Schweizer Microsoft-Chefin«Ein Microsoft-Phone? Kein Kommentar!»
Hat Microsoft den Anschluss an Apple verpasst? Warum ist Windows 8 so radikal anders? Wie tickt Steve Ballmer? Die Schweizer Microsoft-Chefin Petra Jenner sucht Antworten.

Petra Jenner, Chefin von Microsoft Schweiz: «Mit Windows 8 haben die User auf PCs, Tablets und Smartphones eine durchgängige Benutzeroberfläche.»
Der Startbutton ist Geschichte. Am Freitag kommt 17 Jahre nach Windows 95 ein völlig neues Windows in die Läden. Statt des bekannten Desktops und Startmenüs warten Kacheln auf die Nutzer. Die sogenannten Live-Kacheln starten Apps und zeigen Informationen wie neue E-Mails, Facebook-Nachrichten oder das aktuelle Wetter an. Das neue Design ist schlicht und elegant - Millionen von Windows-Nutzern werden umlernen müssen.
Frau Jenner, Windows 8 sieht radikal anders aus. Werden sich langjährige Windows-User nicht ärgern, wenn sie alles neu lernen müssen?
Petra Jenner: Warum sollen die sich ärgern? Das Schöne ist ja, dass man die alte Desktop-Oberfläche weiter nutzen kann. Insbesondere für den privaten Bereich gibt es zusätzlich die neue Kachel-Oberfläche mit den Apps.
Warum wurde die Benutzeroberfläche komplett überarbeitet?
Mit Windows 8 haben Sie die gleiche Benutzeroberfläche für sämtliche Geräte, d. h. PCs, Tablets und Phones und können Privates und Geschäftliches mit einem Gerät erledigen. Bis dato nutzen viele ihre Tablet nur, um beispielsweise Online-News zu lesen, für die Arbeit brauchen sie aber weiterhin einen PC.
Soll das Tablet mit Windows 8 zum Arbeitsgerät werden?
Ich sehe heute viele, die nebst dem Smartphone ein Laptop und Tablet mit sich herumschleppen. Mit Windows 8 wird man nebst dem Smartphone nur ein Gerät brauchen, ob dies nun ein Tablet, Laptop oder eine ganz neue Art von Geräten ist.
Firmenkunden werden kaum das Risiko eingehen, mit Windows 8 ein neuartiges und unbekanntes System einzuführen.
Aus meinen Gesprächen mit Schweizer Firmen weiss ich, dass sich viele auf Windows 8 freuen. Mehrere Betriebssysteme bedeuten für die IT-Abteilungen zusätzlichen Aufwand. Mit Windows 8 haben die Mitarbeiter auf dem PC, Tablet und Smartphone eine sehr ähnliche Benutzeroberfläche. Kommt hinzu, dass alle Programme, die mit Windows 7 laufen, mit Windows 8 kompatibel sind. Somit ist in Grossunternehmen eine schrittweise Umstellung möglich.
Viele Experten beschreiben Windows 8 als gutes Betriebssystem für Tablets mit Touchscreen, zweifeln aber an der Eignung für den PC.
Ich habe Windows 8 auf meinem alten Laptop ohne Touchdisplay installiert und kann Ihnen versichern, dass Windows 8 auch darauf funktioniert.
Auch die neue Oberfläche mit den Kacheln?
Auch die neue Oberfläche. Windows 8 lässt sich mit Maus, Tastatur und Touchbedienung gleichermassen gut bedienen.
Bleibt das Problem, dass es das Kachel-Design schon seit zwei Jahren für Windows Phones gibt. Das Interesse der Kunden ist aber mehr als bescheiden.
95 Prozent der Windows-Phone-Nutzer sagen, sie würden sich wieder ein Windows-Phone kaufen und es auch weiterempfehlen.
Ist das eine Befragung, die Microsoft durchgeführt hat?
Ja, das war eine weltweit durchgeführte Studie.
Windows Phone wird von vielen Experten gelobt, der Marktanteil ist trotzdem verschwindend klein. Was läuft schief?
Wir sind noch am Anfang. Am Ende des Tages zählen vor allem das Design und die Haptik. Da sind wir mit Nokia und den neuen Smartphones von Samsung und HTC auf einem guten Weg.
Handys sind Lifestyle-Produkte und momentan sind Apple und Samsung angesagt. Wie wollen Sie das ändern?
