Wenn der Körper zum Controller wird

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KonsolenWenn der Körper zum Controller wird

Steuern mit Füssen, Händen und dem Kopf: Microsoft bläst mit Project Natal zur Attacke auf Nintendo und Sony. 20 Minuten Online hat die Körpersteuerung für Xbox 360 ausprobiert.

von
Henning Steier
München

Quelle: Microsoft

Für CEO Steve Ballmer ist es das «wohl interessanteste Produkt, welches Microsoft 2010 auf Markt bringen wird». Vorgestellt worden war Project Natal bereits im Juni 2009 auf der Spielemesse E3 in Los Angeles. Auf der Consumer Electronics Show (CES) Anfang Januar in Las Vegas gaben die Redmonder bekannt, dass die Körpersteuerung für Xbox 360 im vierten Quartal erhältlich sein soll. Den genauen Marktstart sowie Preis und Spiele wird das Unternehmen auf der diesjährigen E3 präsentieren. Auf diesem Event, welches am 13. Juni im 10 000 Zuschauer fassenden Galen Center stattfinden wird, darf nicht gefilmt werden.

Auch bei der gestrigen Medienveranstaltung in München zückten nur von Microsoft beauftragte Fotografen die Kameras, um Bilder zu machen und Videos wie das obige zu drehen. Gezeigt werden dürfen aber nur die Tester. «Das hat seinen Sinn, denn die Hardware sieht am Ende ohnehin anders aus als die hier gezeigte», sagte Boris Schneider-Johne gegenüber 20 Minuten Online. Fotos der etwa 10 x 10 x 25 Zentimeter messenden Sensorleiste sollen aber schon länger im Web kursieren.

Project Natal gemeinsam mit neuer Xbox?

Project Natal ist nur ein Arbeitstitel der Technologie, wie sie am Ende heissen wird, ist laut dem Produktmanager aber längst festgelegt worden. Gemäss Prognose des bekannten Analysten Michael Pachter von Wedbush-Morgan soll Microsoft Natal kombiniert mit einer neuen, kleineren Xbox 360 anbieten wollen. Die Redmonder haben diese Vermutung bislang nicht kommentiert.

Die gezeigte Version von Project Natal war auf dem Stand vom Februar 2010, was die folgenden Eindrücke zur Momentaufnahme werden lässt. Grundsätzlich überzeugt die controllerlose Steuerung mit intuitiver Bedienung. Denn sobald ein Spieler ins Blickfeld der Kombination aus Mikrofon, Kameras und Software gerät, taucht er auf dem Bildschirm auf. Gestartet wurde das Demo-Game «Ricochet» über virtuelle Hebel: Nutzer mussten ihren Finger in einen Kreis auf dem Display bewegen und diesen dann wiederum auf einer Schaltfläche positionieren und verschieben. Im Spiel geht es darum, Bälle zu schiessen, köpfen oder mit dem Körper abzuwehren. Trat ein Gamer aus dem Blickfeld von Project Natal, verliess er automatisch und nahezu ohne Latenz den Bildschirm.

Vorsicht, Hitlergruss

Im Test hatte Natal, dessen Name sich vom Geburtsort des brasilianischen Entwicklers Alex Kipman herleitet, keine Probleme, die bis zu drei Meter vom Fernseher entfernt agierenden Spieler zu erkennen. Grob verkürzt, werden die Stimmen über Mikrofone und Bewegungen mit einem Tiefensensor erfasst. Jeder Gamer erhält ein virtuelles 42-Punkte-Skelett. Von uns ausprobiert wurde das System in einem etwa 30 Quadratmeter grossen Raum einer Altbauwohnung. Quietschendes Parkett, vorlaufende Kollegen und Strassenlärm brachten Natal aber ebenso wenig aus dem Konzept wie wechselnde Lichtverhältnisse.

