Spiele-BrancheDas hat die Game-Welt 2011 bewegt
Gehackte Game-Netzwerke, Datenschnüffeleien und massenhaft Fortsetzungen altbekannter Games: Die Spielindustrie hat ihre Unschuld definitiv verloren.

Durchschlagender Erfolg: Kein Spiel hat sich zuvor so schnell verkauft wie «Call of Duty: Modern Warfare 3». Quelle: pd
Im ausklingenden Jahr feierten gleich mehrere Gamehelden ihre Jubiläen. Donkey Kong und Frogger wurden 30 Jahre alt, Link - der Held aus «The Legend of Zelda» - schwingt sein Schwert seit einem Vierteljahrhundert und Segas Maskottchen - der blaue Igel Sonic - hat 20 Jahre auf dem Buckel. Die Helden sind den Kinderschuhen entwachsen und mit ihnen die Gamebranche.
Pleite trotz 2 Millionen verkaufter Spiele
Weit entfernt von Garagenentwicklern und experimentierfreudigen Technlogiefreaks ist die Gameindustrie zum Big Business geworden. Alleine der Egoshooter «Call of Duty: Modern Warfare 3» verkaufte sich in wenigen Tagen über zehn Millionen Mal und spülte somit mehr Geld in die Kassen als Avatar, der erfolgreichste Film aller Zeiten.
Mit dem Erfolg wird die Branche aber auch anfällig auf die fiebrigen Schüttelfröste der Wirtschaft. Mehrere renommierte Gamestudios mussten heuer trotz erfolgreichen neuen Spielen die Türen für immer schliessen: Etwa Team Bondi, das mit «L.A. Noire» eines der meistbeachteten Spiele des Jahres geschaffen hatte, musste nach «nur» zwei Millionen verkaufter Exemplare dichtmachen. MTV Games wurde der Hahn abgedreht, nachdem das Musikspiel «Rock Band 3» nicht den gewünschten Erfolg brachte. Auch bei Kaos Studios, den Entwicklern des Egoshooters «Homefront», hiess es dieses Jahr Game Over.
Die Kunst der Wiederholung
Da die Blockbuster der Gameindustrie in der Herstellung mittlerweile zweistellige Millionenbeträge verschlingen, setzten die grossen Publisher 2011 vermehrt auf altbekanntes Futter. Games wie «Fifa» und «Forza Motorsport» erlebten die x-te Auflage, grafisch aufpoliert und spieltechnisch näher an der Realität – aber ohne Innovation. Der Egoshooter «Call of Duty» kam in der mittlerweile siebten Ausführung auf den Markt. Von Rivale «Battlefield» erschien die zehnte Auflage und der blaue Igel Sonic rennt und hüpft in «Sonic Generations» bereits zum dreissigsten Mal um sein Leben.
Trotz viel Wiedergekautem: Diese sogenannten Triple-A-Titel erreichten 2011 eine neue Stufe der Qualität – optisch ebenso wie erzählerisch. «Uncharted 3» rückte noch näher an die Erzählstrukturen eines Films heran, «Battlefield 3» zeigte Krieg in einer zuvor so noch nie gesehenen Detailliertheit. Und mit «Skyrim» erschien eines der bisher schönsten Rollenspiele. Der bisherige Platzhirsch unter den Online-Rollenspielen, «World of Warcraft», musste hingegen einstecken und verlor 2011 rund eine Million Abonnenten.
Apple und Google versus Nintendo und Sony
Dagegen prosperierten andere Player auf dem Markt und untergruben die alten Strukturen des Mobile-Gamings: iPhone, iPad und die Android-Geräte sind 2011 durchgestartet und haben sich zu veritablen Spielmaschinen entwickelt. Das neue Spielfeld hat sich als frurchtbarer Boden für neuartige und erfindungsreiche Games entpuppt – nicht zuletzt für Schweizer Entwickler.
iPhone & Co. machen den klassischen mobilen Spielgeräten wie PSP und Nintendo DS das Leben zunehmend schwer. Obwohl seit der Lancierung von Nintendos 3DS mehrere Millionen Stück verkauft wurden, galt die Lancierung als Flop. Ob die kürzlich in Japan erschienene Playstation Vita das Blatt zu wenden vermag, darf ebenfalls bezweifelt werden.
Ganz reale Bedrohungen
Das reale Leben brach 2011 aber noch anders ins einst heile Kinderzimmer ein: Das Thoku-Erdbeben am 11. März in Japan zwang viele japanische Game-Publisher, ihre Lancierungen zu verschieben. Betroffen war auch Sony: Da das Rennspiel «Motorstorm: Apocalypse» Erdbebenszenen enthielt, kam das zuvor mit viel Marketingpower gehypte Game in Europa sang- und klanglos auf den Markt – und ging ebenso unter. In Japan erschien es gar nicht.
Der nächste GAU für Sony liess nicht lange auf sich warten: Mitte April wurde das Playstation Network so tiefgreifend gehackt, dass es eineinhalb Monate offline blieb. Aber auch andere Game-Netzwerke gerieten 2011 ins Visier von Hackern und Verbrechern: Neben Angriffen auf Xbox Live wurden auch Kundendaten der Online-Gamedienste Steam und Origin gestohlen.
Datenschutz gefährdet
Apropos Kundendaten: Ein schiefes Licht auf den Datenschutz warf im Herbst die Praxis von Electronic Arts in Zusammenhang mit dem Onlinedienst Origin. EA verlangte mit der Lancierung des Blockbuster-Titels «Battlefield 3», dass Spieler der Übertragung von Nutzerdaten an den Publisher zustimmen - andernfalls lässt sich das Game nicht spielen. Eine fragwürdige Praxis, die auch mit «Star Wars: The Old Republic» weitergeführt wurde.
Kurzum: Die Gamewelt hat 2011 ihre Unschuld verloren. In der Branche geht es vermehrt ums grosse Geld – Innovationen bleiben oft auf der Strecke. Die Spielindustrie ist erwachsen geworden – und der Pioniergeist faltig, zahnlos und alt.
Jan Graber
verschob die ersten Gamepixel mit «Space Invaders», «Leisure Suit Larry» sowie «Kings Quest» und entdeckte mit «System Shock» und «Rebel Assault» sein Flair für Actiongames. Heute gibt er sich am liebsten mit Krachern wie «Crysis», intelligentem Futter im Stil von «Fahrenheit und Gummischreddern à la «Forza Motorsport» ab. Derzeit vergnügt er sich mit «Battlefield 3» und «Skyrim».