«Im Cyberspace werden unsere Gehirne simuliert»

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Virtual Reality«Im Cyberspace werden unsere Gehirne simuliert»

Ein US-Physiker glaubt, dass bald eine virtuelle Welt existiert, die so gross wie unsere Erde ist. Jedes Atom könnte dabei simuliert werden.

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Philip Rosedale, der Schöpfer der Online-Lebens-Sim «Second Life» (SL), arbeitet derzeit an einem Nachfolger des digitalen Experiments.
In einem Interview mit dem US-Magazin «Nautilus» hat sich Rosedale zum Thema Virtual Reality geäussert. (Im Bild: Rosedales «Second Life»-Avatar)
Für den SL-Schöpfer birgt der Cyberspace riesiges Potenzial. Würde man beispielsweise alle Computer dieser Welt übers Internet via Breitband miteinander verbinden, könnte man die Welt im Massstab 1:1 bis ins kleinste Detail simulieren.
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Philip Rosedale, der Schöpfer der Online-Lebens-Sim «Second Life» (SL), arbeitet derzeit an einem Nachfolger des digitalen Experiments.

Keystone/Alessandro Della Valle

Philip Rosedale ist nicht nur studierter Physiker, sondern auch Schöpfer der Lebenssimulation «Second Life» (SL). Dieses digitale Experiment ist seit 2003 online (siehe Box).

In einem Interview mit dem Magazin «Nautilus» hat sich Rosedale jetzt zum Thema Virtual Reality geäussert. Er sieht in der VR-Technologie riesiges Potenzial.

«Make VR, Not War»

Für den SL-Schöpfer sind virtuelle Welten grenzenlos. Sie seien in der Lage, kulturelle Gräben zwischen den Nutzern in Windeseile zu schliessen, und könnten so gar Kriege verhindern. Sobald zwei Menschen über ein VR-System miteinander verbunden seien, könnten sie auch die grössten Differenzen zwischen sich überwinden.

Durch ihre rasante Entwicklung seien Computer in der Lage, immer grössere und detailliertere Welten zu kreieren, die wiederum immer vielseitigere Interaktionsmöglichkeiten der Menschen untereinander ermöglichten.

Eine Welt so gross und detailliert wie unsere

«Wenn wir alle Computer dieser Welt via Breitband mit dem Internet verbinden würden, um eine virtuelle Welt zu erschaffen, wäre diese so gross und echt wie die Erde», ist der SL-Schöpfer überzeugt. «Wir könnten uns darin frei bewegen, in eine bisher unentdeckte Höhle in Sibirien klettern und unsere Namen an eine Felswand schreiben. Zehn Jahre später könnten wir dann zurückkehren, und die Namen stünden noch immer dort.»

Bis 2050 seien sogar einzelne Laptops in der Lage, die gesamte Erde inklusive Hirnaktivitäten und Organfunktionen sämtlicher Menschen und Tiere bis hin zur Funktionsweise jedes Atoms zu simulieren, prognostiziert Rosedale.

Apple als VR-Referenz

Um virtuelle Welten von solch immensen Ausmassen angemessen darstellen zu können, bedarf es hochaufgelöster Bilder. Vorreiter in diesem Bereich ist für Rosdale Apple mit seinen Macbook-Retina-Dislpays. «Sie verfügen bereits jetzt über eine so hohe Zahl an Pixeln, dass man diese einzeln nicht mehr wahrnimmt.»

Der SL-Schöpfer geht davon aus, dass Headsets wie Oculus Rift schon in fünf bis sechs Jahren eine entsprechende Anzahl Pixel darstellen können. «Es wird keine Bildschirme mehr geben», da wir selbst Teil der digitalen Bilder beziehungsweise Welten werden.

Blickkontakt im Cyberspace

Auch Darstellung und Fähigkeiten von Avataren im Cyberspace dürften gemäss Rosedale schon bald so menschengleich sein, dass der Unterschied zwischen echter und virtueller Welt praktisch nicht mehr zu erkennen sein wird. «Die nächste Cyberbrillen-Generation wird Augenbewegungen registrieren und diese auf das Headset des Gegenübers übertragen können.» Augenkontakt und -sprache seien essenziell, so Rosedale.

«Wenn wir Hände, Gesicht, Knie, Ellbogen und Füsse akkurat darstellen können, wird alles fast wie echt wirken», sagt Rosedale, der momentan mit seiner Firma High Fidelity an einem SL-Nachfolger arbeitet.

Damit virtuelle Welten im Sinne Rosedales allerdings Realität werden, müssen sich ab Anfang 2016 auch ausreichend Menschen die Cyberbrillen aufsetzen.

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«Second Life»

Das digitale Experiment «Second Life» lässt Nutzer virtuelle Welten erschaffen, sich mit selbst erstellten Avataren hineinbegeben und mit anderen Usern interagieren. Rund 36 Millionen registrierte Benutzerkonten zählt «Second Life», und es sind nach wie vor permanent zwischen 30'000 und 60'000 Nutzer eingeloggt. Der Titel ist eine Art geistiger Vorgänger des von Microsoft aufgekauften Indie-Hits «Minecraft», wobei ersteres kein Game, sondern eine Lebenssimulation ist.

Philip Rosedales Avatar in «Second Life». (Bild: Linden Labs)

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