Gegen Strahlung«Meine ganze Wohnung ist mit Alufolie abgeklebt»
Der Basler Felix Grässli litt jahrelang unter Kopfschmerzen – bis er seine Wohnung vor Elektrosmog abschirmte. 20 Minuten hat ihn besucht.
Leser Felix Grässli führte 20 Minuten durch seine Wohnung in Basel. (Video: Camille Marlene Kündig)
Mitte der 1990er begann der Leidensweg von Leser Felix Grässli: Den Basler plagten ständig unerklärliche Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit – bis er vor zehn Jahren seine Wohnung mit normaler Alufolie auskleidete, um sich vor elektromagnetischer Strahlung abzuschirmen. Seither geht es ihm besser, sagt er.
Der Fall des Unternehmers ist kein Einzelfall. Immer mehr Menschen glauben, sensibel auf Strahlung ausgehend von WLAN-Routern, Mobilfunktelefonen und Hochspannungsnetzen zu reagieren. Drei E-Mails pro Woche bekäme er von Betroffenen, die seine Website im Internet gefunden hätten, sagt Grässli zu 20 Minuten. Doch ist das Leiden wissenschaftlich zu begründen?
Symptomatik bei jedem Fall anders
Jürg Baumann, Leiter der Sektion Nichtionisierende Strahlung beim Bundesamt für Umwelt (Bafu), beschäftigt sich ebenfalls mit dem Phänomen der Elektrosensibilität. Dieses sei jedoch nach wie vor umstritten, weil es bis heute keine wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen den Symptomen und der Strahlenbelastung gäbe, erklärt er.
«Die Symptomatik ist sehr unspezifisch und bei jedem Fall verschieden: Kopfschmerzen, Schlaf- und Konzentrationsprobleme, Müdigkeit. Diese Beschwerden können jedoch sehr viele Ursachen haben», sagt Baumann.
«Es müsste bereits klare Hinweise geben»
Studien aus aller Welt, in welchen vermeintlich elektrosensible Menschen im Labor getestet wurden, erbrachten denn auch noch keine klaren Hinweise. «Betroffene Probanden konnten nicht sagen, ob und wann sie bei den Versuchen Strahlung ausgesetzt wurden», sagt Peter Achermann, Titularprofessor für Schlafforschung an der Universität Zürich, zu 20 Minuten.
Er hat die Wirkung von Mobiltelefon-ähnlicher Strahlung auf den Schlaf untersucht, konnte aber keine Hinweise für negative Auswirkungen finden. «Wenn Handystrahlung wirklich gesundheitsschädigend wäre, hätten sich seit der Einführung von Mobiltelefonen bis zum heutigen Zeitpunkt bereits klare Hinweise abzeichnen müssen», ist er überzeugt.
«Forschung stösst an Grenzen»
Dass aufgrund fehlender Beweise oft behauptet würde, die Opfer würden sich alles nur einbilden, findet Baumann vom Bafu nicht richtig: «Ich schliesse nicht aus, dass die Strahlung tatsächlich eine Rolle spielt.» Die Forschung stosse schlicht an ihre Grenzen, sagt er. Denn eigentlich müsste man mehr Betroffene ins Labor holen. «Da sie leiden, wollen sie sich aber keiner weiteren Strahlung aussetzen. Wofür ich Verständnis habe.»
Trotzdem bräuchten die Betroffenen Hilfe. So könnte man die Strahlungsquellen entfernen oder abschirmen, wie bei Felix Grässli. Manche Leute würden auch einen Umzug in ein weniger strahlenbelastetes Gebiet in Betracht ziehen. «Ausserdem kann man versuchen, den Betroffenen andere mögliche Ursachen für ihre Beschwerden aufzuzeigen», sagt Baumann.
Zu Grässli meint Baumann abschliessend: «Wenn der Leser sagt, das Auskleiden mit Alufolie hätte für ihn eine Verbesserung bewirkt, dann sollte man ihm das glauben. Ob dies daran liegt, dass die Strahlung verringert wurde oder daran, dass er weiss, dass es so ist, sei dahingestellt.»

Jürg Baumann ist seit 1987 am Bundesamt für Umwelt tätig und leitet heute die Sektion Nichtionisierende Strahlung. Er rät Betroffenen, sich an die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz zu wenden (AefU).
Das ärztliche Beratungstelefon ist am Mittwoch von 9:00 bis 11:00 besetzt: 052 620 28 27. Eine Kontaktaufnahme kann via umweltberatung.aefu@bluewin.ch auch elektronisch erfolgen.