Wenn die Stadt zur Spielwiese wird

Aktualisiert

So ein TheaterWenn die Stadt zur Spielwiese wird

Von der Neuinterpretation von «GTA» bis zum verspielten Blick auf die Finanzwelt: Theaterakteure entdecken Games als Spielraum. Ein Festival entführt in die schrägen Welten.

von
Jan Graber

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie es wäre, wenn die Räume, durch die Sie sich bewegen, ein riesiges Spielfeld wären? Wenn die Strassen einer Stadt, durch die Sie flanieren, die Gebäude und die Parks nichts anderes als Elemente eines grossen, gemeinsamen Games wären? Denn für die Realität gilt dasselbe, wie für Spiele: Lebensräume bestehen, wie die Level eines Games, aus Wegen, Regeln und Grenzen.

Wo sich Grenzen auflösen

Was also passiert, wenn Stadt- und Lebensräume tatsächlich zu Gameleveln umgestaltet werden? Wenn die Wahrzeichen einer Stadt zum Beispiel plötzlich eine andere Bedeutung erhalten, einfach, weil eine Stimme im Kopfhörer einem Gebäude eine neue Bestimmung zuschreibt? Der Themenschwerpunkt PLAY des Theaters Gessnerallee in Zürich widmet sich dieser Auflösung von Grenzen: Gezeigt werden vier Theateraufführungen, in denen Spielmechaniken mit denjenigen des Theaters verschmelzen. Das Symposium «rePLAYCE:theCITY», das in diesem Rahmen stattfindet, will das Zusammenspiel von theoretischer Seite beleuchten.

Theater und Games unter einen Hut zu bringen, liegt näher, als zunächst vermutet. Theater wie auch Games erschaffen künstliche Räume, in denen nach bestimmten Regeln ein Stück abläuft. Für Zuschauer und Spieler werden Illusionen geschaffen, in die sie eintauchen. Der Witz besteht bei der Vermischung aus Theater und Games, dass die künstlichen Gamefiguren plötzlich zu Akteuren im Theater und umgekehrt die Schauspieler zu Spielfiguren werden, die von den Zuschauern kontrolliert werden.

«Kindlich destruktives Verhalten»

So zum Bespiel im Stück «Hedge Knights» von machina eX, die in der Gessnerallee bereits «Happy Hour» gezeigt hatten: Im Stück um einen aufstrebenden Investor mit Plänen fürs grosse Geld, entscheiden die Zuschauer während des Stücks für den Investor, etwa, ob er sich ein Auto kauft oder heiratet. Je nachdem, entwickelt sich das Leben des Investors anders fort – im Finanzdesaster endet das Drama alleweil.

Im an der Gessnerallee bereits schon einmal aufgeführten Stück «Yet Another World» von Extraleben steuern die Zuschauer hingegen Figuren durch die Spielwelt von «GTA IV» und nehmen an einer Stadtrundreise teil. Das Experiment kann auch schief gehen – nämlich dann, wenn die Zuschauer aus der Rolle fallen und ihre Spielfigur dazu benutzen, das Stück zu sabotieren. «Zuschauer entwickeln im Zusammenhang mit Games bisweilen ein kindlich destruktives Verhalten», weiss Kathrin Veser, Initiantin von PLAY und Dramaturgin an der Gessnerallee. Es würden bisweilen auch Disziplinierungsmassnahmen wie im Kindergarten getestet. «Dass es schiefgehen kann, macht den besonderen Kitzel aus», sagt Veser.

Mit der App im städtische Spielraum

Von experimenteller Natur ist auch «Der Polder – das Game» von 400asa, in dem Spieler in den Kreisen 4 und 5 der Stadt Zürich dem Verschwinden einer Figur auf die Schliche kommen sollen. Um die Zuschauer durch die städtische Spielwelt zu leiten, kommt eine App zum Einsatz. Ebenfalls auf eine Stadtreise gehen die Teilnehmer von «Wir würden hier sein» von Invisible Playground. Auch hier wird die Stadt in ein riesiges Spielfeld verwandelt, auf dem Alternativwelten mit echten und künstlichen Figuren geschaffen werden.

«Zeitgenössisches Theater interessiert sich sehr für die Neudefinition von Räumen», sagt Kathrin Veser. Das kann den Zuschauerraum und die Beteiligung der Zuschauer ebenso betreffen, wie, das Theater hinaus ins Umfeld zu tragen und die Räume auf spielerische Weise in Beschlag zu nehmen. «Es geht auch darum, mit Imagination gesellschaftliche Modelle zu erforschen», sagt Veser. Dass sich Games mit ihren künstlichen Räumen und Regelwerken besonders dazu eignen, liegt eigentlich auf der Hand.

Play eröffnet am 24. Oktober mit «Der Polder». Ab dem 7. November wird «Yet Another World» aufgeführt, am 8. November startet «Hedge Knights» und ab dem 9. November «Wir würden hier sein». Das Symposium «rePLAYCE:theCITY» findet vom 7. bis 9. November statt.

www.gessnerallee.ch

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