Google-Car-Crash - Zürcher Jux verkohlt die Welt

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«Viral» aus der SchweizGoogle-Car-Crash - Zürcher Jux verkohlt die Welt

Seit Wochen geistern Bilder eines Street-View-Wracks durchs Web. Nun ist klar: Es ist ein Werbe-Viral aus der Schweiz. 20 Minuten Online weiss, wer dahinter steckt.

Daniel Schurter
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Daniel Schurter

Die Meldung verbreitete sich in Windeseile im Internet. Kein Wunder, hatte der mysteriöse Zwischenfall doch das Potenzial zum richtigen Knüller. Auf den ersten Blick zumindest.

Im indischen Hinterland, in einer menschenleeren Gegend, sei ein verunfalltes Street-View-Fahrzeug entdeckt worden, hiess es bei Twitter und Co. Von dem Unfall zeugten Bilder, die beim Fotodienst Flickr veröffentlicht wurden. Sie zeigten einen Rucksack-Touristen, der vor dem Wüstenwrack posierte.

Einige Tage später tauchte bei YouTube auch noch ein Amateurvideo auf. Das verwackelte Filmchen trägt den Titel «Google Car Fail». Darin ist ein junger Mann zu sehen, der das verlassene Kamera-Auto mit Steinen bewirft und offenbar grossen Spass hat.

(Quelle: youtube.com/Gisela Treichler)

Die Bilder schafften es bis nach Japan und Australien. News-Portale und Internet-Blogs rund um den Globus griffen die Geschichte vom angeblich gestrandeten Google-Auto auf. Der bei YouTube hochgeladene Film wurde innert weniger Tage über 90 000 Mal angeklickt. Die Internet-Welt diskutierte intensiv, ob es sich um einen echten Crash oder einen gut gemachten Fake handle. Natürlich traten auch Verschwörungstheoretiker auf den Plan und stellten alle möglichen Vermutungen an.

Aufnahmeort der Fotos gefälscht

Knapp einen Monat nach Bekanntwerden des Falles ist das Rätsel offiziell gelöst. Die spektakuläre Szenerie ist gestellt. Es handelt sich um eine Werbekampagne für einen Reisebuchladen in Zürich. Dies bestätigt der Art Director der Schweizer Werbeagentur Wirz exklusiv gegenüber 20 Minuten Online.

«Am 23. Juli haben wir die Bilder eines gestrandeten Street-View-Autos in der Wüste bei Leh in Indien auf Flickr gestellt», erzählt Rob Hartmann, Art Director von Wirz. «Das auf den Bildern zu sehende Google-Auto wurde von uns in 3D gebaut und in die Bilder integriert.» Die mit den Fotos gespeicherten Metadaten seien so manipuliert worden, dass alles auf die Echtheit der Bilder schliessen liess. Die Pointe liegt im Detail: Auf dem T-Shirt des vor dem Wrack posierenden Mannes prangt gut zu erkennen das Logo des Travel Book Shop.

20 Minuten Online hat auch Google um eine Stellungnahme gebeten. Die Antwort steht aus.

Kleiner Buchladen mit bewegter Geschichte

Der 1975 gegründete Travel Book Shop hat auch in der jüngeren Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt. Im Januar dieses Jahres wandte sich die 69-Jährige Eigentümerin Gisela Treichler mit einem Hilferuf an die Öffentlichkeit. Die «Neue Zürcher Zeitung» berichtete, dass der Reisebuchladen trotz einer treuen Stammkundschaft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecke. Wenn nicht in letzter Minute ein «weisser Ritter kommt und den Laden rettet», sei sie endgültig am Ende, sagte Treichler.

Daraufhin meldeten sich mehrere Personen und die passionierte Globetrotterin holte schliesslich eine neue Geschäftspartnerin an Bord. Als Buchhändlerin verstehe sie sich auch als Kulturvermittlerin, sagte Treichler. Das Internet könne nie dieselbe Beratung bieten wie eine Buchhandlung, und schön gebundene Bücher könnten nie und nimmer durch den Bildschirm eines E-Books ersetzt werden. Reiseinformationen im Internet zu sammeln sei zwar bequem, aber die Quellen oft unzuverlässig, die Recherchen unqualifiziert und selten professionell aufbereitet. «Das Internet kann einem alles weismachen.» Dies wollte sie auch mit dem Film zeigen, der das Web «mit seinen eigenen Waffen» schlägt, wie Treichler sagt.

Die zuständige PR-Agentur nimmt Stellung: «Die Bilder lösten auch Schadenfreude aus»

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