EU-Parlament stoppt ACTA-Abkommen

Aktualisiert

Angst vor Netz-ZensurEU-Parlament stoppt ACTA-Abkommen

Mit grosser Mehrheit hat das EU-Parlament dem internationalen Abkommen zum Schutz des Urheberrechts eine Abfuhr erteilt. Die Proteste auf der Strasse scheinen damit erfolgreich gewesen zu sein.

Das EU-Parlament hat das internationale Abkommen zum Schutz des Urheberrechts abgelehnt. Nach massiven Protesten auf den Strassen und im Internet stimmten die Abgeordneten am Mittwoch in Strassburg mit einer grossen Mehrheit von 478 Stimmen gegen den Acta-Vertrag, der damit vorerst gescheitert ist. Für den Vertrag stimmten gerade einmal 39 Abgeordnete, 165 enthielten sich ihrer Stimme. Die EU-Kommission müsste das Abkommen mit den zehn Unterzeichnerstaaten neu verhandeln, um es zu retten.

Ziel des Paktes ist es, die EU-Standards zum Schutz der Hersteller vor Produktpiraterie und Markenfälschungen global durchzusetzen. Das darin enthaltene Kapitel zu Urheberrechten im Internet könnte aus Sicht der Kritiker aber zu Überwachung und Zensur des Netzes missbraucht werden.

Die Gegner befürchten zudem, dass Raubkopien privater Konsumenten künftig stärker bestraft werden. Die Industrie sieht dagegen Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, wenn der Schutz geistigen Eigentums international nicht gestärkt wird.

Ausgerechnet China und Indien ignorieren Acta

Ein weiterer Vorwurf: Entwicklungsländer kämen kaum noch an billige Generika für Saatgut und Arzneimittel. Kritiker machten ferner geltend, dass die Regeln der Realwirtschaft nicht ohne Weiteres für die Digitalwelt übernommen werden könnten, da sie den geänderten Konsumgewohnheiten kaum Rechnung trügen. Ausserdem beklagten sie wiederholt die mangelnde Transparenz der Verhandlungen. Dass zudem wichtige Herkunftsländer für Produktfälschungen wie China und Indien nicht bei Acta mitmachten, lasse die «Koalition der Willigen» ohnehin ins Leere laufen. Immerhin kommen allein aus China 85 Prozent der von EU-Zollfahndern abgefangenen Produktfälschungen.

Handelskommissar Karel De Gucht betonte noch am Vortag der Abstimmung eindringlich: «Was heute rechtens ist in der EU, wird auch nach der Ratifizierung von Acta rechtens bleiben. Und was heute illegal ist, wird es auch danach weiterhin sein.» Um das zu beweisen, lässt die Kommission seit Mai vom Europäischen Gerichtshof prüfen, ob die Acta-Bestimmungen gegen Grundrechte verstossen. Bis zuletzt hatte De Gucht den Abgeordneten ins Gewissen geredet, die Abstimmung bis zum Urteil hinauszuzögern. Nach dem frühestens nächstes Jahr erwarteten Richterspruch könnte die Kommission den Text zwar überarbeiten und zu neuen Verhandlungen aufrufen. Allerdings müsste sie den Gegnern dann wohl in etlichen Punkten entgegenkommen. (sda/dapd)

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