«Wir müssen jetzt laut werden»

Aktualisiert

Piratendemo in Zürich«Wir müssen jetzt laut werden»

Die Schweizer Piratenpartei ruft zur öffentlichen Kundgebung gegen ACTA auf. Der Parteipräsident erklärt, warum das Anti-Piraterie-Abkommen gefährlich ist und was man dagegen tun kann.

Daniel Schurter
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Daniel Schurter
Im Ausland gab es bereits öffentliche Kundgebungen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen. Demonstranten trugen als Zeichen des anonymen Protests die Guy-Fawkes-Maske.

Im Ausland gab es bereits öffentliche Kundgebungen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen. Demonstranten trugen als Zeichen des anonymen Protests die Guy-Fawkes-Maske.

Am Samstag findet ein weltweiter Aktionstag gegen das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) statt. Auch in der Schweiz sollen die Menschen auf die Strasse gehen und gegen das Anti-Piraterie-Abkommen protestieren. Im Interview mit 20 Minuten Online nimmt der Präsident der Schweizer Piratenpartei, Denis Simonet, Stellung.

Warum muss ACTA aus Ihrer Sicht bekämpft werden?

Denis Simonet: Mit diesem Abkommen soll legitimiert werden, was in Frankreich und den USA schon länger üblich ist: Die Interessen der Rechteinhaber werden höher gewichtet als die Meinungsfreiheit. Und das in einer Zeit, die das Konzept «Geistiges Eigentum» grundsätzlich in Frage stellt. Mit ACTA wird genau dieses überholte Verständnis zementiert - mehr noch: Fundamentale Rechte moderner Demokratien werden in Frage gestellt, weil eine gierige Industrie den Untergang der Kultur prophezeit.

Haben Sie die Bewilligung für die Kundgebung erhalten?

Ja, sie ist genehmigt. Wir werden diesen Samstag ab 13 Uhr auf dem Helvetiaplatz in Zürich gegen ACTA demonstrieren. Die Devise der Stopp-ACTA-Kundgebung lautet «Kommt zahlreich und mobilisiert eure Freunde!»

Warum sollen die Bürger auf die Strasse gehen?

Der arabische Frühling hat gezeigt, dass das Internet ein wichtiges Instrument zur Ausübung der Meinungsfreiheit ist. Die Allgemeinheit muss wissen, dass viele Menschen besorgt sind und sich diese Möglichkeit nicht nehmen lassen. Ob Blogger, Twitterer oder Surfer: Alle sind von den Folgen betroffen. Doch niemand von ihnen wurde bisher erhört. Wir müssen jetzt so laut werden, dass man uns nicht weiter ignorieren kann.

Die ACTA-Verhandlungen wurden hinter verschlossenen Türen geführt. Wie haben Sie trotzdem davon erfahren?

Über das Internet. Es wurde nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass verhandelt wird. Die Inhalte der Verhandlungen hingegen waren und sind noch heute geheim. Dabei muss ich hervorheben, dass sich das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum grosse Mühe gegeben hat, den Umständen entsprechend auf möglichst alle unserer Fragen zu antworten. Doch Verhandlungen nach demokratischen Prinzipien sehen anders aus - die Welt wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne dass irgendjemand seine Interessen hätte vertreten können.

Bringt ACTA eine strengere Internet-Regulierung?

Kurzfristig nicht. Doch ACTA beinhaltet viele Kann-Bestimmungen. Es wird nicht lange dauern, bis Staaten wie die USA darauf drängen, dass auch diese erfüllt werden. Wie schnell daraus konkrete Vorstösse werden können, sieht man aktuell am Bankgeheimnis.

Wie wäre der «normale» Internet-Nutzer betroffen?

Wenn es einer Branche schlecht geht, greift sie nach jedem Strohhalm. Doch die Zeiten ändern sich und das lässt sich durch kein Gesetz verhindern. Heute bestellt man Bücher nun mal auf Amazon und heute saugt oder streamt man seine Musik statt sie auf CD zu kaufen. Bei Vorlagen wie der Buchpreisbindung oder ACTA ist eines klar: Am Ende haben immer die Kunden das Nachsehen. Sei es, weil sie keine Rabattaktionen bei Ex Libris mehr geniessen oder weil sich auf YouTube die Meldung häuft: «Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar».

Was kann auf politischem Weg noch getan werden?

In der Schweiz haben wir diverse Möglichkeiten, Einfluss auf den weiteren Verlauf zu nehmen. Bevor das Parlament über die Ratifizierung von ACTA entscheidet, gibt es ein Vernehmlassungsverfahren. Natürlich können die Interessengruppen auch lobbyieren und zu guter Letzt steht immer noch der Weg des fakultativen Referendums offen, um die Ratifizierung zu verhindern.

Der Leiter der Schweizer ACTA-Delegation sagte gegenüber «NZZ Online», dass die ACTA-Teilnahme zu keinen Änderungen in Schweizer Gesetzen führe.

ACTA in der aktuellen Form verlangt keine Änderungen an der Gesetzgebung, damit die Schweiz das Abkommen unterzeichnen kann. Doch der internationale Druck, der durch solche Abkommen entsteht, darf nicht unterschätzt werden. Zudem kann das Abkommen jederzeit durch einen eigens dafür geschaffenen Ausschuss erweitert werden. Während einige der problematischsten Klauseln inzwischen entschärft wurden, ist die Richtung, die mit ACTA eingeschlagen werden soll, klar: Das Ziel ist ein weiterer Ausbau von repressiven Massnahmen gegen die freie Nutzung des Internets.

Wie erklären Sie sich die Geheimniskrämerei, die betrieben wurde?

Einerseits werden internationale Abkommen oft auf diese Art verhandelt. Meist ist der Umfang und das Ausmass aber nicht so gross, wie es bei ACTA der Fall ist. Und da liegt das Problem: Bei einem solchen Abkommen erwartet der Demokrat, dass Interessenvertreter auf beiden Seiten zu Wort kommen und dass die Öffentlichkeit von Anfang an einbezogen wird. Es ist natürlich bequemer, umstrittene Methoden wie Internetverbote in das Abkommen einfliessen zu lassen, wenn die Welt zum Schluss vor vollendete Tatsachen gestellt wird.

Das Interview mit Denis Simonet wurde schriftlich geführt.

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