Blut, Krieg und Gewalt – aber bitte kein Sex!

Aktualisiert

Games für ErwachseneBlut, Krieg und Gewalt – aber bitte kein Sex!

Valve schmeisst das Erotik-Game «Seduce Me» aus seinem Download-Shop für PC-Games. Warum ist ausgerechnet die Spielebranche päpstlicher als der Papst? Ein Plädoyer.

von
Jan Graber

Die Geschichte ist schnell erzählt: Steam, der wichtigste Downloaddienst für PC-Games, schaltet die Plattform Greenlight auf, um Indie-Entwicklern eine Möglichkeit zu geben, ihre Games vorzustellen. Fans bewerten die Spiele und aufgrund des Feedbacks entscheidet Steam-Besitzer Valve, welche Spiele in den Verkauf kommen. Eine gute Sache.

Das dachte sich auch das niederländische Indie-Entwicklerstudio No Reply Games und veröffentlicht am 5. August das erotische «Seduce Me». Im Game können Spieler mit attraktiven Damen ein Gespräch anzetteln, Minispiele spielen und sich auf explizite sexuelle Abenteuer einlassen. Die Figuren und Szenerien sind handgezeichnet, das Spiel ist von hoher Qualität.

Coitus interruptus

Knapp eine Stunde nach Veröffentlichung auf Greenlight endet die Suche nach dem Game im binären Nichts: Valve hat das Game von der Plattform entfernt, die Entwickler erhalten ein E-Mail mit der Begründung, das Game verletze die Geschäftsbedingungen. Diese besagen, dass ein Game weder Pornografie noch anstössige Inhalte oder einen geklauten Code enthalten darf.

In der knappen Stunde, in der das Game auf Greenlight ist, gehen die Wogen hoch; noch höher schwappen sie nach der Entfernung des Spiels. Während ein Teil der Community das Game ins Pfefferland wünscht, kritisiert ein ebenso grosser Teil den heuchlerischen Aspekt: Zwar dürften Games wie «Call of Duty: Modern Warfare 2» mit expliziten Gewaltszenen auf Steam verkauft werden, Liebe und Erotik jedoch gehören verbannt.

Die Macht der Anbieter

Über die Rechtmässigkeit der Aktion von Valve besteht kein Zweifel: Ein Unternehmen darf über Inhalte, die es auf seiner Plattform anbieten will, selbst entscheiden. Fragwürdig ist die Praxis dennoch: Während Krieg, Tod und Zerstörung keinen Moment in Frage gestellt werden, sorgt nackte Haut für einen instinktiven Abwehrreflex - nicht nur bei den Plattformbetreibern, sondern auch einem grossen Teil der Gamer.

Da Valve mit Steam eine beinahe unangefochtene Position im Angebot der PC-Download-Spiele einnimmt, hat der Anbieter eine enorme Macht darüber, welche Spiele wann, wie und wo veröffentlicht werden – vergleichbar mit Apples Position mit dem App Store. Die amerikanischen Firmen Valve und Apple entscheiden damit auch über die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit Games. Wenn kontroverse Inhalte wie Sex kategorisch ausgeschlossen werden, Krieg und Gewalt jedoch nicht in Frage gestellt werden, welches Bild vermitteln wir damit der Generation, die mit dieser Gewichtung aufwächst?

Den Abwehrreflex abwehren

Auch aus einem anderen Grund (und eigenem Interesse) sollten Anbieter wie Valve ihre Praxis überdenken: Mittlerweile ist ein Grossteil der Gamer 30 Jahre alt und älter. Es handelt sich um erwachsene Menschen, die selber wissen, wann sie sich welchen Inhalt zumuten möchten. Mehr und mehr werden Games für Erwachsene zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor in der Spielbranche. Wenn diese jedoch am pubertären Sex-Abwehrreflex festhält, werden Games ihren Ruf als Kinderkram nie los.

Es ist höchste Zeit, dass die Game-Community das Pickelalter hinter sich lässt und selbst erwachsen wird – zu Gunsten der Vielfalt und des natürlichen Umgangs mit Inhalten, die auch mal verstören. Oder anders formuliert: Statt nur orgiastisch mit virtuellem Blei zu spritzen, sollten Gamer beim Spiel mit dem virtuellen Orgasmus den Schwanz nicht gleich einziehen.

Gametrailer «Seduce Me»

Die Reaktion des «Seduce Me»-Entwicklers lesen Sie in der Infobox.

Die Stimme der Entwickler

«Die Japaner haben ein eigenes Genre für erotische Spiele, die Hantai-Games. In Europa gibt es solche Spiele nicht. Die Suche nach erotischen Spielen führt in Europa meist nur zum Ergebnis billiger Flash-Games», sagt «Seduce Me»-Entwicklerin Miriam Bellard gegenüber 20 Minuten online. «Wir wollten dies ändern.» Bellard will Steam das Recht, das Game «Seduce Me» von der Plattform zu nehmen, auch nicht absprechen, findet die Entscheidung aber heuchlerisch. «Indem Steam das Game von der offenen Plattform Greenlight entfernt hat, wird die Diskussion über das Spiel verhindert», sagt sie. Damit könnten auch die Stimmen der Community nicht wahrgenommen werden. Weil es sich bei Greenlight um eine offene Plattform handelt, sollten legale Inhalte nicht daraus verbannt werden.

Deine Meinung zählt