Fürs iPhone & Co.Swisscom fordert WhatsApp heraus
Der grösste Schweizer Mobilfunk-Anbieter will angeblich den Smartphone-Messengern Konkurrenz machen. Mit Joyn steht ein plattformübergreifender Service am Start.
Lieber spät als nie, dürfte sich der grösste Mobilfunkanbieter der Schweiz sagen: Es deutet einiges darauf hin, dass die Swisscom am kommenden Dienstag einen WhatsApp- und Skype-Herausforderer lanciert. In der Medieneinladung für den 25. Juni ist von einem neuen Produkt die Rede, das den Kunden ermögliche, «mit Swisscom einfach und sicherer weltweit zu kommunzieren». Details werden nicht verraten.
Die «SonntagsZeitung» will aus «zuverlässiger Quelle» erfahren haben, dass der blaue Riese einen eigenen Gratisdienst für Kurznachrichten starte. Der Schluss liegt nah, dass es sich um den schon seit einiger Zeit erwarteten Smartphone-Dienst Joyn handelt.
SMS-Geschäft im Niedergang
Joyn ist ein Marketing-Kunstwort und die Antwort der Mobilfunkbranche auf die boomenden Instant-Messenger-Dienste. Ob Apples iMessage, Facebooks Messenger oder WhatsApp: Immer mehr Kurznachrichten werden gratis per Smartphone-App übers Internet verschickt und nicht mehr als kostenpflichtige SMS. Das einstmals äusserst lukrative Geschäft mit den 160 Zeichen befindet sich im Niedergang. Swisscom und Co. gehen jedes Jahr Millionen-Einnahmen flöten.
WhatsApp ist der weltweite Marktführer unter den Smartphone-Messengern mit mittlerweile 27 Milliarden verschickten Nachrichten pro Tag. Dem «Wall Street Journal» hat das kalifornische Unternehmen diese Woche verraten, dass es über 250 Millionen aktive Nutzer habe.
Offen für alle
Messaging-Dienste wie WhatsApp oder Skype sind erfolgreich, weil sie für verschiedene Plattformen verfügbar sind. Hier kommt Joyn ins Spiel, das den Platzhirschen Konkurrenz machen soll. Die Technik basiert auf dem plattformübergreifenden Standard RCS-e (Rich Communication Suite-enhanced). Dieser ermöglicht die Übertragung von Kurznachrichten, Dateien, Sprache und Videotelefonie via Mobilnetz.
Da Joyn auf Initiative des Verbandes der Mobilfunkanbieter und Gerätehersteller (GSMA) entwickelt wurde, sind viele bekannte Namen an Bord. Ob HTC, Nokia, BlackBerry, Samsung, Sony oder Huawei. Ziel ist es, die Joyn-App auf möglichst vielen Mobilgeräten auszuliefern, respektive nachträglich zu installieren. Nur Apple wehrt sich laut Medienberichten gegen eine Vorinstallation auf neuen iPhones.
Das Killer-Feature?
Um die Kunden von den populären Messaging-Diensten wegzulocken, muss Joyn mit einem Killer-Feature aufwarten. Das könnte eine Daten-Flatrate sein. Sprich: Die via Joyn übertragenen Daten, ob Texte, Bilder, Audio-Dateien oder Filme, würden nicht dem (monatlichen) Datenvolumen belastet. So könnte man auch unterwegs stundenlang Video-Chats führen oder Dateien versenden, ohne dass Zusatzkosten anfallen.
Ein gewichtiger Punkt ist auch der Schutz der sensiblen Nutzerdaten. Im Vergleich zu WhatsApp & Co. soll Joyn um Welten sicherer sein – ein schlagendes Argument nach dem Schnüffelskandal rund um die US-Geheimdienste. Zudem werden die auf den Geräten gespeicherten Kontakte (Telefonbucheinträge) nicht auf einem zentralen Server gespeichert. Auch aus rechtlicher Sicht gibt es Vorteile gegenüber den US-Konkurrenten: So entspricht Joyn den (strengeren) europäischen Datenschutzgesetzen.
Pannenstart in Deutschland
In Deutschland ist Joyn mit ziemlichen Turbulenzen lanciert worden. Deutsche Medien berichteten im Frühjahr von einem Pannenstart: Bei vielen Android-Nutzern habe der Dienst zunächst nicht wie gewünscht funktioniert. Die Mobilfunk-Anbieter Telekom und Vodafone sprachen denn auch nicht von der Einführung eines pfannenfertigen Produkts, sondern von einer Beta-Version.
Bis zu einer weltweiten Verbreitung ist es ein weiter Weg. Derzeit ist Joyn in neun Ländern bei zahlreichen Providern verfügbar, darunter Spanien, die USA und seit dieser Woche auch Frankreich.
Die Joyn-App ist für die populärsten Smartphone-Systeme iOS (Apple) und Android verfügbar. Und Nokia bringt eine Version für Microsofts mobiles Betriebssystem Windows Phone 8 heraus. Allerdings muss jeder Mobilfunkanbieter eigene Apps für die Kunden bereitstellen, der Funktionsumfang kann variieren.
Sunrise will nicht bestätigen
Beim Swisscom-Konkurrenten Sunrise heisst es, Joyn sei nach wie vor ein Thema, das mit Interesse verfolgt werde. Sunrise setze sich wie die anderen Schweizer Telekom-Anbieter mit den Möglichkeiten des Joyn-Standards auseinander. «Es gibt eine Arbeitsgruppe, in der wir das Thema gemeinsam regelmässig erörtern. Zu Details werden wir zu gegebener Zeit Stellung nehmen.»
Auch bei Orange heisst es, man evaluiere die technischen Aspekte der Rich Communications Services. «Wann RCS-Dienste in der Schweiz angeboten werden, können wir heute noch nicht sagen.»
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