Overkill - ein Game schiesst sich selbst ab

Aktualisiert

«Medal of Honor»Overkill - ein Game schiesst sich selbst ab

Zugegeben: Wir dachten, das neuste «Medal of Honor» würde zum «Call of Duty»-Killer. Den Kopfschuss versetzt das Game aber nun sich selbst.

von
Jan Graber
Sterben in Schönheit: «Medal of Honor: Warfighter» sieht zwar blendend aus, scheitert aber am schlechten Gameplay.

Sterben in Schönheit: «Medal of Honor: Warfighter» sieht zwar blendend aus, scheitert aber am schlechten Gameplay.

Sie wissen, wie es ist, wenn ein Platzhirsch alles dominiert: Man wünscht sich – auch wenn es kindisch ist –, jemand würde kommen und ihm ans Bein pinkeln. Oder ihn gleich vom Thron stossen. Denn ein kleiner Machtkampf dient nicht nur der Vielfalt, sondern belebt auch das Interesse der Konsumenten.

So lag die Hoffnung letztes Jahr auf «Battlefield 3»: Der brillante Shooter sägte tatsächlich am Thron der «CoD»-Reihe, stiess den König der Egoshooter aber dennoch nicht vom Sitz. Dieses Jahr lagen die Hoffnungen auf «Medal of Honor: Warfighter». Mit Betonung auf lagen – Vergangenheitsform.

Irreführendes Versprechen

Denn nach den ersten Einblicken an den diesjährigen Gamemessen E3 und Gamescom sah es tatsächlich danach aus, als würde «Warfighter» die nächste Stufe des Egoshootings zünden: Die Grafik wirkte ebenso brillant wie in «Battlefield 3», was von der Single-Player-Kampagne gezeigt wurde, wirkte nicht so übertrieben hollywoodmässig wie in «Call of Duty» und ein Test des Multiplayers versprach grossartigsten Killerspass.

Abgeliefert wurde nun allerdings ein Spasskiller: «Medal of Honor: Warfighter» kann mit den Grossen – «CoD» und «Battlefield» – schlicht nicht mithalten. Mehr noch: Das Game schiesst sich laufend ins eigene Knie. Dies liegt zunächst an der hanebüchenen Story, die Null Sinn macht sowie an den flach und seelenlos gezeichneten Figuren, die darüber hinaus einen Jargon pflegen, der selbst dem dumpfbackigsten Marine zu peinlich sein dürfte.

Schüsse ins Blaue

Noch peinlicher ist hingegen die Spielmechanik: Zwar wartet eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben auf den virtuellen Kriegshelden, oft ist aber gar nicht klar, was eigentlich zu tun ist. Missionen starten abrupt und enden ebenso. Blind stolpert man durch die Levels, in denen die Team-Kameraden irgendwo hin schiessen, nur nicht auf die Feinde. Letztere stellen sich noch blöder an: Sie durchsieben das binäre Nichts und laufen einem dabei auch noch in schöner Regelmässigkeit vor die Flinte.

Unverständlicherweise entpuppen sich die Gegner an anderen Stellen aber als beinahe unüberwindbar. Hierzu folgender Einschub. Ich schwöre bei all meinen zerdepperten Gampads: Ich spiele sonst nie auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad; es wäre schlicht zu demütigend. In «Warfighter» habe ich es nun erstmals getan. Der Grund: Als mich eine der ermüdend sich wiederholenden Durch-die-Türe-stürmen-Flashbang-und-dann-alle-Feinde-niedermachen-Sequenzen zum x-ten Mal ausser Gefecht setzt und ich die Mission nach langer Ladezeit von vorne beginnen muss, entscheide ich mich für den gescheiten Weg. Statt wie sonst dem Gamepad blindwütig den Garaus zu machen, wähle ich den Easy-Modus.

Ein Killergame schiesst sich ins Knie

Zwar werden die Durch-die-Türe-stürmen-Flashbang-etc.-Sequenzen jetzt leichter spielbar. Aber ich scheitere kläglich an der ersten Snipermission: Die Kerle, die mit Raketenwerfern auf einen Helikopter zielen, sind in der geforderten Zeit einfach nicht zu treffen. In einem Modus, in welchem ein Kleinkind blind durch die Level sollte stolpern können – in diesem Modus schaffe ich es nicht, Typen, die stumpf wie Telefonstangen auf den Dächern stehen, abzuknallen. Mein Egoshooter-Ego wird damit zutiefst erschüttert - und ein weiteres Gamepad segnet das Zeitliche.

Fazit: «Medal of Honor: Warfighter» ist ein echtes Killergame – ein Killer des Spielspasses, ein Killer von Gamepads (in meinem Fall) und ein Killer des Glaubens, dass sich die «Medal of Honor»-Reihe nach den schrecklichen Ausgaben der letzten Jahre mit Bravour zurückmeldet. Nur ein Killer ist es nicht – derjenige von «Call of Duty». Aber wie schrieb der amerikanische Schriftsteller H.L. Mencken einst so schön? «Die Hoffnung ist der krankhafte Glaube an den Eintritt des Unmöglichen». In diesem Sinne: Lang lebe «Call of Duty»!

«Medal of Honor: Warfighter» - die ersten zehn Minuten

Quelle: YouTube/GameStarDE

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