Erster Weltkrieg live: Bloggen aus dem Schützengraben
Im Internet finden sich zahlreiche Weblogs aus Kriegs- und Krisengebieten. Eine ungewöhnliche Ausgabe sorgt derzeit in Grossbritannien für Furore.
Ein Soldat berichtet über seine Erfahrungen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Selber bloggt William Henry Bonser Lamin, genannt Harry, nicht mehr. Er wäre heute 120 Jahre alt. Es ist sein 59-jähriger Enkel Bill Lamin, der Briefe seines Grossvaters unter dem Titel «WW1: Experiences of an English Soldier» ins Netz stellt, und zwar jeweils auf den Tag genau 90 Jahre, nachdem Harry sie geschrieben hatte.
Bill Lamin hatte die Briefe vor einigen Jahren im Haus seiner Eltern gefunden und seinen Blog im Juli 2006 eröffnet, 90 Jahre nachdem der damals 29-jährige Harry Lamin in die britische Armee einberufen wurde. Die Briefe hatte der Textilarbeiter aus der Grafschaft Derbyshire an seinen Bruder und seine Schwester geschickt.
Die Briefe dokumentieren das Leben eines Soldaten zwischen Banalitäten und den Schrecken des Krieges. Die letzten Einträge etwa betreffen Dankesschreiben für Weihnachtsgeschenke, in anderen beklagt sich Harry über unbequeme Unterkünfte. Dann wieder liefert er ein anschauliches Bild eines Krieges, der Millionen von Soldaten das Leben gekostet hat. «Fritz kam um 5 Uhr morgens … sie brachten Flammenwerfer mit und Bomben», schreibt er zu einem deutschen Angriff auf seine Stellung in den Schützengräben von Flandern.
Bemerkenswert ist nicht nur der Blog an sich, sondern auch die Resonanz. Fast 70 000 Mal wurde Harry Lamins Profil bereits angeklickt, zu den Einträgen werden zahlreiche Kommentare verfasst. Häufig melden sich User, die Verwandte im Ersten Weltkrieg verloren haben. Bill Lamin zeigt sich «überwältigt» von den Reaktionen, die inzwischen aus der ganzen Welt eintreffen: «Der Blog fesselt die Leute», so sein Fazit.
Eine Frage treibt die Leser vor allem um: Wird Harry den Krieg überleben? Sein Enkel liefert im Blog keine Anhaltspunkte. Tatsache aber ist, dass Harry Lamin damals bereits verheiratet und Vater eines Sohnes war. Möglich ist also alles. Die Auflösung erfolgt spätestens am 11. November. An diesem Tag vor 90 Jahren trat der Waffenstillstand in Kraft, der erste Weltkrieg war zu Ende.
(pbl)
Erster Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg wurde von 1914 bis 1918 geführt und forderte über neun Millionen Menschenleben. Er wurde in erster Linie zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn auf der einen Seite und Frankreich, Großbritannien, Russland und Serbien auf der anderen Seite ausgetragen. Der Erste Weltkrieg war der erste Krieg, der mit einem massiven Materialeinsatz (Panzer, Flugzeuge, Luftschiffe) und mit Massenvernichtungswaffen (Giftgas) geführt wurde. Die Fronten bewegten sich, vor allem im Westen, dennoch kaum. Im endlosen Stellungskrieg rieben sich die Truppen gegenseitig auf. Insbesondere auf den Schlachtfeldern vor Verdun und in Flandern fielen auf beiden Seiten Hunderttausende von Soldaten, ohne dass sich etwas an der militärischen Lage änderte. Auch deswegen stellt sich der Erste Weltkrieg als ein Krieg dar, der an Grauen alles bis dahin Bekannte übertraf.