Ein Amokspiel schockt die Welt

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Voller HassEin Amokspiel schockt die Welt

Im Game «Hatred» killt ein hasserfüllter Amokläufer auf bestialische Weise Zivilisten. Welche Auswirkungen hat ein solches Game auf jugendliche Spieler?

Jan Graber
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Jan Graber

Anfänglich wollten wir «Hatred» an dieser Stelle gar nicht thematisieren: Die Absicht, mit einem menschenverachtenden Spielprinzip für Publicity zu sorgen, ist allzu offensichtlich. Die Game-Technologie erlaubt es mit ihren Möglichkeiten heutzutage jedem halbwegs talentierten Entwickler, das umzusetzen, was ihn umtreibt. So auch dieses: In «Hatred» schlüpft der Spieler in die Rolle eines hasserfüllten Amokläufers, dem es um nichts anderes geht, als (virtuelle) Mitmenschen auf bestialische Weise abzuschlachten. Sinn- und zwecklos. Da das Spiel nur mit einem Trailer angekündigt ist und den offiziellen Spielmarkt wegen der expliziten Gewalt wohl kaum erreichen wird, könnte man «Hatred» ebenso gut ignorieren. Der Schwarzmarkt ist voll mit solchem Kram.

Aufgegriffen wurde «Hatred» von den Medien aus mehreren Gründen: Der Hersteller der «Unreal»-Game-Technologie, die dem Spiel zu Grunde liegt, hat verlangt, das «Unreal»-Logo aus dem Spiel zu entfernen. Dies hatte den Zynismus des Entwicklers Jarosaw Zieliski, CEO des Entwicklerstudios Destructive Creations (!), erst recht angestachelt. Gegenüber dem Magazin «Eurogamer» freute er sich wie ein Schelm über das überbordende Interesse am Spiel. Zudem werden Zieliski und einigen Entwicklern von Destructive Creations rechtsextreme Verbindungen nachgesagt. Was auch uns zum Aufgreifen des Themas geführt hat, ist die Frage, welchen Effekt ein solches Spiel auf jugendliche Spieler haben könnte. Die Antworten dazu kennt Florian Lippuner, Medienforscher an der Universität Zürich.

Florian Lippuner, wie schätzen Sie die Wirkung eines solchen Spiels auf Jugendliche ein?

Sie wird dieselbe sein, wie bei allen anderen Brutalo-Spielen, die es schon gab: Der Grossteil der Jugendlichen – und der Gamer überhaupt – wird das Spiel meiden, da es ihnen aufgrund der grafischen Brutalität und der Inhaltsleere nichts bietet. Ein Teil wird sich das Spiel besorgen, um anzugeben oder mitreden zu können.

Kann ein Spiel dieser Art Jugendliche ermutigen, ihren eigenen Gewaltvorstellungen freien Lauf zu lassen?

Hierfür muss einiges zusammenkommen. Spielen ist in solchen Fällen höchstens ein kleiner Teil des Puzzles. Man überschätzt die Macht der Spiele, wenn man Gewalttaten allein auf ihre Nutzung zurückführt.

Die Entwickler sollen Verbindungen zur rechtsextremen Szene haben. Könnte ein Game dieser Art Jugendliche verführen, sich dieser anzuschliessen, weil sie es cool finden?

Für Personen mit rechtsextremen Tendenzen gibt es andere Spiele, die solche Ideologien expliziter vermitteln. Jugendliche sind durch Spiele nicht so einfach zu verführen, sie durchschauen die Botschaften und wissen, dass man Spielinhalte nicht einfach so in die Realität übertragen kann.

Offensichtlich geht es um den Schockeffekt und die Medienaufmerksamkeit. Durchschauen Jugendliche den Trick?

Nehmen wir als Beispiel «Call of Duty: Modern Warfare 2» mit der Flughafenmission. Alle Jugendlichen, mit denen ich darüber gesprochen habe, durchschauten die Absicht der Entwickler, durch den Schockeffekt Publicity zu bekommen. Das wird im vorliegenden Fall nicht anders sein. Einige werden «Hatred» aus Neugierde trotzdem spielen. Am stärksten werden die Medien und die Politik auf den Marketing-Trick hereinfallen.

Inwiefern?

Es hat die Zementierung bestehender Vorurteile gegenüber den Gamern zur Folge und bestätigt die immer noch stark verankerte Meinung, dass Games generell gewalttätig und potenziell schädlich sind. «Hatred» ist dafür ein gefundenes Fressen.

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