Unvergessene EM-MomenteMit dem «Blonden Engel» gegen die «Roten Teufel»
Leere Stadien und unattraktive Spiele: Die EM 1980 in Italien war die langweiligste der Geschichte. Nur ein Spieler ragte heraus - in seinem einzigen grossen Turnier.
Bei einigen Spielen an der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine waren Lücken auf den Tribünen zu erkennen. Für manche Berichterstatter war dies ein Grund, den Notstand auszurufen. Sie können oder wollen sich wohl nicht daran erinnern, wie es an der EM 1980 in Italien aussah. Bei den meisten Partien herrschte gähnende Leere in den Stadien und es wurden kaum mehr als 10 000 Zuschauer gezählt. Absoluter Tiefpunkt war das Spiel zwischen Griechenland und der Tschechoslowakei: Die Zuschauerzahl im Römer Olympiastadion (Fassungsvermögen: 80 000) betrug 4726.
Erstmals wurde eine Fussball-Europameisterschaft in Turnierform mit zwei Vierergruppen ausgetragen. Und erstmals waren die Gastgeber direkt qualifiziert. Doch die italienischen Tifosi hatten wenig Lust auf Fussball. Im Vorjahr war ein Bestechungsskandal aufgeflogen, in den unter anderem das Stürmertalent Paolo Rossi verwickelt war. Das drückte auf die Stimmung: Nicht einmal die Spiele der Azzurri waren ausverkauft. Die unattraktive Spielweise der meisten Mannschaften liess ebenfalls keine Hochgefühle aufkommen.
Belgiens Abseitsfalle
Ein Team bewies darin besondere Fertigkeiten: Belgien. Die «Roten Teufel» hatten zuvor im Weltfussball keine grossen Spuren hinterlassen. In Italien aber düpierten sie ihre Gegner mit einer Abseitsfalle, die ihr Trainerfuchs Guy Thys zur Perfektion entwickelt hatte. Unzählige Male liessen sie die gegnerischen Stürmer ins Offside laufen, und wenn diese einmal durchkamen, war beim überragenden Torhüter Jean-Marie Pfaff Endstation. Als krasser Aussenseiter setzte sich Belgien in der «Todesgruppe» gegen Italien, England und Spanien durch.
Im Final vor 47 864 Zuschauern im halb vollen Römer Olimpico trafen die Belgier auf Deutschland, das in der anderen Gruppe den Sieg geholt hatte, unter anderem mit einem 3:2 gegen Erzrivale Holland im besten Spiel des Turniers. Diesmal halfen dem Underdog auch die Abseitsfalle und ein geschenkter Penalty – Uli Stielike hatte Raymond Mommens vor der Strafraumgrenze gefoult – nicht mehr: In der 88. Minute erzielte HSV-Stürmer Horst Hrubesch den 2:1-Siegtreffer und machte dabei seinem Übernamen «Kopfballungeheuer» alle Ehre.
Schusters einmaliger Auftritt
Die Deutschen waren zum zweiten Mal nach 1972 Europameister, und das vollauf verdient. Sie hatten die beste Mannschaft und den herausragendsten Spieler, den erst 20-jährigen Bernd Schuster. Der «Blonde Engel» setzte in Italien die spielerischen Glanzlichter. Niemand ahnte, dass es bereits sein letztes grosses Turnier mit der Nationalelf war. Zwei Jahre später an der WM in Spanien fehlte Schuster wegen einer Verletzung, danach verkrachte er sich mit Bundestrainer Jupp Derwall. Spätere Anläufe zu einem Comeback scheiterten ausnahmslos, nicht zuletzt wegen Bernd Schusters dominanter Frau und Managerin Gaby.