Das Duo, das die Welt in die Luft sprengt

Aktualisiert

Zürcher Game-EntwicklerDas Duo, das die Welt in die Luft sprengt

Mit «First Strike» hat das Zürcher Studio Blindflug eine der erfolgreichsten Schweizer Game-Apps geschaffen. 20 Minuten traf die beiden Köpfe hinter der Game-Schmiede.

Jan Graber
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Jan Graber
Dynamisches Duo: Jeremy Spillmann (links) und Moritz Zumbühl teilen sich die Geschäftsführung des neu gegründeten Studios Blindflug als Teil der Agentur Feinheit.
Aus der Feinheit-Schmiede stammte bereits das iOS-Game «Pingwin». Damit schaffte Feinheit einen ersten Achtungserfolg.
Komplexer: An der Entwicklung von «Meet the Street» biss sich Feinheit die Zähne aus, bis der Spieldesigner Jeremy Spillmann dazustiess.
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Dynamisches Duo: Jeremy Spillmann (links) und Moritz Zumbühl teilen sich die Geschäftsführung des neu gegründeten Studios Blindflug als Teil der Agentur Feinheit.

Jan Graber

Es ist ein ungleiches Duo, das sich den Interviewfragen stellt: Jeremy Spillmann blickt den Journalisten offen an und überlegt. Moritz Zumbühl blickt derweil zum x-ten Mal auf sein Handy – es ist unklar, ob er Mails liest oder eine Info sucht. Der 31-Jährige Zumbühl wirkt zappelig auf seinem Stuhl. Der 32-Jährige Spillmann ist die Ruhe in Person – und antwortet auf die Frage, wie es zur Zusammenarbeit kam: «Als Erstes spielte ich Feuerwehrmann bei Feinheit.»

Um das zu verstehen, braucht es einen Rückblick: Jeremy Spillmann macht eine Lehre als Chemielaborant, kann mit dem Beruf aber nichts anfangen. Er absolviert die technische Berufsmittelschule, beginnt ein Diplomstudium als Informatiker, fliegt hochkant raus, jobbt an der Migroskasse, verkauft bei PC-Joy Games und überlegt sich, was er mit seinem Leben anfangen soll. Er hört von einem Gamestudium an der Zürcher Hochschule der Künste (ZhdK), steigt ein, arbeitet danach an der ETH mit Serious Games sowie beim Schweizer Studio Bitforge und entschliesst sich dann zu einem Master-Studium, ebenfalls an der ZHdK.

Die Nerdgarage

Auch Moritz Zümbuhl fliegt von der Schule, wird aus dem Gymnasium geschmissen, macht eine Lehre als Applikationsentwickler, würde aber ebenso gerne Geschichte studieren. Er spielt «Civilization» und Zweiter-Weltkrieg-Spiele bis zum Abwinken und organisiert LAN-Partys. Ihn fasziniert, was man durch Games lernen kann und was sie bewirken. «Leute haben wegen mit einem Städtebaustudium begonnen», sagt er. Mit Games könne man Dinge vermitteln, die mit anderen Medien nicht möglich seien. Er sagt: «Ich wollte immer schon selbst Spiele machen.»

Zunächst aber gründet er mit Partnern die Agentur Feinheit, die sich gemäss einem «Tages-Anzeiger»-Artikel selbst als «Nerdgarage mit Kampagnenabteilung» bezeichnet und vor allem Aktionen im NGO- und im sozialen Bereich gestaltet. Nach ein paar Jahren werden Games ein fester Bestandteil der Agentur; mit dem Spiel «Pingwin» sorgt Feinheit erstmals für Aufmerksamkeit. Doch dann folgen schwierigere Projekte: «Meet the Street», das die Aufmerksamkeit im Verkehr thematisiert und «Born to Run», ein Spiel über Doping. Zumbühl und sein Team sind mit der Umsetzung überfordert.

Just zu diesem Zeitpunkt kreuzen sich die Wege von Jeremy Spillmann und Feinheit. Ein Mitarbeiter von Feinheit sieht Spillmanns Zeichnungen in seinem Atelier, es kommt zum Gespräch, und zum eingangs erwähnten Feuerwehreinsatz. Es ist September 2012, für Moritz Zumbühl steht bereits fest, dass ein eigenes Gamestudio gegründet werden soll – und mit Jeremy Spillmann ist der richtige Mann da, um den gemeinsamen Traum zu erfüllen.

«First Strike» hebt ab

«Wir ergänzen uns ideal», sagt Spillmann. Beide interessieren sich für Comics, für Zumbühl sind aber stets auch die Politik und soziales Engagement mit im Spiel. Spillmann hingegen faszinieren fiktive, grosse Welten, die aus unterschiedlichen Winkeln erfahrbar sind. Doch auch er interessiert sich für reale Probleme wie beispielsweise das mittlerweile fast vergessene nukleare Potenzial grosser Nationen.

Aus diesem Zusammenspiel entsteht als Erstes das Blindflug-Projekt «First Strike», ein Game, das den Atomkrieg thematisiert. Offiziell wird das Gamestudio Blindflug zwar erst im April 2014 abheben – mit Spillmann und Zumbühl als Co-Geschäftsführern. «First Strike» wird im März 2014 aber bereits unter diesem Label veröffentlicht. Und es wird zu einer der erfolgreichsten Gameapps der Schweizer Geschichte: Das Spiel erreicht Platz 1 in der Schweiz, Platz 3 in Deutschland und schafft es selbst in den USA auf den 13. Platz. Rund um die Welt hat sich «First Strike» mittlerweile rund 25'000 Mal verkauft – notabene bei einem Preis von 4 Franken pro Spiel.

Mit Games Gutes tun

Nicht alles Geld fliesst aber zurück zu den Machern. Zum Grundprinzip von Blindflug gehören nämlich nicht nur Spiele mit politischem und sozialem Hintergrund (Zumbühl: «Sie müssen dennoch Spass machen!»), sondern auch, dass ein Teil des Ertrags an wohltätige Organisationen geht. Im Fall von «First Strike» wird ein Viertel des Nettoertrags an die International Campaign to Abolish Nuclear Weapons sowie an Greencross gespendet.

Bereits im Sommer will Blindflug mit der Entwicklung des nächsten Spiels beginnen. Ziel sei es, pro Jahr ein bis zwei Games zu veröffentlichen. «Um sich einen Namen aufzubauen braucht vier bis fünf Spiele», weiss Spillmann, schaut den Journalisten wieder direkt in die Augen, während Zumbühl bereits wieder auf dem Handy rumtippt. Kurz schaut er aber auf und sagt: «Wir wollen beweisen, dass man mit Games etwas bewegen kann.»

Gametrailer zu «First Strike»

(Quelle: Youtube)

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