WLAN-Daten sammeln«In fünf Jahren ist der gläserne Kunde Realität»
SBB und Co. werten Daten ihrer Wi-Fi-Kunden aus: Das sei erst der Anfang, sagt IT-Experte Guido Rudolphi. In Zukunft würden wir mit personalisierter Werbung bombardiert werden.
Bis Ende 2015 wollen die SBB an 100 Standorten kostenloses WLAN anbieten. Die Bahn kann mit den so gewonnenen Daten umfangreiche Nutzungs- und Bewegungsprofile ihrer Kunden erstellen. Die Daten würden laut SBB analysiert, um etwa den Personenfluss an Bahnhöfen zu optimieren. Daneben behalten sich die SBB vor, ihr Wissen auch für Werbung zu verwenden.
IT-Sicherheitsexperte Guido Rudolphi steht der generell wachsenden «Daten-Sammelwut» von Unternehmen kritisch gegenüber. Er verfolgt die Entwicklung in diesem Bereich schon seit längerem und ist überzeugt: «Das ist erst der Anfang. Daten werden heute schon überall gesammelt – und das fast grenzenlos.» Denn: Unsere persönliche Datenspur hinterlassen wir überall im Netz.
Zudem werde mit persönlichen Daten schon heute grosser Handel getrieben. Mittlerweile sind die technischen Möglichkeiten so weit ausgereift, dass erfasste Nutzerprofile miteinander verknüpft werden können, um so ein umfassendes «Lebensprofil» zu erstellen. «Das ebnet den Weg für die personalisierte Werbung der Zukunft», so Rudolphi.
Wenn das Handy zum Kauf auffordert
In Zukunft würden Firmen die Kundendaten immer besser miteinander verzahnen, prognostiziert der Experte. So könnten dereinst Kunden, die regelmässig im Laden Windeln einkaufen, per Smartphone gezielt Werbung für Pampers erhalten, wenn sie sich in der Nähe eines Geschäfts befinden. Dies, weil die Migros-Cumulus-Karte oder die Coop-Supercard mit der Telefonnummer des Kunden verknüpft sein werden, sagt Rudolphi. «Den Kombinationsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt – das ist verheerend.» Er ist überzeugt, dass die neuen Werbemöglichkeiten unser Kauf- und Lebensverhalten nachhaltig beeinflussen werden. Wenn diese Werbung geschickt gemacht sei, könne man damit gezielt Menschen beeinflussen: «Das ist der Traum jedes Werbers.»
Bei uns ist das noch Zukunftsmusik. In den USA werden ähnliche Systeme aber bereits in Läden getestet, um von Kunden anhand der Handysignale anonymisierte Bewegungsprofile zu erstellen. Auch in der Schweiz werde dies bald Realität sein, ist Rudolphi überzeugt. «Spätestens in fünf Jahren wird es auch bei uns so weit sein.» Möglichkeiten, sich den Datensammlern zu entziehen, gebe es praktisch nicht. Man könne höchstens Resultate etwas verschleiern, das sei aber immer mit einem Aufwand verbunden, sagt der IT-Fachmann.
Der gläserne Kunde beim Shoppen
Bei den Schweizer Grossisten sind die personalisierte Werbung und das Tracking von Kunden derzeit nur bedingt Gesprächsthema. «Wir prüfen regelmässig die neusten Trends. So verfolgen wir auch die Entwicklung im Bereich Tracking, sehen zurzeit für Coop aber keinen Nutzen in der Technologie», sagt Nadja Ruch, Mediensprecherin von Coop. In der Entwicklung von neuen Ladenbaukonzepten würde das Kundenverhalten aufgrund von Erfahrungen und Beobachtungen analysiert und zudem Kunden nach ihren Bedürfnissen befragt.
Bei der Migros ist man sich der Problematik des «gläsernen Kunden» bewusst. «Nur weil uns die Technik heutzutage ermöglichen würde, Cumulus-Daten mit den Smartphones der Kunden zu verknüpfen, heisst das noch lange nicht, dass der Kunde dies auch will», sagt Urs Peter Naef, Mediensprecher der Migros. Man verfolge die Entwicklung auf diesem Gebiet aber aktiv mit.
Was geben Sie im Internet von sich preis? Machen Sie mit bei der Umfrage