Wir arbeiten auch in der Schweiz sehr gut mit Nokia zusammen und die neuen Geräte überzeugen. Ich habe selbst erlebt, wie Kunden, die eingefleischte Nutzer anderer Hersteller waren, von den neuen Windows-Smartphones angetan waren. Die sehr ähnliche Benutzeroberfläche bei Smartphones, Tablets und PCs wird künftig viele von Windows überzeugen.
Wie gross ist der Marktanteil von Windows Phone in der Schweiz?
Wie bei allen unseren Produkten darf ich hierzu keine Angaben machen.
Firmen wie Apple oder Google werden von den Konsumenten als cooler und innovativer wahrgenommen. Hat Microsoft den Anschluss verpasst?
Wir haben mit der Bewegungssteuerung Kinect für die Spielkonsole Xbox 360, dem neuen Windows 8 oder unseren umfassenden Cloud-Diensten sehr viele innovative Produkte. Nicht alles, was Microsoft entwickelt, wird von den Privatkunden wahrgenommen, von den Geschäftskunden indes sehr wohl.
Sie sind Autorennen gefahren und lieben die Geschwindigkeit. Dann muss es Sie besonders ärgern, dass die Konkurrenz oft schneller ist?
Wir hätten hie und da schneller sein können. Doch der Markt für Smartphones und Tablets fängt erst an, sich richtig zu entwickeln. Mit Windows 8 ist es zudem möglich, dass unsere Hardwarepartner eine ganz neue Produktkategorie einführen können, was für uns zum Vorteil werden kann.
Microsoft ist primär ein Softwarekonzern. Warum bauen Sie nun mit Surface ein Tablet?
Surface ist ein Bekenntnis zu Design. Die Konsumenten wollen gutes Design und deshalb führen wir Surface ein. Zum Start von Windows 8 werden aber auch unsere Partner wie Asus, HP oder Sony ihre Windows-8-Modelle vorstellen.
Wann kommt das Microsoft-Phone?
Die Gerüchte, die hierzu kursieren, sind mir bekannt. Wie immer kommentieren wir diese nicht.
Oder der Microsoft-TV?
Auch dazu kann ich nichts sagen.
Kennen Sie Microsoft-Gründer Bill Gates persönlich?
Ich habe ihn zweimal getroffen und einmal mit ihm gesprochen, persönlich kennen wäre also übertrieben.
Seit 12 Jahren steht Steve Ballmer bei Microsoft am Ruder. Wie würden Sie ihren Boss charakterisieren?
Er ist ein energetischer Mensch mit einem sehr guten Technologieverständnis. Er macht einen sehr offenen Eindruck und das muss er auch sein, sonst wären innovative Arbeitsmodelle wie Home-Office und Freiräume für die einzelnen Länderorganisationen nicht möglich.
Wie wichtig ist die Schweiz für Microsoft?
Die Schweiz ist der sechstgrösse Markt in Europa und weltweit liegen wir auf Rang 13. Es gibt hier mehrere global tätige Unternehmen, die wir weltweit betreuen.
Wie eng ist Ihr Kontakt mit der Firmenzentrale in den USA?
Ich sehe Steve Ballmer zwei, drei Mal pro Jahr. Wir arbeiten vor allem im Bereich der Produktentwicklung eng mit der Zentrale zusammen. Die Produktinnovationen werden in den USA entwickelt. Bei Microsoft Schweiz sind wir 580 Personen, die sich primär um die Beratung, Implementierung und den Verkauf kümmern. Daneben haben wir diverse lokale Forschungskooperationen, wie beispielsweise mit dem CERN, der EPFL und der ETH.
Windows 8 in 4 Minuten erklärt
Quelle: YouTube/Scott Hanselman
Microsoft erklärt Windows Phone 8
Quelle: YouTube/Microsoft
Wer ist Petra Jenner?
Petra Jenner leitet seit 2011 Microsoft Schweiz. Davor war sie Chefin der Niederlassung in Österreich. Jenner stammt vom Niederrhein und bringt über 20 Jahre Erfahrung in der IT-Branche mit. Sie war unter anderem für Unternehmen wie Check Point Software, Informix Software, Sybase und Pivotal Corporation tätig. Petra Jenner ist verheiratet und pflegt in ihrer Freizeit Hobbies wie Reisen, Tanzen, Skifahren und Yoga.
Nichts verpassen
Das Ressort Digital ist auch auf Twitter vertreten. Folgen Sie uns und entdecken Sie neben unseren Tweets die interessantesten Tech-News anderer Websites.