Pro-Juventute-SmartphoneEin Handy für Kontrollfreaks?
Mit einem neuen Prepaid-Angebot können Eltern ihre Kinder an der kurzen Leine halten. Bei vielen Lesern kommt das «Überwachungs-Handy» schlecht an. Jetzt nimmt Pro Juventute Stellung.

Eltern können über ein passwortgeschütztes Internetportal von Pro Juventute und Sunrise festlegen, wen ihre Kinder anrufen dürfen.
Mit dem neuen Prepaid-Angebot «Primobile» können besorgte Eltern über ein passwortgeschütztes Internetportal jederzeit kontrollieren, wen ihre Kinder anrufen dürfen oder ob sie mit dem Smartphone im Internet surfen können. Lanciert wurde das «kindergerechte Prepaid-Angebot» von der Stiftung Pro Juventute und Sunrise (siehe Infobox).
Nachdem 20 Minuten Online berichtete, ist unter den Lesern eine heftige Diskussion entbrannt. Für zahlreiche Leser sind teure Smartphones in Kinderhänden grundsätzlich verkehrt. Für andere ist es wichtig, dass Kinder den Umgang mit neuen Medien früh lernen.
«Für Kontrollfreaks!»
Innert wenigen Stunden meldeten sich über 200 Leser zu Wort – mit teils harscher Kritik: «Das ist eine Erfindung für krankhafte Kontrollfreaks», schreibt David. Nicht wenige Leser beklagen, dass Pro Juventute und Sunrise die Verantwortung der Eltern an die Technik delegieren würden. «Ist das Erziehung?» fragt sich Leser Horst B.: «Das Grundproblem ist, dass Eltern ihre Erziehungsverantwortung wahrnehmen sollten. Hierzu gibt es kein technisches Tool.»
In die gleiche Kerbe schlägt Leserin Sandra Gleig, nach ihren Angaben selbst Mutter einer 10-jährigen Tochter: «Kinder erziehen heisst nicht überwachen und absolute Kontrolle, mit solchen Sachen erzielt man höchstens das Gegenteil.» Der Tenor vieler Leser ist klar: Kinder, die sich dem Kontrollzwang der Eltern entziehen wollen, würden immer Wege und Mittel finden und dann zähle nur, was von der Erziehung hängengeblieben ist.
«Primobile ist kein Überwachungs-Tool»
Den Vorwurf der Überwachung lässt Stephan Oetiker, Direktor Pro Juventute, nicht auf sich sitzen: «Die Anrufe oder SMS können von den Eltern nicht kontrolliert werden, auch nicht der Standort des Kindes.» Primobile sei daher kein Überwachungs-Tool. «Eltern und Kinder sollen gemeinsam bestimmen, welche Funktionen des Handys genutzt werden sollen.» Mit zunehmendem Alter und fortgeschrittener Medienkompetenz können die Eltern entscheiden, welche weiteren Nutzungsoptionen (Anrufe, SMS, MMS, Internet, etc.) freigegeben werden. Das Angebot richte sich gerade an Eltern, die sich um die Medienkompetenz ihrer Sprösslinge aktiv kümmern würden, sagt Oetiker. Das Prepaid-Angebot sei aber nicht für die Kontrolle von Teenagern gedacht. Auch die Missbrauchsgefahr durch übervorsichtige Eltern sei kaum gegeben: «Schränken Eltern die Funktionen des Handys zu stark ein, wird es das Kind einfach nicht benutzen und andere Wege finden. Verbote funktionieren nicht.»
Kritisiert werden Pro Juventute und Sunrise auch wegen des Preises des Kinder-Abos: Das Basisangebot beinhaltet unlimitierte Kommunikation via SMS und unbegrenzte Anrufe auf vier frei wählbare Rufnummern zum Preis von 249 Franken pro Jahr. «Nur vier Nummern sind Abzocke», schreibt Leser Christian Thalmann. Jedes Kind habe mehr als vier Freunde. Ein Kinder-Abo für über 20 Franken pro Monat sei zudem nicht gerade günstig, moniert Leser Tino.
Vorwürfe, die Oetiker nicht teilt: «Primobile ist nicht teurer als ein günstiges Handy-Abo, bietet darüber hinaus aber Zusatzfunktionen.» Nebst den einstellbaren Nutzungsoptionen finden Eltern im E-Learning-Bereich Wissenswertes über den Umgang mit neuen Medien. Zudem legten 9- bis 10-jährige Kinder ein anderes Handy-Nutzungsverhalten an den Tag als Jugendliche oder Erwachsene: «Die meisten Kinder nutzen höchstens sechs Nummern und die Gespräche sind meist sehr kurz, oft unter einer Minute», sagt Oetiker.
Viele Leser begrüssen das Angebot
Längst nicht alle Leser stehen dem «Kontroll-Handy» von Pro Juventute und Sunrise kritisch gegenüber: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich hoffe doch sehr, dass alle Mobilanbieter dem tollen Beispiel folgen werden», schreibt Leserin Lotti. Eine Zusammenarbeit mit Swisscom und Orange sei nicht geplant, winkt Oetiker indes ab.
Nicht im Sinn von Pro Juventute dürften Leserkommentare sein, die eine massiv weitergehende Überwachung der Handy-Nutzung wünschen. «Es fehlt noch die Möglichkeit, den Aufenthaltsort der Kinder in Echtzeit zu überwachen. Besorgte Eltern wären sicher bereit für den Schutz ihres Nachwuchses noch viel tiefer in die Tasche zu greifen», schreibt Phil Moor.
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Was ist Primobile?
Die Stiftung Pro Juventute lanciert gemeinsam mit der Sunrise ein «kindergerechtes Prepaid-Angebot». Mit «Primobile» können Eltern über ein passwortgeschütztes Internetportal jederzeit detailliert kontrollieren, wen ihre Kinder anrufen dürfen, ob sie SMS schreiben oder im Internet surfen können. Die Nutzungsoptionen sollen so laut ProJuventute der Medienkompetenz der Kinder angepasst werden können, je älter die Kinder werden. Ziel des Angebots: Besserer Schutz vor den Gefahren der modernen Kommmunikation wie Pornographie, Cybermobbing und Verschuldung.