Unvergessene EM-MomenteDie goldene EM von Fussballgott Platini
Nie hat ein Spieler eine EM mehr dominiert als Michel Platini 1984 in Frankreich. Er führte sein Land zum ersten Titel. Mit neun Toren ist er noch immer ewiger Torschützenkönig.

Paradedisziplin Freistoss: Übung macht den Meister.
Michel François Platini ist als Chef der UEFA dieser Tage quasi Gastgeber der EM. Während er das Turnier heute als Funktionär lenkt, prägte er es 1984 als Spieler: Als genialer Spielmacher führte der damals 29-Jährige Frankreich zum ersten Titel bei einer Europameisterschaft.
Das Kind italienischer Einwanderer krönte mit dem Turnier ein glanzvolles Fussballjahr: Mit Juventus Turin wurde er italienischer Meister und gewann den Europapokal der Pokalsieger. Ausserdem wurde er 1984 zu Frankreichs und Europas Sportler des Jahres gekürt sowie Italiens und Europas Fussballer des Jahres. Nachdem er schon in der Seria A mit 20 Treffern Torschützenkönig gewesen war, sollte er auch an der EM am häufigsten einnetzen: Neunmal versenkte er die Kugel. Das hat dem Franzosen bisher noch keiner nachgemacht.
«Geh beiseite, Henry. Ich mache ihn»
Platini hatte bereits als 20-Jähriger sein Debüt im National-Dress gefeiert. Obwohl er der Neue war, übernahm er umgehend eine Aufgabe, die ihm besonders am Herzen – und im Fuss lag. «Es gab einen Freistoss und Henry Michel war derjenige, der immer die Freistösse geschossen hat», erinnerte sich Dennis Chaumier, Chefredaktor von «France Football», in der Dokumentation «Football's Greatest: Michel Platini». «Und Michel sagte zu ihm: ‹Geh beiseite, Henry. Ich mache ihn.› Er entschied, er schoss und er traf.»
In der Vorrunde des EM-Turniers 1984 im eigenen Land trafen Platinis Franzosen auf Dänemark, Belgien und Jugoslawien. Im ersten Spiel schiesst Michel Platini das goldene Tor, im Match gegen den Nachbarn aus dem Westen erzielt er drei von fünf Treffern. Mit zwei Siegen im Rücken trifft das Team auf die starke Mannschaft auf Jugoslawien.
Michel Platinis Treffer ist das einzige Tor im Spiel gegen Dänemark. Quelle: YouTube/11caumartin
Der Franzose Manuel Amoros sieht nach dieser Kopfnuss gegen den Dänen Jesper Olsen in der 87. Minute die rote Karte. Quelle: YouTube/CadenWolves
Beim 5:0-Erfolg gegen Belgien steuerte Platini drei Treffer bei, einer davon als Penalty. Hier das 5:0. Quelle. YouTube/11caumartin
Die Partie gegen Jugoslawien unter dem Schweizer Schiedsrichter André Daina verlief dramatisch. Die Osteuropäer führten zum Pausentee mit 1:0, doch in Halbzeit zwei dreht Michel Platini mit einem Hattrick das Spiel. Einmal trifft er mit dem Fuss, einmal mit dem Kopf und einmal per Freistoss - seiner Lieblingsdisziplin, die er bei seinem ersten Profi-Klub AS Nancy perfektioniert hat.
Geübt hatte er damals mit Jean-Michel Moutier: Er legte mit dem Goalie Sonderschichten ein. «Wir haben uns zwei- oder dreimal in der Woche nach dem Training getroffen, wenn das Wetter gut war. Es gab diese Freistoss-Wettbewerbe. Wir haben das 30 bis 60 Minuten gemacht.» Es hat sich gelohnt: Das 3:1 gegen Jugoslawien erzielt Platini mit einem ruhenden Ball aus 20 Meter Entfernung. Der Freistoss ist mit 61 Kilometern pro Stunde zwar langsam, aber zu präzise für den generischen Goalie, wie das unten stehende Video zeigt.
Traumtore: Drei Platini-Treffer führen Frankreich gegen Jugoslawien auf die Siegerstrasse. Quelle: YouTube/worldsoccerpl
Frankreich steht im Halbfinale gegen Portugal und erlebt ein Déjà-vu. Bei der WM 1982 in Spanien hatte Platini die Équipe Tricolore ebenfalls bis ins Halbfinale geführt, wo West-Deutschland auf sie wartete. «Wir gingen durch jede erdenkliche Emotion. Wir haben wegen einer grossen Ungerechtigkeit verloren», findet die Fussballlegende Platini mit Blick auf ein übles Foul, bei dem Goalie Harald Schumacher einem Franzosen das Kinn brach. Im Penaltyschiessen siegte die DFB-Elf. Den Titel gewann allerdings 1982 Italien.
Zwei Jahre später sollte gegen Portugal alles anders kommen. «Dieses Turnier von 1984 war so wichtig für uns. Wir waren die Ausrichter, wollten uns im Vergleich zu 1982 unbedingt verbessern und waren Favoriten», erinnerte sich der heutige UEFA-Funktionär. Die Partie wurde erst in der Verlängerung entschieden. Wer der Schütze des erlösenden Treffers war, muss wohl nicht erwähnt werden. «Das war das Schlüsselspiel. Sie weigerten sich, sich schlagen zu lassen», analysiert Denis Chaumier.
Durch seinen Treffer in der Nachspielzeit liess Michel Platini Frankreich im Halbfinale über Portugal triumphieren. Quelle: YouTube/ytfbasw
Im Finale sechs Tage nach seinem 29. Geburtstag wollte Platini mit Hilfe seines «magischen Vierecks» den ersten Titel holen. Neben ihm gehörten Alain Giresse, Jean Tigana und Luis Fernández dazu. Letzterer sagte über seinen Mnnschaftskapitän: «Es ist wie bei allen grossen Teams. Maradonna bei Argentinien, Cruyff bei Holland: Jede grossartige Generation hat einen grossartigen Spieler, der den Unterschied ausmacht.»
Nach Platinis erstem Tor machte Stürmer Bruno Ballone den Sieg gegen Spanien im Finale perfekt. «Er hat den Wettbewerb dominiert wie es kein Spieler jemals getan hat», lobte Chaumier den «Fussballgott», schränkte aber ein: «Eine Ausnahme ist vielleicht Maradona bei der WM 86.» Ex-Kicker Fernández ergänzte: «Es war Frankreichs erste Teamsport-Trophäe. Am Ende waren wir angekommen und konnten gewinnen. Wir wussten von da an, dass wir rausgehen und gewinnen konnten. Und das war eine grosse Veränderung im französischen Fussball.»
Stilvoll: Platinis zehn schönste Tore. Quelle: YoTube