Sucht im SpielMein Vater, das Monster
Ein ernstes, therapeutisches Computerspiel - so etwas gab es noch nicht. Bis jetzt: «Papo & Yo» ist ein bewegendes Abenteuer, das von Alkoholsucht handelt - und erst noch Spass macht.
Vander Caballero nimmt kein Blatt vor den Mund: «Die Spielindustrie entwickelt stets mehr vom Gleichen, das langweilt mich. Wir sollten endlich erwachsen werden und uns auch ernsten Themen wie Religion, Politik oder Sucht annehmen.» Doch es sind keine leeren Worte: Nach Jahren in der Branche als Erfinder der «Army of Two»-Reihe und Mitentwickler von «Fifa», «Need For Speed» und «The Sims» hat Caballero dem Repetitionsreflex der Branche abgeschworen und in Kanada sein eigenes Studio mit dem Namen Minority gegründet.
Mit dem Studio setzt Caballero um, was ihm schon lange am Herzen lag: Ein Spiel über die Alkoholsucht seines Vaters. Entstanden ist «Papo & Yo» – eines der derzeit bewegendsten Games.
Gespielt wird die Figur Quico, der mit seinem fliegenden Roboter in eine Traumwelt eintritt. Dort stösst er auf ein Wesen, das sich Monster nennt – das Sinnbild für Quicos alkoholkranken Vater. Quico fühlt sich dem Monster verbunden, dieses jedoch ist süchtig nach Fröschen; immer, wenn das Monster einen Frosch frisst, wird es aggressiv und stürzt sich gewalttätig auf Quico. Der Spieler in der Haut von Quico soll das Monster zu einem Schamanen bringen, der es heilen kann.
Kann Ernst Spass machen?
In fantasievollen Bildern zeigt «Papo & Yo» eine Traumwelt, in der Quico seinen Weg finden muss. Das Game moralisiert jedoch nicht, sondern bereitet im Gegenteil Spass. Mit eigenwilligen Charakteren und ungewöhnlichem Design schafft «Papo & Yo» Stimmungen, die unter die Haut gehen, wie zum Beispiel das Gefühl, den Boden unter den Füssen zu verlieren, oder einem im Rausch entflammten Monster ausgeliefert zu sein, das sich vor Wut brüllend auf die Spielfigur stürzt. Dennoch erkennen Gamer die emotionale Bindung Quicos zum Monster; man will dem Jungen helfen, wenn man verborgene Mechanismen in Gang setzt, um das Monster auf den heilsamen Pfad zu bringen. Der Spieler leidet mit, wenn plötzlich Frösche auftauchen.
Kein Seelenstriptease
Als Caballero vor rund zehn Jahren mit der Entwicklung begann, waren die Reaktionen auf sein Vorhaben allerdings alles andere als berauschend: Viele reagierten verwirrt und stellten infrage, dass sich ein ernstes Thema wie die Sucht mit Spielspass vereinen lässt. Man befürchtete auch einen peinlichen Seelenstriptease. Caballero war sich dessen bewusst: Bevor er sich ans Spiel wagte, hatte er bereits eine Therapie hinter sich und schaffte es, das Game nicht für die eigene Psychohygiene zu missbrauchen. Zum Spiel bewahrte er genügend Distanz, so dass Spieler die Geschehnisse auf eigene Art interpretieren können.
Zudem fand Caballero einen überraschenden Weg, um Gamern nicht zu nahe auf die Pelle zu rücken: Er spart den traurigsten und ehrlichsten Moment des Spiels für den Schluss auf: [Achtung: Spoiler! Wer vorhat, sich das Spiel zu kaufen, sollte jetzt nicht weiterlesen] Quico muss sich, um selbst gesund zu bleiben, vom Monster trennen – Heilung für die Sucht des Monsters zu finden, liegt nicht in den Händen des Jungen. Eine unbarmherzigere und gleichzeitig befreiendere Erkenntnis hat man in einem Game so noch nicht erfahren.
Fazit: Bitte mehr davon!
«Papo & Yo» zeigt eindrucksvoll, wie ein ernstes Thema Teil eines Games sein kann, ohne dass der Spielspass verloren geht. Das Wissen um den wahren Hintergrund intensiviert das Erlebnis und der Spieler erkennt, welche Auswirkungen eine Sucht auf die Angehörigen haben kann. «Papo & Yo» erreicht damit die nachhaltige Wirkung eines guten Buchs oder Films, der nicht nur mit oberflächlichen Effekten brillieren will. «Ich wollte beweisen, dass man ein unterhaltsames Spiel über ein ernstes Thema kreieren kann», sagt Caballero abschliessend. Das ist ihm gelungen.
Das PS3-Abenteuer «Papo & Yo» ist als Download übers Playstation Network erhältlich.
Gametrailer «Papo & Yo»:
(YouTube)
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