Streit um App-Werbung der Süddeutschen

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Web 2.0Streit um App-Werbung der Süddeutschen

Seit bekannt wurde, dass die deutsche Qualitätszeitung Blogger für positive Bewertungen ihrer iPhone-Applikation bezahlen liess, stehen sie im Kreuzfeuer. Nun wehren sie sich. Für die Kampagne war das Basler Unternehmen Trigami verantwortlich. Es hat den Auftrag jetzt verloren.

von
Henning Steier
sueddeutsche.de: Blogger warben für App.

sueddeutsche.de: Blogger warben für App.

In einem Artikel auf upload-magazin.de hat Seitenbetreiber Jan Tissler aufgedeckt, dass die Onlineausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ) das Schweizer Unternehmen Trigami angeheuerte, um Werbung für die kostenpflichtige iPhone-Applikation der Nachrichtenseite machen zu lassen. Die so genannte Gold-Version der App kostet 2,20 Franken. Sie bietet im Unterschied zur Gratis-Variante unter anderem Push Notifications. «Trigami hat auch mir angeboten, eine Werbe-Rezension der sueddeutsche.de-App zu schreiben und mir dabei die erwähnten Vorteile des Produkts beschrieben», sagte Tissler 20 Minuten Online. Trigami habe ihm wörtlich diese genannt:

- Die bekannt hohe journalistische Qualität von SZ und sueddeutsche.de kann jetzt auch komfortabel mit dem iPhone genutzt werden

- sueddeutsche.de hat eine Meinung

- sueddeutsche.de bezieht Stellung

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- Man kann seinen Kollegen/Bekannten zeigen, dass man auf Qualität setzt

«Ich jedenfalls interpretiere die Trigami-Ausschreibung so, dass ein Blogger nicht auf den ersten Blick erkennen kann, was für eine überragende Qualität er mit der Süddeutschen geliefert bekommt, wenn man ihm die entsprechenden Lobhudeleien nicht ins Blog diktiert. Dafür gibt es zwei mögliche Ursachen wie mir scheint: Blogger sind zu dumm oder die Süddeutsche ist zu schlecht. Entscheidet selbst», kommentierte Tissler, der sich im Web auf die Suche nach Bloggern machte, welche im Gegensatz zu ihm auf das Angebot eingingen. Er stiess unter anderem auf die Seiten webregard.de, padersolutions.de und zweinullig.de, welche sich an den Vorgaben von Trigami orientierten.

Blogger wehren sich

«Was ich persönlich nicht verstehen kann, ist Tisslers Aussage 'Qualitätszeitung kauft sich Bloggerlob', schliesslich ist es nicht verwerflich, sich PR-Texte zu kaufen», schrieb ein anonym bleibender Macher von zweinullig.de in einer E-Mail an 20 Minuten Online. Schliesslich sei es gang und gäbe, sich Plätze im redaktionellen Bereich einer Zeitschrift, Zeitung oder TV-Sendung (Paradebeispiel: ProSieben-Sendung «Galileo») oder auf einer Website zu kaufen. «Der Unterschied beim aktuellen SZ-Fall: Es wird sogar kenntlich gemacht, dass es sich um Werbung handelt. Das Prinzip der Trigami-Anzeigen: Blogger werden als Werbetexter genutzt und bekommen dafür diverse Auflagen. Anders geartet sei das Trigami-Review, in denen die Blogger ein Produkt testen können und ihre ehrliche und authentische Meinung wiedergeben können (inwiefern Trigami hier Vorlagen gibt oder Texte zensiert, kann ich nicht beurteilen)», so der zweinullig.de-Macher weiter. Was bei der aktuellen SZ-App-Kampagne zu kritisieren sei: «Wieso hat man sich nicht für die Review-Werbeform entschieden, liess Blogger also die Applikation ausführlich testen und ihre ehrliche Meinung und Kritik schreiben?»