«Die Xbox 360 ist nur der Anfang», sagte Boris Schneider-Johne, «beispielsweise ist denkbar, dass man mit beiden Händen ein Stopp-Zeichen macht, so dass der DVD-Player einen Film anhält.» Hierbei kämen aber kulturelle Unterschiede ins Spiel, denn beispielsweise bedeute in Japan eine entsprechende Geste, dass man jemanden schubsen möchte, was als Beleidigung verstanden würde. Ähnliches gelte auch für auch nur entfernt an den Hitlergruss erinnernde Handbewegungen. Ob andere Firmen die Technologie bereits lizenziert haben, wollte er nicht sagen. «Natürliche Kommandos per Sprache und Gesten anstatt Fernbedienungen mit 72 Knöpfen und 67 Seiten Anleitung: Ich könnte mir vorstellen, dass Natal definiert, wie Geräte im Wohnzimmer bedient werden sollen - so wie das iPhone Massstäbe für Smartphones gesetzt hat», ergänzte der Produktmanager.

«Der Controller wird nicht sterben»

Nintendo hat mit der Wii vorgemacht, dass man dank Casual Games und einfacher Bedienung neue Zielgruppen wie Frauen und Senioren gewinnen kann. Allerdings setzt die Konsole ebenso wie Sonys Mitte März auf der Game Developers Conference (GDC) in San Francisco vorgestellte Lösung Move auf einen Controller. Dank Move werden Nutzer der PlayStation 3 (PS3) nun auch Eingaben über Bewegungen machen können. Das System nutzt dazu die für die PS3 entwickelte Eye-Kamera. Es soll überdies als Zubehör einen kleineren Controller mit analogem Steuerknüppel für den Daumen geben. Diesen kann der Spieler in die andere Hand nehmen und ihn wie den bisherigen Controller verwenden.

Die Kombination aus Kamera, Controller und Sub-Controller soll samt Spiele-Sammlung weniger als 99 US-Dollar kosten und im Herbst erhältlich sein. Preis und Verfügbarkeit für die Schweiz wurden bisher nicht bekannt. Vorteil des PlayStation Move gegenüber Nintendos Wiimote ist, dass erstgenannter auch Bewegungen im dreidimensionalen Raum erfassen kann. Die Kamera soll überdies Gesichter erkennen.

Der grosse Controller wiegt etwa 145 Gramm und kommt mit Beschleunigungs-, Lage- und Feldsensor zum Kunden. Er bietet eine Aktionstaste und die vier bekannten PS-Controller-Keys auf der Vorder- und einen analogen Abzug auf der Rückseite. Der Sub-Contoller bringt 50 Gramm weniger auf die Waage, er hat einen Analog-Stick, die Tasten X und Quadrat, ein Digital-Kreuz und auf der Rückseite zwei Abzüge. Sony kündigte auf der GDC auch an, dass bis Ende 2010 etwa 20 Spiele für PlayStation Move verfügbar sein sollen - darunter «Move Sports», «Resident Evil 5» und «SOCOM 4».

Nicht für alle Games geeignet

Vorteil von Nintendos und Sonys Angebot ist, dass sie mit allen Games funktionieren. Shooter sind mit Project Natal bislang nur schwer vorstellbar, weil erfahrenen Gamern die Eingabemöglichkeiten des Controllers fehlen. Dafür kommt Natal natürlichen Bewegungen bislang am nächsten. «Tennis oder Bowling kann man auf der Wii auch erfolgreich spielen, wenn man stocksteif stehen bleibt und nur die Wiimote bewegt. Beim Natal-Bowling wird man die ganze Bewegung inklusive Ausfallschritte machen müssen, sofern es ein solches Spiel geben wird», sagte Schneider Johne, «der Controller wird nicht sterben, denn natürlich sind Shooter oder aufwändige Sportspiele wie «Pro Evolution Soccer» schwierig für Natal umzusetzen, aber Teile daraus dürften kein Problem sein: Man stelle sich beispielsweise nahezu reales Elfmeterschiessen vor.»

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