minuten Online berichtete, hat sich das Angebot scharfe Kritik des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragen Hanspeter Thür eingefangen.
Thür will «Street View» in der jetzigen Form nicht mehr im Netz haben. Um dies zu erreichen, erwägt er den Gang vors Bundesverwaltungsgericht: «Damit sich das Ganze nicht unnötig verzögert, besteht die Möglichkeit, eine superprovisorische Verfügung zu erwirken», sagte Thür gegenüber 20 Minuten Online.
Verfahren dauert einige Wochen
Doch das Vorgehen lässt sich offenbar nicht so einfach umsetzen. Ein Sprecher des Bundesverwaltungsgerichtes erklärt auf Anfrage von 20 Minuten Online: «Normalerweise erlässt der Eidgenössischen Datenschutzbeauftragte (EDÖB) in Datenschutzstreitigkeiten Empfehlungen, die er, wenn sie nicht befolgt werden, auf dem Klageweg beim Bundesverwaltungsgericht durchsetzen kann. Gemäss Artikel 33 Datenschutzgesetz kann der EDÖB bereits vor Einleitung des Klageverfahrens beim Präsidenten der Abteilung I vorsorgliche Massnahmen beantragen. Über solche vorsorglichen Massnahmen wird im einzelrichterlichen Verfahren gestützt auf eine summarische Prüfung des Sachverhaltes entschieden, das heisst, das Verfahren dauert einige Wochen.»
Laut einer heutigen Mitteilung von Hanspeter Thür hat Google «zugesichert, innert Wochenfrist abzuklären, ob und inwieweit rasch Verbesserungen des Produkts realisiert werden können. Der EDÖB erwartet konkrete Vorschläge, wird diese beurteilen und das Ergebnis bekannt geben. Google verpflichtet sich, vorläufig keine weiteren Gebiete mehr aufzuschalten». Ein Google-Sprecher hatte sich bereits gestern Abend zwischen den Zeilen optimistisch gegeben, dass eine aussergerichtliche Lösung gefunden wird: «Es gab einen guten Gedankenaustausch mit Hanspeter Thür. Wir freuen uns auf weitere Gespräche, um unsere branchenweit führenden Anwendungen zum Schutz der Privatsphäre demonstrieren zu können. Seit dem Launch in der letzten Woche haben wir einen Anstieg des Nutzungsvolumens von 80 Prozent erlebt, was die Popularität dieser Funktion bei der Schweizer Bevölkerung zeigt.»
Google reagiert schnell
Populär bei den einen, Ablehnung aus Datenschutzgründen bei den anderen. Denn Google hat verwischt zwar Gesichter und Nummernschilder. Allerdings funktionierte die Technologie noch nicht einwandfrei, wie «Street-View»-Macher Luc Vincent unlängst im Interview mit 20 Minuten Online einräumte. Und so häuften sich nach dem Start die Beschwerden - allein im Kanton Zürich gingen über 40 ein. Wer Google ein Problem mitteilen möchte, kann dies über eine unten links zu findende Schaltfläche namens «Ein Problem melden» direkt in «Street View» tun. Wie viele Nutzer davon in der vergangenen Woche Gebrauch gemacht haben, gab Google nicht an. Wer aber am PC durch die Strassen von Basel, Bern und Zürich fährt, der sieht kaum noch unverwischte Gesichter. Nummernschilder sind hingegen noch problemlos zu erkennen. Auf einer halbstündigen Testfahrt waren 17 zu sehen. Aber wie zuverlässig kommt Google den Wünschen seiner Nutzer nach und entfernt beanstandete Bilder? 20 Minuten Online hat es ausprobiert und dem Suchmaschinenanbieter ein Gesichtsbild sowie jeweils fünf Nummernschilder und Autos gesandt, um sie aus «Street View» entfernen zu lassen. Das Ergebnis: Binnen 24 Stunden waren alle nicht mehr in Googles Panorama-Dienst zu finden.
Google bietet Usern allerdings auch die Möglichkeit, ganze Häuser entfernen zu lassen. Dazu muss man das gleiche Formular ausfüllen wie für Nummernschilder, Gesichter und Autos. Und hier zeigte sich im Test von 20 Minuten Online ein Problem, denn auch hier wird nicht um Authentifizierung des Nutzers gebeten. Jeder kann also theoretisch alles entfernen lassen. Im Test wurden fünf Häuser beziehungsweise Läden ebenfalls innert einem Tagen gelöscht. Wer jetzt beispielsweise das Domizil eines Alt-Bundesrates ansteuert, erhält nur noch ein schwarzes Foto mit der Aufschrift «Dieses Bild ist nicht mehr verfügbar». In einigen Fällen kann man es aber immerhin noch durch Klicken auf den Zoom-Button betrachten.
Viele informieren sich vorab ein Netz
Bei der Vorstellung von «Street View» hatte Thomas Winkler, Mitglied der Geschäftsleitung von Schweiz Tourismus, noch geschwärmt: «Street View» sei ungeheuer wertvoll für unser Land - für Schweiz Tourismus und die Wirtschaft. Gegenüber 20 Minuten Online sagte Winkler nun: «Das Angebot «Street View» ist ein interessantes und nützliches Projekt für die Tourismuswirtschaft. Dass der Suchmaschinenanbieter es aber scheinbar ohne Besitzeridentifikation zulässt, unbefugt Häuser löschen zu lassen, ist aus dem touristischen Blickwinkel unschön.» Damit könnte ein Wettbewerbsnachteil entstehen, wenn beispielsweise ein Hotelier die Bilder von Konkurrenzhäusern entferne, weil sich viele Interessenten mittlerweile im Netz vorab informierten.
«Während wir dem grössten Teil unserer Benutzer vertrauen, dass sie das Entfernungswerkzeug nicht missbrauchen, kann dies dennoch vorkommen. Wir haben Kontrollmechanismen installiert, die Spam und ungerechtfertigte Anfragen behandeln und wir gehen davon aus, dass der grösste Teil irregulärer Aktivitäten entdeckt wird», sagte Google-Sprecher Matthias Meyer gegenüber 20 Minuten Online. Bislang sei das Unternehmen nur aufgefordert worden, etwa eines von 20 000 Fotos zu löschen. In einer Telefonkonferenz mit Schweizer Journalisten sagte Googles Datenschutzbeauftragter Peter Fleischer, dass Google zwar zugesichert habe, bis nächsten Mittwoch Hanspeter Thür Vorschläge zur Verbesserung der Verwischungstechnologie zu machen. Er wies aber darauf hin, dass man das Problem der fehlenden Besitzeridentifikation dabei aussen vor lassen werde.