Aggressionen in GamesEndgegner töten fördert das Wir-Gefühl
Kooperativ statt aggressiv: Eine neue Studie zeigt auf, dass Gamen den Gemeinschaftssinn fördern kann – zumindest innerhalb des Spiels. Wer zu aggressiv zockt, verliert hingegen meistens.

Im Angesicht der Übermacht: Sehen sich Teams aus Online-Rollenspielern einem Bossgegner gegenüber, hilft nur koordiniertes Angreifen. Die Gemeinschaft wird gefördert.
Wenn es um die Effekte geht, die Games auf die Spielenden und das reale Leben haben können, bilden sich in der Regel schnell zwei diametral gegenüberliegende Lager: Die eine Seite sieht Games und insbesondere Egoshooter als Lehrstätten für potenzielle Killer und Amokläufer, die andere Seite hebt dagegen die positiven Lerneffekte, die Schulung von Reflexen und flexiblem Denken sowie die sozialen Kompetenzen hervor, die durch Games gefördert werden.
Nicht nur gut und böse
Beide Seiten haben die gleiche Prämisse: Dass sich im Spiel Erlebtes tatsächlich auf die Realität übertragen lässt. In der Wissenschaft wird dies als «Transfer» bezeichnet. Viele Studien, welche die Effekte von Spielen untersuchen, gehen von diesen Transfers aus – und sie betrachten Gamen unter den Aspekten gut und böse.
Nicht so eine Studie der schwedischen Universität Götheborg, die im März veröffentlicht wurde: Zwar lässt auch sie die Möglichkeit eines Transfers bestehen, betont aber auch, dass man sich seit über hundert Jahren Forschung nicht darüber einig sei, wie und unter welchen Umständen ein Transfer tatsächlich stattfinde.
Wer gemeinsam spielt, siegt
Dessen ungeachtet haben sich die Wissenschafter auf etwas fokussiert, dass zwar Auswirkungen auf die reale Welt haben kann, aber nicht muss: Wie verhalten sich Spieler zueinander, wenn sie im Massive Multiplayer Online Game «The Lord of the Rings Online» während einem sogenannten Raid einen Bossgegner besiegen wollen.
Hierzu wurden willkürlich zusammengestellte Teams beobachtet, in denen sich die Mitglieder nicht kennen. Untersucht wurde, mit welchen Methoden sie die sehr schwierig zu meisternden Bosskämpfe bestanden. Die Wissenschafter stellten fest, dass durch die Bosskämpfe der Gemeinschaftssinn gefördert wurde. Indem sich die Spieler gegenseitig absprechen und aufeinander einstellen mussten, kam es – oft unausgesprochen – zu einem Einverständnis, welcher Spieler welche Rolle übernehmen sollte. Das Resultat leuchtet ein: Wer kooperativ spielt, hat die besseren Chancen, den Gegner zu besiegen. Teams, deren Mitglieder sich zu unbedachtem, einzelgängerischem Handeln verleiten liessen, schlugen sich hingegen schlecht.
Aggression führt nicht zu Aggression
Eine weitere Erkenntnis der Studie nimmt Killerspiel-Kritikern ihre Munition: Die Forscher kamen zum Schluss, dass die in den Games dargestellte Aggression und Gewalt nicht automatisch zu einem aggressiven Verhalten der Spieler führt, sondern im Gegenteil zu überlegtem «Aggro-Management». Die Teams entwickelten Strategien, um die Aggression eines Bossgegners gezielt zur richten, zum Beispiel auf einen bestimmten Spieler, so dass die anderen Teammitglieder den Boss von hinten angreifen konnten. Wer in der vom Spiel erzeugten, aggressiv aufgeladenen Stimmung einen kühlen Kopf bewahrte, war erfolgreicher.
Ob sich dieses Verhalten auf die reale Welt übertragen lässt, wird von den Forschern indessen aus eingangs beschriebenen Gründen in Frage gestellt. Dass sich der Aggressionstransfer nicht auszahlt, können hingegen Vielspieler bestätigen: Jeder, der aus Spielfrust über einen zu schwierigen Level schon einmal ein Gamepad zertrümmert hat, weiss, dass Destruktivität nie zum Ziel führt.
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