Insert CoinsDie Promillegrenze für Videospieler
Kann man betrunken besser gamen? Unser Redaktor hat es ausprobiert und sich phasenweise wie José Mourinho gefühlt. Und das bedeutet nichts Gutes.

Alkohol und Videogames: Ein zweischneidiges Schwert. (Bild: 20 Minuten Online)
Taucht auf dieser Welt eine Nonsens-Theorie auf, stecken mit grosser Wahrscheinlichkeit englische Wissenschaftler dahinter. So haben die Briten herausgefunden, dass das Betrachten leicht bekleideter Frauen bei Männern das Hirn wachsen lässt und dass Fluchen am Arbeitsplatz motivierend wirkt. Ich habe die Thesen überprüft und leide jetzt unter Migräne und einem eigenen Ressort bei 20 Minuten Online. Aber darum soll es hier nicht gehen.
Mein Freund Paul ist Engländer. Zwar ist er nicht Wissenschaftler, er hat aber immerhin einen Doktortitel - und eine sehr britisch-brillante Theorie: Er glaubt nämlich, dass die individuellen Qualitäten als Videospieler parallel zum Bierkonsum langsam steigen - ab einer gewissen Promillegrenze (bei ihm sind es 1,5 Liter) aber dramatisch abstürzen. Wer könnte einem Test dieser These widerstehen?
Die Biervariante war mir etwas zu stillos und deshalb leerte ich kürzlich eine Flasche Bordeaux und warf die PS3 an – den Digestif in Griffnähe. Übrigens: Wein lässt das Hirn schneller schrumpfen als Bier, das fanden deutsche Wissenschaftler heraus. Konsequenterweise müssten deshalb Bordeaux-Etiketten Pin-ups … egal – aber es wäre sicherlich auch im Sinn der Franzosen.
Ich spiele selten angetrunken – und wenn, dann keine hektischen Games. Spielerische Qualitäten lassen sich allerdings nur mit solchen testen. Und ich war überrascht, wie ich mit einem doch schon ordentlichen Pegel loslegte.
Alles im Reinen nach einer Flasche Wein
Während der Installation von «Dantes Inferno» nickte ich zwar kurz weg, doch als die Action losging, räumte ich die Abgesandten des Bösen schneller weg als die «Weltwoche» Spitzenbeamte – mit dem Unterschied, dass meine Argumente hieb- und stichfest waren.
Ähnlich erging es mir mit «Pro Evolution Soccer 2008». Zuerst verirrte ich mich hoffnungslos im Menü und vertat mich bei der Mannschaftswahl (Deutschland), auf dem Platz behielt ich aber die Übersicht. Dank fünf Toren von Pomatzki brachte ich den Sieg noch vor dem Pausen-Schoppen ins Trockene. Pomatzki – wie lustig ist das denn? Mit vollem Kanal sowieso. Man kann sich offensichtlich auch die Mängel eines Spiels schönsaufen.
Schönreden will ich hier aber nichts. Mein Erfolg gründete letztendlich darin, dass ich mich in «Dantes Inferno» darauf beschränkte, die gegnerischen Angriffsschemata zu lernen und alles andere ausblendete: Von der herrlichen Grafik bekam ich wenig mit.
Auch Pomatzkis Tore fielen alle nach ein- und demselben Angriffsmuster: Um auf der Höhe zu sein, verzichtete ich auf Variation und Kreativität – und damit auch auf einen Grossteil des Spielspasses. Ich kam mir vor wie José Mourinho: Ich tat zwar, was ich liebe und ich war erfolgreich - aber auf eine Art und Weise, dass ich ständig hätte kotzen können.
Alone in the dark
Der prognostizierte Einbruch kam nach zwei weiteren Drinks und dem Shooter «Killzone». Das Spiel war zu schnell, die Gegner zu gut und ich zu blau, um selbst den Himmel zu treffen. Mein hochfrequentes Ableben liess mich aber überraschend kalt. Auch als ich später im Rennspiel «Burnout Paradise» so unfreiwillig wie konsequent den Gegenverkehr ignorierte und kaum eine Prüfung bestand, rebellierte mein Gamer-Stolz nicht. Je besoffener ich wurde, desto emotionsloser – nüchterner – bearbeitete ich den Controller.
Wer aber spielt wie José Mourinho und gleichzeitig den Kampfgeist eines Pandas an den Tag legt, dem bleibt nicht viel. Überhaupt: Es ist Samstagabend, ich liege betrunken alleine im Bett und spiele Videospiele - eher ein Grund, sich wie eine Romanfigur von Charles Bukowski zu fühlen.
Pauls Theorie kann ich derweil in allen Facetten bestätigen. Mit Alkohol lässt sich die eigene Game-Performance nur bis zu einem gewissen Grad tunen. Wie beim Auto darf man sich dabei nicht übertun, sonst funktioniert am Ende nur noch Selbstmitleid. Dass der Spielspass dabei leidet, ist eine nicht zu unterschätzende Nebenwirkung.
Ich schloss den Abend mit dem Rollenspiel «Skyrim», einem Game, das der Tom-Waits-Stimmung mehr gerecht wird als ein Actionspektakel. Ich weiss nicht mehr, ob ich etwas zustande brachte - geblieben sind mir zwei Fragen, die mich bis heute beschäftigen: Trinken Abstinenzler in Rollenspielen Alkohol? Und: Verzichten vegetarische Gamer auch virtuell auf Fleisch? Und wenn ja, weshalb?
Welche Erfahrungen haben Sie mit Alkohol beim Gamen gemacht? Oder können Sie die Schlussfrage beantworten? Diskutieren Sie im Talkback mit und nehmen Sie am Poll teil.
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