Umstrittene Dashcams«Auto-Kameras verstossen gegen den Datenschutz»
Autofahrer filmen mit Dashcams andere Autofahrer. Was in Russland Volkssport ist, wird auch bei uns populärer. Doch mit Kameras hinter der Windschutzscheibe Polizei zu spielen, ist heikel.
Kamera aufs Armaturenbrett montiert, und los geht die Filmerei. Spätestens seit dem Meteoriteneinschlag in Russland, der Anfang 2013 von Dutzenden Auto-Kameras festgehalten worden ist, sind Dashboard-Kameras auch bei uns ein Begriff. Der Elektronikhändler Digitec bestätigt, dass «die Nachfrage bis anhin gering, jedoch stark steigend» ist. Kunden seien vor allem Privatpersonen und Autogaragen, heisst es beim Online-Händler Brack. Doch sind diese Gadgets, die wie Navigationsgeräte an der Windschutzscheibe oder auf dem Armaturenbrett befestigt sind, bei uns erlaubt?
Verboten - oder doch nicht?
Ein klares Nein kommt aus dem Büro des obersten Datenschützer des Landes, Hanspeter Thür. Zwar seien Dashcams an sich nicht verboten, «das Filmen von Menschen und Nummernschildern, sofern sie erkennbar sind, widerspricht jedoch dem Datenschutz», sagt Mediensprecherin Eliane Schmid. Gefilmte Personen müssten wissen, dass sie aufgenommen werden und ihr Einverständnis geben. Diese Voraussetzungen seien bei Aufnahmen aus dem Auto heraus nicht gegeben. Dabei spiele es auch keine Rolle, ob man das Video nur für private Zwecke nutze oder auf YouTube veröffentliche. Ausgenommen von dieser Regel ist die Polizei, die im Bedarfsfall mit der Auto-Kamera auf die Pirsch gehen darf.
Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) widerspricht: «Aus Sicht des Strassenverkehrsrechts ist gegen Dashcams nichts einzuwenden, sofern die Kamera das Sichtfeld des Lenkers nicht einschränkt und er die Kamera während der Fahrt nicht bedient.» Der Einsatz von Dashcams ist umstritten: «Auf jeden Fall verboten ist es, mit Auto-Kameras Polizei zu spielen, um andere Verkehrsteilnehmer anzuschwärzen», sagt der Zürcher Staatsanwalt und Verkehrsexperte Jürg Boll. Die Verkehrssicherheit obliege alleine der Polizei und nicht Privaten, so Boll.
Aufnahme kann gegen Filmer genutzt werden
Auf Russlands Strassen gilt vielerorts das Recht des Stärkeren, entsprechend häufig kracht es im Strassenverkehr. Viele Automobilisten versuchen daher mit Dashcams ihre Unschuld zu beweisen. Dies sei ein zweischneidiges Schwert, findet Boll. Die Videoaufzeichnungen könnten auch gegen den Filmer genutzt werden, falls dieser selbst einen Unfall baut. Bei uns muss ein Dashcam-Nutzer die Kamera auf jeden Fall herausgeben, sofern er von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft dazu aufgefordert wird.
Videobeweis vor Gericht
Staatsanwalt Boll bestätigt, dass Filmaufnahmen mit Smartphones in der Schweiz bereits in mehreren Fällen vor Gericht als Beweismittel zugelassen wurden. Ein Fall mit einer Auto-Kamera sei ihm aber nicht bekannt. Die Mediensprecherin des Eidgenössischen Datenschützers gibt zu bedenken, dass Dashcam-Aufnahmen vor Gericht nicht zwingend als Beweismittel akzeptiert werden. «Alleine der Richter entscheidet, ob ein Videobeweis zugelassen wird.»
Fest steht: Auto-Kameras sind in der Schweiz noch wenig verbreitet, aber auf dem Vormarsch. Auch den Versicherungen fehlen daher Erfahrungswerte mit Dashcam-Aufnahmen. «Ob eine Dashcam nützlich ist oder nicht, können wir nicht final beurteilen, da uns hierfür genaue Zahlen fehlen», heisst es bei AXA Winterthur. Im Einzelfall könne eine Dashcam wichtige Hinweise für den Unfallhergang liefern, Crash Recorder würden allerdings umfassendere Daten liefern.
Dashcams filmen Meteoriteneinschlag in Russland
Quelle: YouTube/bugvision
Auto-Kamera filmt Flugzeugabsturz in Afghanistan
Quelle: YouTube/TAREK3691
Mitarbeit: Felix Raymann
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