DatenschutzWie viel darf der Chef wissen?
Das Unternehmen Honeywell hat auf Rechnern tausender Mitarbeiter heimlich eine Spionagesoftware installiert. 20 Minuten Online hat nachgefragt, ob Arbeitnehmer in der Schweiz gegen Spionage am Arbeitsplatz geschützt sind.
Der US-Konzern Honeywell produziert unter anderem Triebwerke, chemische Produkte und Haustechnik. Ein Programm zum Überwachen von Mitarbeitern liefert das Unternehmen allerdings nicht. Auf ihrer Suche nach einem solchen stiess die Sicherheitsabteilung wahrscheinlich auch auf die Webseite der Firma Guidance Software: «Sammeln Sie Informationen mit einer Software, deren Daten weltweit am häufigsten vor Gericht verwendet wurden», wirbt das kalifornische Unternehmen dort für sein Programm EnCase.
Das Angebot überzeugte Honeywells Entscheidungsträger wohl, denn wie der «Spiegel» berichtet, sollen sie das Programm auf fast allen Rechnern ihrer Mitarbeiter installiert haben. Laut internen Unterlagen soll dies auch auf den Computern der fast 6000 deutschen Angestellten geschehen sein. Nur zufällig wurden sie auf das Spionage-Tool aufmerksam: Ein externer IT-Servicemitarbeiter entdeckte es bei Wartungsarbeiten. Seitdem laufen Arbeitnehmervertreter Sturm gegen EnCase und verlangen die sofortige Entfernung der Software von allen PCs. In einer Stellungnahme von Honeywell hiess es, man werde mit dem Betriebsrat verhandeln, um einen Kompromiss zwischen Sicherheitsinteressen der Firma und Persönlichkeitsrechten der Mitarbeiter zu finden. Dass mit EnCase nach der Installation auch Daten gesammelt wurden, dafür gibt es laut «Spiegel» aber bislang keinen Beweis.
EnCase kopiert die Festplatte des jeweiligen Rechners, wertet E-Mails aus und erstellt Besuchsprotokolle für bestimmte Internetseiten. Der Ausspionierte bekommt von all dem nichts mit, denn die Software lässt sich fernsteuern. «Wir wollen EnCase in Europa aber nur dazu einsetzen, unsere hochsensiblen Firmendaten vor dem Zugriff von Unbefugten zu schützen», sagte eine Honeywell-Sprecherin 20 Minuten Online. Das Unternehmen beschäftigt hierzulande etwa 500 Mitarbeiter.
Arbeitnehmer in der Schweiz müssen informiert werden
«Die präventive Installation von Überwachungssoftware ist hierzulande nicht unbedingt verboten, wenn sie erst bei einem Verdacht aktiviert wird. Auf jeden Fall müssen die Arbeitnehmer aber informiert werden, dass die Möglichkeit einer Überwachung besteht», sagt Rechtsanwalt Matthias Häuptli von der Basler Kanzlei Staehelin. Informationen dazu findet man beispielsweise im Firmenreglement oder im Arbeitsvertrag. In Artikel 26, Verordnung 3 des Arbeitsgesetzes steht: «Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen sollen, dürfen nicht eingesetzt werden». Firmen dürfen also nicht ohne Weiteres Webcams installieren oder die Tastatureingaben ihrer Angestellten speichern. «Wenn der Datenschutz zahlreicher Personen systematisch verletzt wird, besteht die Möglichkeit, dass der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte eine Untersuchung durchführt und eine verbindliche Empfehlung abgibt», so Häuptli weiter. Ausserdem gelte die Verletzung von Datenschutzbestimmungen als Persönlichkeitsverletzung, gegen die sich betroffene Arbeitnehmer mit einer Klage vor Arbeitsgericht wehren könnten.
Mitunter setzen Unternehmen wie die UBS, Coop und die Post aber auch auf ein viel einfacheres Mittel als eine Software, um privates Surfen am Arbeitsplatz zu verbieten. Sie sperren Seiten wie Facebook ganz einfach für ihre Angestellten.