Die heutigen Gamer sind Weicheier

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Softie-GamesDie heutigen Gamer sind Weicheier

Games sind im Laufe der Zeit immer leichter geworden. «Wer sich heute Hardcore-Gamer nennt, ist im Vergleich zu Zockern der alten Schule ein Warmduscher», behauptet unser Game-Redaktor.

von
Jan Graber

Ich verrate Ihnen wieder mal ein kleines Geheimnis: Rund zehn Gamepads haben in meiner Laufbahn als Gamejournalist das Zeitliche gesegnet. Nicht etwa aus Altersschwäche, sondern auf Grund der puren Zerstörungswut. Der Grund: Bossgegner, die sich nicht bezwingen liessen, Level, deren Ausgang nicht zu finden war, Speicherpunkte, die viel zu weit zurücklagen oder Autorennen, bei denen mir die Gegner im letzten Moment den Sieg vor der Nase wegschnappten. Kurz: Spielmomente, die mir den Spass gewaltig verdarben (siehe Bildstrecke).

Früher waren Games noch richtig hart

Praktisch jeder regelmässige Spieler kann von solchen Erlebnissen ein Lied singen – und gerät selbst noch Jahre später in Wallung, wenn er an die Momente der Verzweiflung denkt. Die Spiel-Entwickler pfiffen indessen auf die Befindlichkeiten ihres Publikums und programmierten frischfröhlich die härtesten Knacknüsse.

Solches ist heute rar geworden. Moderne Entwicklungsstudios wissen um den Massenmarkt, weshalb aktuelle Videospiele viel leichter zu meistern sind. Dies unterstreicht auch eine kürzlich von der Cornell Universität veröffentlichte Studie. In sogenannten «Tools assisted speed runs» wurde mit Hilfe von Emulatoren die Spielgeschwindigkeit so weit reduziert, dass ein Game Bild um Bild gespielt werden konnte. Dabei wurde untersucht, wie leicht sich Lösungen in frühen Nintendo-Spielen wie «Legend of Zelda» und «Super Mario Bros.» finden liessen. Das Resultat: Die Games enthielten Rätsel, für deren Lösung enorm viel Zeit drauf gehen konnte.

Automatisch leichteres Spiel

Heutige Games machen es den Spielern um einiges leichter. Die Endgegner gehen oft schon nach wenigen Schlägen in die Knie oder wenn sich ein Rätsel nicht gleich lösen lässt, bietet das Game umgehend Tipps. Oder die Speicherpunkte sind so gesetzt, dass nicht ein mehrminütiger Level von Beginn durchgespielt werden muss, um am Ende vom Bossgegner auf die Rübe zu kriegen.

Findige Entwickler haben zudem eine Methode entdeckt, sowohl Hardcore-Zocker wie auch Neulinge zu befriedigen: sich selbst anpassende Schwierigkeitsgrade. Scheitert ein Spieler mehrmals an einem Gegner oder einem Level, reduziert das Game selbstständig den Schwierigkeitsgrad.

Keine Zeit für Spiele

Die Gründe für den leichteren Zugang sind in den Spielenden selbst zu suchen. Während sich einst vorwiegend jugendliche Spieler mit schnellen Reflexen, unendlicher Geduld und viel Zeit zur Hand mit Games beschäftigen, sind mit dem Erfolg von Konsolen wie der PS3, Wii und Xbox 360 Spieler dazugekommen, die nicht Stunden vor dem Bildschirm verbringen wollen. Viele Gamer gehen heute regulären Jobs nach, haben Familie und widmen sich in ihrer Freizeit nicht ausschliesslich den Games. Zusätzlich am Thron der Hardcore-Games gesägt haben die Casual-Spiele: Partyspiele, die selbst den ungeübtesten Spielern Freude bereiten.

Ganz auf Hardcore-Titel verzichten wollen die Gameentwickler dennoch nicht: Spiele wie «Demon's Souls», dessen Nachfolger «Dark Souls» oder «God of War» lassen nicht nur ungeübte Gamer am ausgestreckten Arm verhungern. Dass jedoch nun eine der am schwierigsten geltenden Gamereihen - «Ninja Gaiden» - den Bückling vor dem Massenpublikum gemacht hat und in der dritten Version viel leichter zu meistern geworden ist, lässt Ungutes erahnen: Die heutigen Hardcore-Gamer sind zu Weicheiern verkommen. Zugegeben: Ich selbst bin nicht unfroh darüber. Da sonst wohl eine Reihe weiterer Gamepads auf dem Müll landen würden.

Welches war Ihr schwierigster Gegner? Diskutieren Sie mit!

Sepiroth, Kingdom Hearts: Rund acht Minuten braucht der Spieler, um mit dem Todesengel fertig zu werden:

God of War 3: Zeus

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