Saugen bleibt legalDer Bund hat ein Herz für Musik-Downloader
Der Bundesrat lässt Downloader an der langen Leine. Obwohl angeblich ein Drittel der Bevölkerung über 15 Jahre gratis Musik, Filme oder Games aus dem Netz saugen soll, bleibt das Herunterladen legal.

Der Bund will keine härteres Vorgehen gegen das kostenlose Herunterladen von Musik oder Filmen aus dem Netz.
Jede dritte Person über 15 Jahre lädt in der Schweiz Musik, Filme und Spiele aus dem Internet herunter, ohne dafür zu bezahlen. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht, den der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat und zahlreiche Online-Medien unreflektiert verbreitet haben.
Schaut man sich das Papier genauer an, fällt auf, dass für die Schweiz keine einzige nationale Studie existiert, die eine solche Aussage über die Anzahl Downloader belegen würde. Es «existieren keine Statistiken von offizieller Seite zur Piraterie im Internet», ist im Bericht zu lesen. Die Autoren haben Zahlen einer niederländischen Studie zum Downloadverhalten auf die Schweizer Bevölkerung hochgerechnet, was im Bericht auch offengelegt wird.
Da die Bevölkerungsstruktur, die Internetdurchdringung und die Kaufkraft in beiden Ländern vergleichbar sind, gehen die Autoren davon aus, dass sich die Zahlen aus den Niederlanden auf die Schweiz übertragen lassen. So kommt die Zahl von 2,61 Millionen potenziellen Downloader zustande, was rund einem Drittel der Bevölkerung entspricht. Konkret rechnen die Autoren mit 2,37 Millionen Musik-Downloader, 0,77 Millionen Film-Downloader und 0,53 Millionen Spiele-Downloader.
Downloaden bleibt legal
Obwohl der Bericht konstatiert, dass Online-Tauschbörsen für Musik, Filme oder Spiele hierzulande intensiv genutzt werden, kommt der Bundesrat zum Schluss, dass das Urheberrecht nicht angepasst werden muss. Zu Deutsch: Das blosse Downloaden bleibt in der Schweiz wie gehabt legal.
Das Internet habe die Nutzung von Musik, Filmen und Computerspielen zwar fundamental verändert. Auf das kulturelle Schaffen in der Schweiz wirke sich dies jedoch nicht nachteilig aus. Denn das Geld, das die Internetnutzer beim kostenlosen Herunterladen sparten, gäben sie weiterhin für den Konsum im Unterhaltungsbereich aus.
Konzerte und Kino statt CD-Käufe
Statt für eine CD zahlen die Konsumenten einfach vermehrt für Konzerte, Kinobesuche oder Merchandising, wie es in dem Bericht heisst. Von dieser Entwicklung seien vor allem die grossen ausländischen Produktionsfirmen betroffen. Diese müssten sich anpassen. Das «nationale Kulturschaffen» werde nicht tangiert.
Die direkte Befragung der interessierten Kreise habe gezeigt, dass eine klare Aussage über die Auswirkungen der Tauschbörsen im Internet nicht möglich sei. Während ein Teil der Künstler und Firmen die technische Entwicklung für ihre Verluste verantwortlich macht, sagen andere, dass in ihrem Bereich die Umsätze seit Jahren stabil geblieben seien. Auch die vorhandenen Studien aus dem Ausland lassen keine eindeutige Schlussfolgerung für die Situation in der Schweiz zu, heisst es im Bericht weiter.
Die Piraterie-Studie aus den Niederlanden legt die Folgerung nahe, dass vielen Downloadern die Rechtslage kaum bekannt sein dürfte. Zudem ist ihnen nicht bewusst, dass sie über Peer-to-Peer Netzwerke ihre Musik oder Filme in der Regel auch anderen Nutzern zugänglich machen, also selbst Inhalte hochladen. In der Schweiz ist das Herunterladen von Liedern oder Filmen im Gegensatz zum Ausland legal, nicht aber der Upload.
Downloads kompensieren Verluste nicht
Kaum zufrieden mit dem Bericht des Bundesrats ist der Dachverband der Tonträgerproduzenten der Schweiz (IFPI): Im Kampf gegen die Piraterie im Internet brauche es bessere gesetzliche Rahmenbedingungen, teilte IFPI im vergangenen Frühling bei der Präsentation der Verkaufszahlen 2010 mit.
Im Jahr 2010 war der Umsatz mit physischen Tonträgern in der Schweiz im Vorjahresvergleich von 144 auf 121 Millionen Franken (-16 Prozent) gesunken. Bezahlte digitale Downloads legten in der Schweiz um 11 Prozent von 23,7 auf 26,3 Millionen Franken zu. Gemäss dem IFPI-Weltverband sind weltweit 95 Prozent der heruntergeladenen Musik immer noch illegal.
Mit dem Bericht erfüllt der Bundesrat ein Postulat von Ständerätin Géraldine Savary (SP/VD) vom März 2010. Der Ständerat hatte den Bundesrat mit der Annahme des Postulats beauftragt, zu prüfen, ob Massnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen nötig sind.
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