Hier war das Gedränge besonders gross

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Fest-App sieht RotHier war das Gedränge besonders gross

Forscher der ETH wollten wissen, wo sich am Züri-Fäscht die grössten Menschentrauben bilden. 27'000 Festbesucher machten beim Mega-Experiment mit.

Oliver Wietlisbach
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Oliver Wietlisbach
Am Freitag um 19.15 Uhr bewundern besonders viele Menschen den Hochseilakt von der Fraumünsterbrücke aus, entsprechend wird die Heatmap rot.

Am Freitag um 19.15 Uhr bewundern besonders viele Menschen den Hochseilakt von der Fraumünsterbrücke aus, entsprechend wird die Heatmap rot.

55'000 Downloads, 27'000 aktive Nutzer und 25 Millionen gesammelte Standortpunkte: In Zahlen liest sich die Bilanz der offiziellen Züri-Fäscht-App eindrücklich. Die von der ETH mitentwickelte Smartphone-App übermittelte während der dreitägigen Mega-Sause mit 2,3 Millionen Festbesuchern alle zwei Minuten den Standort der anonymisierten Smartphone-Besitzer in die Einsatzzentrale (siehe Infobox). Dort konnten Forscher und Stadtpolizei auf einer interaktiven Karte live verfolgen, wo sich kritische Menschenansammlungen bildeten.

Mit den Daten konnten sogenannte Heatmaps (siehe Bild) erstellt werden, die zeigen, wo sich zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders viele Menschen aufgehalten haben. «Die Heatmaps stimmen ausserordentlich gut mit den Erfahrungen vor Ort und den erstellten Kamerabildern überein», sagt Projektleiter Ulf Blanke vom Wearable Computing Lab der ETH Zürich. Beispielsweise bewunderten am Freitagabend kurz nach 19 Uhr besonders viele Menschen den Hochseilakt von der Fraumünsterbrücke aus. Auf der Heatmap ist die Brücke, insbesondere die Nordseite, entsprechend rot gefärbt. Das Experiment zeige, «dass ein Bruchteil der Besucher ausreicht, um Hotspots zu identifizieren, bei denen Menschen stehenbleiben, ein Hindernis bilden und so für Verdichtung sorgen», schreibt die ETH.

Menschenmassen bremsen App aus

Ganz reibungslos verlief der Feldversuch dennoch nicht: Am Samstagabend waren die Mobilfunknetze von Swisscom und Co. dem Besucherandrang nicht mehr gewachsen, spätestens während des grossen Feuerwerks ging das Netz vollends in die Knie. Davon war auch die Züri-Fäscht-App betroffen, die die GPS-Daten der App-Nutzer nicht mehr an die ETH funken konnte. Wurde die App, die bei Massenveranstaltungen helfen soll, also selbst ein Opfer der Massen?

Projektleiter Blanke verneint: «Während des Feuerwerks kamen die Daten zwar verzögert in der Einsatzzentrale an, so dass die Stadtpolizei zeitweise keine Heatmap in Echtzeit hatte. Die Daten gingen aber nicht verloren.» Der ETH-Forscher betont, dass es sich um einen Testlauf handelte und sich die Polizei keineswegs nur auf die Informationen aus der Heatmap verlassen habe.

Nächstes Ziel: Besucherströme vorhersehen

Mobilfunknetze werden auch künftig bei grossen Menschenansammlungen an ihre Grenzen stossen. In Zukunft soll es dank den nun gewonnenen Daten aber genauer möglich sein, vorherzusagen, wohin sich die Besucherströme bewegen werden. «Sind die Pfade der Besucher bekannt, lassen sich ihre künftigen Standorte und neuralgische Passagen berechnen», sagt Blanke. So könnten unter anderem blinde Flecken auf der Heatmap, die durch überlastete Mobilfunknetze und somit fehlende Standort-Daten entstehen, abgedeckt werden. Die Polizei könnte folglich ein sich abzeichnendes Menschengedränge genauer vorhersehen, selbst wenn das Handy-Netz zusammenbricht.

Die Analyse der Besucherströme erhöht indes nicht nur die Sicherheit von Grossanlässen, sie gibt dem Veranstalter auch planerische Hinweise. Genauere Auswertungen werden zeigen, an welchen Standorten besonders viel Publikum vorbeiströmte und vor welchen Attraktionen sich die grössten Menschentrauben bildeten. Festveranstalter erhalten so konkrete Hinweise, welche Standorte wie teuer verkauft werden können und welche Attraktionen den Publikumsgeschmack trafen.

Im Dienst der Wissenschaft

Gut 27 000 Festbesucher haben die Züri-Fäscht-App nicht nur installiert, sondern sich auch freiwillig orten lassen. Davon besassen 75 Prozent ein iPhone und 25 Prozent ein Android-Smartphone. Damit die Smartphone-App den Akku der Besucher nicht zu sehr beanspruchte, wurde die Standortbestimmung per GPS automatisch deaktiviert, sobald der Akku auf 30 Prozent der vollen Leistung fiel. (owi)

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