Der «Nebelwarner» sorgt für Furore

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Nebelkarte.chDer «Nebelwarner» sorgt für Furore

Die Hochschule Rapperswil macht mit einem spannenden Projekt eines der meistgehassten Wetterphänomene sichtbar. Nach Server-Problemen läuft der Online-Dienst nun rund.

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Die Online-Nebelkarte greift auf öffentlich zugängliche Webcams zu. Am Dienstagmorgen stand der Service nur eingeschränkt zur Verfügung.

Die Online-Nebelkarte greift auf öffentlich zugängliche Webcams zu. Am Dienstagmorgen stand der Service nur eingeschränkt zur Verfügung.

Die Schweizer Online-Nebelkarte nebelkarte.ch war am Dienstag während Stunden nicht zu erreichen. Offenbar wurden die Server der Hochschule Rapperswil von zu vielen Anfragen in die Knie gezwungen.

Das Interesse am Forschungsprojekt ist berechtigt. Es macht ein ungeliebtes Wetterphänomen greifbar. Wer die Online-Karte betrachtet, darf sich aber nicht täuschen lassen. Selbst wenn darauf zahlreiche Sonnensymbole prangen, muss dies keineswegs bedeuten, dass der Himmel blau ist.

Tatsächlich beziehen sich die Sonnensymbole nur auf die Situation am Boden, wie der Hochschuldozent Stefan Keller gegenüber 20 Minuten Online erklärt. Vor zwei Jahren hatte der Geoinformatiker die Idee, den Nebel auf einer Online-Karte sichtbar zu machen. Das funktioniert mithilfe von Webcams, die über das Land verteilt sind.

Grautöne messen

Rund 70 Webcams werden im Rahmen des Projekts bereits angezapft und die gesammelten Bilder werden auf den Hochschul-Servern ausgewertet. Diese Aufgabe übernimmt ein Computer-Programm, das Informatikstudenten unter Kellers Betreuung geschrieben haben. Die Software bestimmt durch die Analyse von Grautönen, ob Bodennebel herrscht. Gemäss gängiger Definition der Meteorologen ist das der Fall, wenn ein Objekt auf 1000 Meter nicht mehr zu erkennen ist.

Wer auf der Nebelkarte mit dem Mauszeiger über die Webcam-Standorte fährt, sollte die aktuelle Aufnahme sehen. Die Funktion stand am Dienstag allerdings vorübergehend nicht zur Verfügung. Überhaupt bereitete die Erreichbarkeit der Website den Verantwortlichen Sorgen, nachdem der «Tages-Anzeiger» über das Projekt berichtete hatte. «Wir versuchen das Pröblem so schnell wie möglich zu lösen», sagte Projektleiter Keller. Am späteren Nachmittag war die Website wieder normal zu erreichen.

Studenten suchen neue Quellen

Nebelkarte.ch greift auf öffentlich zugängliche Daten zu. Dieses Vorgehen habe viele Vorteile, sagt Keller. Jede Viertelstunde könne automatisch gemessen werden. Dadurch sei die Karte, die nur bei Tageslicht funktioniere, topaktuell.

Zusätzliche Webcam-Standorte sollen nun laufend hinzugefügt werden. Die Suche nach geeigneten Quellen übernehmen Studenten. Damit Aufnahmen ausgewertet werden können, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. So muss ein fixes Objekt (z.B. ein Baum) markiert werden können, das rund einen Kilometer von der Kamera entfernt liegt.

Mit Tilt-Algorithmus

Die Webcams müssen immer den gleichen Ausschnitt des Geländes filmen. Dazu haben die Informatiker einen sogenannten «Tilt-Algorithmus» entwickelt: Das Computer-Programm soll erkennen, wenn sich der Bildausschnitt verschiebt, etwa weil eine Katze die Webcam malträtiert hat. Dann wird auf der Online-Karte das Symbol «Kein Messbetrieb» eingeblendet.

Keller versichert, dass die Online-Nebelkarte auch bei Schnee und Regen funktioniere und den Bodennebel erkenne. «Wir haben verschiedene Bildverarbeitungs-Algorithmen ausprobiert.» Das Messen des Grauwertbereichs habe sich als äusserst zuverlässig erwiesen. Die Trefferquote liege fast bei 100 Prozent.

Hochnebel erkennen

Die Nebelkarte wird laufend weiterentwickelt. In einer nächsten Version soll auch der Hochnebel automatisch erkannt werden. «Das ist bereits aufgegleist», sagt Keller. Weil die Webcams hauptsächlich in horizontaler Richtung filmen, sei dazu ein zusätzlicher Informationskanal erforderlich. Das private Meteorologie-Unternehmen Meteomedia wird die entsprechenden Daten zur Verfügung stellen. Die von den Meteorologen errechnete Hochnebelgrenze soll dann mithilfe eines Geländemodells auf der Online-Nebelkarte abgebildet werden. Spätestens in einem Jahr soll die Nebelkarte bei meteocentrale.ch unter der Rubrik Freizeitwetter veröffentlicht werden.

Gemäss dem Auftrag der Hochschule Rapperswil, angewandte Forschung zu betreiben, kommen neueste Web-Technologien zum Einsatz. Stefan Keller legt insbesondere auch Wert auf den freien Austausch von Informationen. Das Kartenmaterial wird nicht von Google Maps bezogen, sondern von «Open Street Map» zur Verfügung gestellt. Das Projekte hat das Ziel, eine «freie Weltkarte zu erschaffen». Die von Freiwilligen gesammelten Geodaten können von jedermann lizenzkostenfrei genutzt werden.

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