Musterknabe Swisscom erhält Prügel

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Roaming-GebührenMusterknabe Swisscom erhält Prügel

Wenn Swisscom-Kunden in der EU zum Handy greifen, müssen sie ab Juli weniger bezahlen. Doch die Ankündigung des grössten Schweizer Mobilfunk-Anbieters stösst nicht auf grosse Begeisterung.

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Ob in Spanien oder an einem anderen europäischen Strand: Die Roaming-Gebühren sind seit Jahren eine Ferienfalle.

Ob in Spanien oder an einem anderen europäischen Strand: Die Roaming-Gebühren sind seit Jahren eine Ferienfalle.

Die Swisscom senkt per 1. Juli die Gebühren für die mobile Datenübertragung in EU-Ländern. Davon profitieren nicht nur die Abonnenten, sondern auch die Prepaid-Kunden. Neu steht ein Wochenpaket mit 50 Megabytes (MB) zur Verfügung. Aus Sicht der Konsumenten sei dieser Schritt zwar zu begrüssen, schreibt der Internet-Vergleichsdienst Comparis in einer Mitteilung. «Dennoch sind die Roaming-Gebühren weiterhin stark überteuert, wie die weitaus günstigeren Tarife von Anbietern im Ausland zeigen.»

Der grösste Mobilfunk-Anbieter der Schweiz verabschiede sich endlich von einem Datenpaket, das klar am Bedürfnis der meisten Smartphone-Kunden vorbeiziele, schreibt Comparis: Für 24 Franken konnten auch schon bisher 50 MB Daten heruntergeladen werden - aber bloss während 24 Stunden. Neu kann die gleiche Datenmenge während einer ganzen Woche heruntergeladen werden. Zum gleichen Preis. «Damit dürfte das Datenpaket der Swisscom für viele Kunden der interessanteste Tarif fürs Surfen in EU-Ländern sein.»

Das Swisscom-Angebot ist laut Comparis besonders für Leute interessant, die eine Woche in die Ferien fahren und in dieser Zeit nicht auf das mobile Internet verzichten möchten. Sie können ihr Smartphone viel flexibler nutzen als bisher, weil sich das Datenpaket auf die ganze Woche aufteilen lässt.

Vergleich mit der Deutschen Telekom

In ihrer eigenen Medienmitteilung findet die Swisscom lobende Worte. Als einzige Schweizer Anbieterin habe Swisscom seit 2006 die Roaming-Preise regelmässig gesenkt – um bis zu 80 Prozent. Das vermag den Telekom-Experten von Comparis, Ralf Beyeler, nicht zu überzeugen. «Die Swisscom könnte durchaus einen Schritt weiter gehen», hält er fest. Denn die Roaming-Gebühren für den Datentransfer seien weiterhin stark überteuert.

Der Vergleich mit Anbietern in anderen Ländern zeige, dass mehr möglich sei. Die Deutsche Telekom zum Beispiel biete ihren Kunden fürs Surfen im europäischen Ausland ein Paket an, bei dem für umgerechnet rund 18 Franken während einer Woche 100 MB Daten heruntergeladen werden können. Ist diese Menge aufgebraucht, verlangsamt sich einfach die Surfgeschwindigkeit, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. Ein solches Angebot habe Swisscom noch immer nicht.

Alternative: Lokale SIM-Karte oder Tagespaket

Das Fazit von Comparis fällt ernüchternd aus: Trotz des neuen Tarifs dürfte es Swisscom-Kunden in vielen Fällen günstiger zu stehen kommen, in den Ferien eine Prepaid-Karte eines lokalen Anbieters zu kaufen und diese ins Handy einzusetzen. Wer sich diese Mühe nicht machen wolle, für den empfehle sich, mit dem Smartphone oder Tablet keine Dienste zu nutzen, die viele Daten übertragen. «Videos, Musik und Multimedia sollten tabu sein, wenn man sein Ferienbudget nicht überstrapazieren möchte - oder man nutzt das WLAN des Hotels.» Und wer bloss ein paar Tage verreise, fahre mit einem Tagespaket der Swisscom unter Umständen günstiger.

«Ein Riesenärgernis»

Für Sara Stalder von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) sind die Schweizer Roaming-Gebühren «ein Riesenärgernis». Ein Abkommen mit der EU müsse so schnell wie möglich ausgehandelt werden, auch wenn das sicher nicht einfach sei. Im grenzübergreifenden Telefonverkehr müsse die Schweiz mit den umliegenden Ländern gleichgestellt werden. «Wir werden weiter Druck machen», sagte die SKS-Geschäftsleiterin gegenüber 20 Minuten Online. Insbesondere Marktführerin Swisscom habe es wohl alles andere als eilig, sich einer gesetzlichen Regelung zu beugen. Es gehe dem Unternehmen vielmehr darum, seine starke Position zu zementieren, vermutet die Konsumentenschützerin.

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