In die gleiche Kerbe schlug Michael Klein von webregard.de: «Meiner Meinung nach wäre es tatsächlich passender gewesen, wenn man das Ganze mit einem Review der App durch die Blogbetreiber begonnen hätte. Doch auch der Verantwortliche in dieser Firma hat sich seine Gedanken gemacht», schrieb er 20 Minuten Online und führte weiter aus: «Es stimmt, dass es sich bei Werbung meist um eine Präsentation von etwas im positiven Sinne handelt. Dass Trigami ein alternatives Werbeformat für Blogger wie Google Adsense ist, sollte jedem regelmässigen Blog-Leser bekannt sein. Ich gehe stark davon aus, dass man die Kennzeichnung, welche jeder Beitrag am Anfang hat, nicht übersehen kann und somit weiss, welcher über Trigami gelaufen ist. Daher sehe ich das nicht als gekaufte Meinung.» Auch Steffen Eusterholz von padersolutions.de hätte die Review-Variante bevorzugt. «Hätten wir unsere eigene Meinung zur App geschrieben, wäre diese zwar nicht ganz so positiv ausgefallen, jedoch wäre sie um einiges glaubwürdiger und für die SZ unverfänglicher gewesen», schrieb er in einer Stellungnahme an 20 Minuten Online.

Die meisten Leser sind verärgert

Bislang bewerten die Leserkommentare unter Tisslers Artikel auf upload-magazin.de die Strategie der Süddeutschen Zeitung und teilnehmende Blogger überwiegend negativ. So schreibt beispielsweise ein User namens Energie: «Wir haben per Trigami die Kampagne auch bekommen, und waren dann doch verwundert, dass man die Apps herunterladen muss, anstatt sie zu verschenken. Das sollte man bei der SZ echt überdenken, erst recht, wenn es nur 17 Euro zu verdienen gibt.» Ein gewisser Andreas kommentiert: «Das ist schon wirklich eine Nummer, die die Süddeutsche Zeitung da abliefert. Ich habe nichts gegen Werbung in Blogs, aber das sich tatsächlich manche Blogger so dermassen für ein paar Euro verbiegen, ist schon erstaunlich.»

Peter Bilz-Wohlgemuth, der nach eigenen Angaben bei suddeutsche.de für die Trigami-Kampagne zuständig war, hat in einem Kommentar unter Tisslers Artikel Stellung genommen: «Ihr Feedback und das der Blogosphäre zeigt, dass diese Form des Marketings nicht den Erwartungen an sueddeutsche.de entspricht. Daher werden wir in Zukunft von diesen Formen des Marketings Abstand nehmen. Wir haben uns daher auch entschieden, mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit Trigami zu beenden und haben die Kampagne bereits gestoppt», so Bilz-Wohlgemuth weiter.

«Wir haben in jedem Briefing mit Trigami klar gemacht, dass wir keinen Einfluss auf die redaktionelle Hoheit der Blogger nehmen wollten», stellte Bilz Wohlgemuth im Gespräch klar. Gegenüber 20 Minuten Online räumte Trigami-Chef Remo Uherek ein, dass eigentlich nur für die interne Verwendung gedachte Informationen von sueddeutsche.de wörtlich an Blogger weiter gegegeben worden seien. «Wir bedauern das zutiefst und werden unsere Qualitätskontrolle verbessern», kündigte Uherek an. Bereits beauftragte Blogger hätten die Wahl, ob sie noch etwas über die iPhone-App von süddeutsche.de schreiben, bezahlt würden sie in jedem Fall. Gemäss offiziellem Firmen-Blog sollen alle 25 für die Kampagne bestätigen Blogger ihr volles Honorar plus eine Spesen-Entschädigung in Höhe von 1,59 Euro (2,35 Franken) erhalten. Laut Uherek seien die in den Nutzerkommentaren unter dem Artikel auf upload-magazin.de erwähnten 17 Euro (25 Franken) allenfalls als Untergrenze zu bewerten: «Wir arbeiten mit professionellen Bloggern zusammen, die bis zu 500 Franken für einen Beitrag von uns erhalten können.»

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