Microsoft schickt die Gamer zu Sony

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Blutendes GamerherzMicrosoft schickt die Gamer zu Sony

Microsoft hat die Xbox One vorgestellt – und setzt vor allem auf Familien-Unterhaltung. Die Gamer bleiben vorerst auf der Strecke, findet unser Gameredaktor.

Jan Graber
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Jan Graber
Darth Vader, Lamborghini oder 80er-Konsolen als Inspiration? Die neue Xbox One.

Darth Vader, Lamborghini oder 80er-Konsolen als Inspiration? Die neue Xbox One.

Ich erinnere mich, als mir 2001 zur Lancierung der ersten Xbox der damalige PR-Manager der Schweiz voller Inbrunst sagte: «Wir zielen auf die Hardcore-Gamer ab. Ohne die Unterstützung der Gamer hat eine Konsole keine Chance.» Das war vor zwölf Jahren und jetzt hat Microsoft die Katze zur dritten Generation aus dem Sack gelassen: die Xbox One. Da die guten Manieren aber befehlen, man solle eine Kritik mit etwas Positivem beginnen, zunächst also dies: Die Konsole wurde - im Gegensatz zur nebulösen PS4-Enthüllung - gezeigt.

Was die Gamefans von der Xbox One zu sehen kriegten, liess sie allerdings sich die Augen reiben: Zu sehen war ein klobiger, schwarz glänzender Klotz. Hat als Inspiration Darth Vader, Lamborghini oder das Design der 80er-Konsolen gedient? Der Name sorgt ebenfalls für Achselzucken: Handelt es sich um einen Witz auf Kosten der Playstation, die eine Nummer vier hintenanstellt? Allerdings ist der Name wegen des Unterhaltungskonzepts – ein Gerät für TV, Musik, Filme und Games – zumindest nachvollziehbar.

Fernsehen auf der Bildfläche

Die Ausrichtung auf Unterhaltung führte indessen zu noch mehr Fragezeichen. Im Zentrum standen nicht etwa die Games, wie man es bei der Vorstellung einer Spielkonsole erwartet, sondern der Familienspass. Eine Konsole für alles sei sie, die Xbox One. Mittels Kinectsteuerung über Stimmbefehle lässt sie sich bedienen, gezeigt wurde, wie sich ESPN, Basketballspiele, Live-TV und Filme aufrufen lassen, wobei der Befehl «Xbox go home» für einige Lacher sorgte. Demonstriert wurde der Snap Mode, der Statistiken über Sportler einblendet. Von Games weit und breit keine Spur. Sind die Spiele unter die Räder des Rundum-Entertainments geraten?

Beobachter aus dem deutschsprachigen Raum wunderten sich zusätzlich: EPSN? Basketball? Live TV? Die auf den US-Markt zugeschnittenen Dienste interessieren hier nur die Wenigsten. In Ländern, in denen Besitzer der aktuellen Konsole immer noch auf Dienste wie Netflix warten, ist sowieso fraglich, ob die Verknüpfung der Box mit der TV-Welt je zustande kommt.

Ein paar Games zur Beruhigung

Doch dann kamen sie, die Spiele: Zuvorderst «Fifa 14», «NFL» und «Madden» - Sport auf allen Kanälen. Ein bisschen schneller zu klopfen begann das Gamerherz bei der Vorstellung von «Forza 5». Das Actionspiel «Quantum Break» wurde gezeigt und das eindrückliche «Call of Duty: Ghosts». 15 exklusive Xbox-One-Games sollen im Laufe des ersten Jahres erscheinen, darunter acht neue Marken. Als das Zauberwort für Xbox-Fans schlechthin fiel - «Halo» - hielten viele die Luft an. Wurde ein nächster Teil angekündigt? Die Luft war so schnell raus, wie eine Kugel aus Masterchiefs Wumme: Angekündigt wurde – eine TV-Serie.

Sony hat gut Lachen

Was ist demnach mit dem einstigen Versprechen an die Core-Gamer geworden – denjenigen, die die Xbox gross gemacht haben? Schnöde wurden Games noch knapp am Rande erwähnt. Damit machen die Redmonder denselben Fehler, wie Nintendo bei der Einführung der Wii U – nur in umgekehrter Richtung. Während Nintendo aus heiterem Himmel plötzlich Hardcore-Gamer an Bord holen will und damit scheitert, geht Microsoft den Weg in die andere Richtung: Der US-Konzern wendet sich von Core-Gamern ab und nimmt die Familie ins Visier. Die Xbox One soll keine Spielkonsole für Zocker sein, sondern eine eierlegende Wollmilchsau. Das sendet die falschen Signale aus, so wird die Gamebranche kaum aus ihrem Dämmerschlaf gerissen.

Ins Fäustchen lacht sich jetzt Sony, denn Microsoft hat die Gamergemeinde mit einem Schlag an ihren stärksten Konkurrenten übergeben. Im Gegensatz zu den Redmondern knüpft Sony mit der PS4 die Bande zu ihrer wichtigsten Kundschaft nämlich enger - zu den Gamern.

Jan Graber…

… verschob die ersten Gamepixel mit «Space Invaders», «Leisure Suit Larry» und «King’s Quest»; mit «System Shock» und «Rebel Assault» entdeckte er sein Flair für Actiongames. Momentan zockt er «Bioshock: Infinite» und «Far Cry 3: Blood Dragon» und freut sich auf «Last of Us».

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