Fakten zum Swisscom-AutoBis wir am Steuer schlafen können, dauert es noch
In fünf bis zehn Jahren sollen Autos komplett selbstständig durch die Schweiz fahren. Das sind die wichtigsten Antworten zum Projekt der Swisscom.
Eindrücke von der Probefahrt mit dem selbstfahrenden VW Passat. (Video: Lorenz von Meiss)
Die Swisscom hat heute in Zürich das erste selbstfahrende Auto präsentiert, das auf Schweizer Strassen unterwegs ist. Der Telekomanbieter sieht eine rosige Zukunft für autonome Fahrzeuge. «Wir alle werden das nahezu unfallfreie und selbstständige Fahren noch miterleben», sagte Swisscom-Sprecher Carsten Roetz vor den Medien.
Das Auto ist mit zig Sensoren, Kameras, Lasern und einem Radar ausgestattet, der die Umgebung analysiert und in Echtzeit auswertet. Eine Netzabdeckung ist für das autonome Fahren nicht notwendig. Beim Wagen handelt es sich um einen VW Passat, den das deutsche Autonomos Lab technisch aufgerüstet hat. Bis zum 14. Mai ist das Fahrzeug noch in Zürich unterwegs. 20 Minuten hat die wichtigsten Fragen zum Testbetrieb beantwortet:
Warum testet gerade die Swisscom das autonome Fahren?
«Ganz klar: Die Swisscom wird nicht zum Autobauer», erklärt Robert Gebel, Head of Business Development der Swisscom. Mit dem Projekt wolle man die Zukunft der Mobilität erforschen. Gebel ist überzeugt, dass in Zukunft die Fahrzeuge untereinander vernetzt werden und mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet werden müssen. Der Test soll zeigen, wie das Fahrzeug Daten aufnimmt und verarbeitet. In einigen Wochen will die Swisscom ihre Erkenntnisse in einem ausführlichen Bericht darlegen. Wie viel Geld das Unternehmen in das Projekt steckt, wollen die Verantwortlichen nicht verraten.
Wo genau ist das Auto zu sehen?
Es gibt zwei vordefinierte Strecken in Zürich. Beide starten bei der Pfingstweidstrasse. Die erste führt über den Escher-Wyss-Platz bis zum Hauptbahnhof. Die zweite von der Pfingstweidstrasse bis zum Autobahnanschluss und zurück. «Die Strecke zum Bahnhof ist dabei äusserst komplex», sagt Gebel.
Wieso kommt kein Elektroauto zum Einsatz?
Für den Test sei es wichtig, auf bestehende Technologien zu setzen, sagt Gebel. Deshalb kam der Einsatz eines Elektroautos vorerst nicht in Frage. Für die Zukunft sei aber geplant, dass die Technik in ein Elektroauto verbaut wird.
Wo sieht die Swisscom Marktpotenzial?
Grosses Potenzial sieht die Swisscom beim Thema Car-Sharing. Erste Überlegungen des Telekomanbieters gehen auch dahin, die eigene Logistik mit selbstfahrenden Autos zu bewältigen. Die Konsequenz: «Weniger Autos auf der Strasse, die dafür besser ausgenutzt sind, und damit weniger Belastung für die Umwelt», so Gebel.
Wann werden selbstfahrende Autos Realität?
«In 10 bis 15 Jahren dürfte die Technik so weit sein, dass sie sicher in Grossstädten eingesetzt werden kann», sagt Gebel. Auf einfacheren Strecken, wie etwa Autobahnen, soll dies bereits in drei bis vier Jahren möglich sein. «Bis wir im Auto schlafen können, muss aber noch viel geschehen», sagt Tinosch Ganjineh, CEO von Autonomos Labs. Dafür müssen die Autos noch intelligenter werden. Ein Problem für die «rollenden Roboter» seien etwa Kälte und Eis, da dann die Sensoren versagen. Diese müssen darum beheizt werden. Bei ersten Tests habe sich zudem gezeigt, dass das Kartenmaterial ungenügend sei, da der GPS-Sensor zur Standortbestimmung im Zentimeterbereich arbeite.
Wer haftet, wenn es einen Unfall gibt?
Für den Test hat die Swisscom eine Spezialbewilligung vom Bund erhalten und eine Haftpflichtversicherung von rund 100 Millionen Franken abgeschlossen. «Bei jeder Fahrt sind zwei Fahrer dabei, die zu jeder Zeit eingreifen und die Software überschreiben können», so Gebel. In Berlin habe das Auto im letzten Jahr 80'000 Kilometer zurückgelegt – und keinen Unfall gebaut. Das selbstfahrende Auto von Google hatte bei seinen Testfahrten (2,7 Millionen km) bisher elf «unbedeutende» Unfälle gebaut, wie diese Woche bekannt wurde.
Die Frage der Haftung hat aber auch die Swisscom noch nicht abschliessend geklärt. Möglich wäre es, dass eventuelle Schäden, die in Zukunft von autonomen Autos verursacht werden, aus einem Pool bezahlt werden, in den Halter, Hersteller und Entwickler einbezahlen. Offiziell zugelassen sind fahrerlose Fahrzeuge in der Schweiz und in Europa noch nicht. Laut dem Wiener Abkommen müssen Fahrer während der Fahrt immer beide Hände am Steuer haben.
Wie fühlt sich die Fahrt an?
Es ist beeindruckend, die Technik in Aktion zu erleben. Man merkt, dass das Projekt aus der Phase der Grundlagenforschung entwachsen, aber noch nicht marktreif ist. So verlief die Fahrt teilweise etwas ruppig. Die Sensoren haben alle Hindernisse erkannt, agieren dabei aber noch nicht sonderlich intelligent. So wurde etwa Gras, das bei einem Fussgängerstreifen in die Strasse hineinragte, als ein Hindernis erkannt, weshalb das Auto auch anhielt, obwohl niemand über die Strasse wollte.

Der Basler Futurist Gerd Leonhard (Foto: Micke Groenberg)
Sind wir bereit für selbstfahrende Autos?
Assistiertes Fahren, also Autos, die zum Beispiel die Spur auf der Autobahn halten können, werden sich schnell durchsetzen, ebenso Fahrzeuge, die eine vorgegebene Strecke abfahren können. Völlig autonome Fahrzeuge, die so fahren, wie wir das tun, sind noch Zukunftsmusik. Dazu braucht es erst Karten, die auf den Millimeter genau stimmen und leistungsfähige Computer, die wie ein Gehirn denken können – das wird frühestens 2027 der Fall sein.
Was muss geschehen, dass Menschen der Technik ihr Leben anvertrauen?
Zwar ist klar, dass Roboter besser fliegen können als Menschen. Aber deshalb einem Roboter-Piloten zu vertrauen, ist sozial und psychologisch gesehen noch absolut undenkbar. Hier muss erst ein Umdenken geschehen – und ethische Fragen geklärt werden. Soll das System in einer Extremsituation auf der Strasse Entscheidungen treffen können wie: Töte ich eine Katze oder ein Kind? Ein Computer mit Moral ist wahrscheinlich gar nicht erwünscht.
Wie sehen Sie eine Zukunft mit autonomen Fahrzeugen?
In Grossstädten wird es elektrische Flotten von Fahrzeugen geben. Diese kann man bestellen und sie fahren einen zu einem vorgegebenen Ziel. Eine Art automatisierter Bus, den man via Flatrate bezahlt – ähnlich wie bei Spotify. Studien besagen, dass mit dieser Art von Fortbewegung in Städten bis zu 50 Prozent der Umweltverschmutzung und des Energieverbrauchs eingedämmt werden können.