Anonymous«Ihr werdet uns niemals alle kriegen»
Internet-Aktivisten haben nach Hausdurchsuchungen in Deutschland weitere Attacken angekündigt. Doch stellt sich die Frage, ob nicht einige junge Leute unfreiwillig zu «Helfern» gemacht wurden.
Die jüngsten Razzien des deutschen Bundeskriminalamtes gegen Anonymous haben die Aktivisten provoziert. «Das Kollektiv belächelt den Versuch, Aktivisten unseres Schlages einzuschüchtern», mahnte Anonymous in einem Video, das am Sonntagabend auf Youtube veröffentlicht wurde. Demnach haben die Behörden «Benzin in das Feuer der Revolution gegossen». Anonymous kündigte sogleich weitere Attacken im Digitalen an, um für frei zugängliche Informationen im Netz zu kämpfen. «Wir sind bereit dafür Opfer zu bringen», hiess es.
Am vergangenen Dienstag und Mittwoch waren in Deutschland die Wohnungen von 106 Beschuldigten durchsucht worden (20 Minuten Online berichtete). Die jungen Leute stehen unter Verdacht, im Dezember 2011 die Seite der Musikrechtegesellschaft Gema attackiert zu haben – ein Protest, der sich gegen das Sperren urheberrechtlich geschützter Musikvideos richtet. Nach den Durchsuchungen legte Anonymous den Auftritt der Gema Ende der Woche allerdings prompt erneut lahm. «Manche mögt ihr verfolgen und sogar inhaftieren. Aber ihr werdet uns niemals alle kriegen», hiess es dazu in der neuen Videobotschaft.
Sorge um die Sicherheit der eigenen Anhänger
Die Gema hatte sowohl nach der Attacke auf ihre Server im Dezember als auch am vergangenen Donnerstag die Daten der Angreifer wie ihre IP-Adressen an die Ermittler des BKA weitergereicht, wie eine Sprecherin der in München angesiedelten Gesellschaft nach der jüngsten Attacke bestätigt hatte. «Die Gema hat eine Grenze überschritten», warnte nun wiederum das Hacker-Kollektiv die Gema im YouTube-Film.
Offen blieb, ob die jüngsten Durchsuchungen nur Aktivisten trafen oder auch unfreiwillige Helfer, die den Internetauftritt der Gema versehentlich attackiert hatten - etwa mit Klicks auf manipulierte Links. Anonymous, das ohne feste Strukturen auskommt, warnte im Video daher auch die eigenen Anhänger: «Wir verweisen unsere Brüder und Schwester darauf, sich technisch weiterzuentwickeln. [...] Wer sich seiner Sicherheit im Internet nicht vollkommen gewahr ist, sollte sich an keinen Serverangriffen beteiligen.»
Dem Drohvideo bei YouTube sind Informationen angefügt, wie man sich bei polizeilichen Hausdurchsuchungen verhalten soll. Dabei wird auf einen 2009 im Forum der deutschen Piratenpartei veröffentlichten Beitrag verwiesen. (dsc/dapd)
Das Internet-Kollektiv Anonymous
Anonymous entstand einst im Kampf gegen Scientology. 2008 begannen die Aktivisten damit, in aller Welt vor den Niederlassungen der Sekte für Redefreiheit zu demonstrieren. Noch heute postieren sich Aktivisten von Anonymous demonstrativ neben Scientology-Ständen in Fussgängerzonen. Die Aktivisten sind dabei an weissen Masken zu erkennen, die letztlich vor allem für Anonymität sorgen sollen.
Inzwischen kämpft Anonymous auch für ein freies Internet, die Akzeptanz von Homosexualität und gegen Rechtsextreme. Die Aktivisten streiten zudem für den Schutz von Daten im Internet, indem sie auf Sicherheitslücken aufmerksam machen. Mit diesem Ziel erklären sie nicht zuletzt ihre umstrittenen «Leaks» (Enthüllungen), bei denen sie vertrauliche Informationen abgreifen und frei online stellen.
Anonymous ist letztlich ein loser Verbund von Hackern, Aktivisten und Mitläufern. Sie planen ihre Aktionen unter anderem über sogenannte IRC-Chats und verteilen ihre Kommandos zudem über soziale Netzwerke wie Twitter. Im Prinzip kann sich jeder zu Anonymous zugehörig fühlen und Aktionen starten.
Neben dem Eindringen in Systeme legen die Aktivisten von Anonymous Internetseiten auch zeitweise durch DDoS-Attacken lahm - indem sie Seiten so oft aufrufen, bis diese unter dieser Last zusammenbrechen. Dabei helfen Programme, die teils auf Rechner Unbeteiligter geschmuggelt werden.
(ap)