Das grosse Zweifeln an Windows 8

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Skepsis vor dem StartDas grosse Zweifeln an Windows 8

Das neue Windows wird die Computerindustrie retten - da ist sich Microsoft sicher. Doch bei PC-Herstellern wachsen Zweifel, ob das Betriebssystem die Nutzer von Tablets weglocken kann.

Peter Svensson
ap
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Peter Svensson
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Selbst Intel, das die Prozessoren für 80 Prozent der PCs weltweit herstellt, ist skeptisch. Der Vorstandsvorsitzende Paul Otellini erklärte, das neue Betriebssystem werde wohl keine grossen Auswirkungen auf die Umsätze haben. «Wir hatten bisher noch keine Gelegenheit einzuschätzen, wie die Konsumenten das in der PC-Welt annehmen werden», sagte Otellini in der vergangenen Woche in einer Telefonkonferenz mit Journalisten und Analysten über das neue Betriebssystem Windows 8 (siehe Infobox).

Die Marktforscher von IHS iSuppli erwarten für dieses Jahr die Auslieferung von 349 Millionen PCs. Das wären ein Prozent weniger als der Rekord vom vergangenen Jahr. Auch wenn der Rückgang gering ausfällt, so ist es doch der erste seit 2001. In den USA gehen die PC-Verkäufe bereits seit zwei Jahren zurück.

Smartphones überholen PCs

Apple gelang es unterdessen, seit der Vorstellung des ersten iPads 2010 die Verkaufszahlen jedes Jahr zu verdoppeln. Zwischen April und Juni verkaufte Apple 17 Millionen der Tablets, während Hewlett-Packard (HP), der damals weltgrösste Hersteller von PCs, 13,6 Millionen Personal Computer auslieferte.

Smartphones, die bis zur Vorstellung des iPhones 2007 noch ein Nischendasein führten, verkauften sich im vergangenen Jahr besser als PCs - und das, obwohl die PC-Verkäufe ein Rekordhoch erreichten.

Ballmer glaubt an PC-Zukunft

Der Microsoft-Vorstandsvorsitzende Steve Ballmer lässt sich nicht beirren. Der PC-Markt sei noch immer gross, sagte er im vergangenen Monat der «Seattle Times». «Und Windows 8 wird dieses Volumen noch vergrössern.»

Mit Windows 8, das Ende dieser Woche in den Verkauf kommt, reagiert der Konzern auf die populären Tablets. Das neue Windows wirft viele Konventionen der Vorgänger über Bord und präsentiert sich in einem neuen Look mit dem Ziel, die Nutzung auf Touchscreens zu vereinfachen. Die PC-Hersteller stellen gleichzeitig neue Laptops und Hybridgeräte vor, die auch als Tablets zu nutzen sind: entweder mit abnehmbaren oder mit klappbaren Bildschirmen.

Die Skepsis des Analysten

Der Citigroup-Analyst Hoe Yoo ist pessimistisch und glaubt nicht, dass das neue Betriebssystem die Wende bringt. Vielleicht werde das Programm ein «Nicht-Ereignis», das von den Käufern gar nicht beachtet werde, sagt er. Sein Kollege Brian White von Topeka Capital Markets erklärte, die taiwanischen Zulieferer verzeichneten bisher keine grösseren Vorbestellungen für Windows-8-PCs. «Die Stimmung in Bezug auf Windows 8 ist mehrheitlich negativ», sagte er nach Gesprächen mit den Zulieferern. «Wir glauben, dass die PC-Industrie auf ein gedämpftes Dezember-Quartal zusteuert.»

Microsoft plant Werbekampagne für eine Milliarde Dollar

Die Analystin Mary Jo Foley von der Grossbank UBS zeigte sich ebenfalls skeptisch. Sie verwies auf das vollständig neue Design von Windows 8. Dieses könne entweder zu einem grossen Erfolg werden, oder die Nutzer verwirren und verprellen. Zu sagen ist allerdings, dass den Nutzern für Büroarbeiten auch mit Windows 8 die bekannte Oberfläche mit dem Desktop zur Verfügung stehen wird.

Microsoft wird die Einführung des neuen Betriebssystems mit einer Werbekampagne im Umfang von einer Milliarde Dollar begleiten - der grössten in seiner Geschichte. Diese Kampagne sei von grosser Bedeutung, um die Nutzer von der neuen Steuerung zu überzeugen und das Interesse an PCs neu zu wecken, schrieb sie.

Ein Schuss in den Ofen?

«Ich mache mir grosse Sorgen, dass Microsoft sich vielleicht spektakulär in den Fuss schiesst», sagte der Vorstandsvorsitzende der Software-Firma Cera Technology, Michael Mace. Windows 8 sei so radikal anders, dass viele Windows-Nutzer, die nicht technikbegeistert seien, möglicherweise verzweifeln könnten.

Die PC-Hersteller waren mit grossen Hoffnungen in das laufende Jahr gestartet. Leichte Laptops, die sogenannten Ultrabooks, sollten die Umsatzzahlen beflügeln. Doch die Geräte sind noch immer teuer und konnten der wachsenden Beliebtheit von Smartphones und Tablets nichts anhaben.

Jetzt wollen die PC-Hersteller Windows 8 für sich nutzen, doch das wird nicht einfach, wie Patrick Moorhead von der Forschungsfirma Moor Insight erklärte. Einen PC mit einem Touchscreen auszurüsten sei teuer, während die Geräte gleichzeitig mit den deutlich günstigeren Tablets konkurrierten. Neue Features für die klassischen PCs mit Maus und Tastatur gibt es kaum.

«Als Nutzer fragt man sich: Warum soll ich dieses neue Notebook kaufen, wenn mein altes Notebook alles kann, was ich benötige? Stattdessen kaufe ich ein neues Telefon oder ein Tablet», erklärte Moorhead.

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Was ist neu bei Windows 8

Mit der Veröffentlichung des neuen Betriebssystems Windows 8 am 26. Oktober vollzieht Microsoft einen radikalen Bruch. Das Programm soll den Nutzern von Microsofts PCs, Tablets und Smartphones einen einheitlichen Bedienkomfort bieten. Dafür müssen die Nutzer allerdings viele Arbeitswege neu lernen und Microsoft riskiert, seine Kunden zu verärgern.

Windows 8 ist die grösste Überarbeitung des Microsoft-Betriebssystems seit der Einführung von Windows 95 vor 17 Jahren. Statt dem bisher bekannten «Start»-Menu und den Icons präsentiert Windows 8 die Programme als Kacheln, die auch aktuelle Informationen anzeigen können. So zeigt die Kachel «Fotos» ein Bild aus der Sammlung des Nutzers. Die «Leute»-Kachel zeigt Bilder aus den Social-Media-Kontakten des Nutzers. Die Kacheln sind gross und auf dem Touchscreen leicht mit dem Finger zu treffen. Kleine Knöpfe, wie Einstellmöglichkeiten für die Lautstärke, sind zunächst versteckt und ermöglichen so einen klaren und übersichtlichen Bildschirm.

Mit Windows 8 soll der Computer schneller hochfahren als bisher, was Nutzer in ersten Tests bestätigten. Microsoft wirbt ausserdem mit längeren Akkulaufzeiten durch das neue System. Das Upgrade von Windows 7, Vista oder XP soll gut 50 Euro kosten. (ap)

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