Meier zum Fehlentscheid«Die Torraum-Technologie wird kommen»
Die Ukraine schäumt nach dem aberkannten Tor vor Wut. Wie kann ein solcher Fehler passieren? Muss die Uefa über die Bücher? Ohne Zweifel, findet Ex-Spitzenschiedsrichter Urs Meier.
Wenn er diese Bilder zur Verfügung gehabt hätte, hätte wohl auch Schiedsrichter Kassai auf Tor entschieden.
Noch am Montag lobte UEFA-Chef Michel Platini die Leistungen der Schiedsrichter an der EM über den grünen Klee und wiederholte seine Kritik an der von der Fifa favorisierten Torlinientechnologie: «Man braucht solche Systeme nicht.» Einen Tag später sollten ihn seine Worte bereits einholen: Ein Schuss des ukrainischen Stürmers Devic landete klar hinter der Torlinie – gezählt hat das Tor dennoch nicht. Der ehemalige Schweizer Spitzenschiedsrichter und heutige ZDF-Fussballexperte Urs Meier erklärt.
Lief es Ihnen auch kalt den Rücken herunter, als Sie die Wiederholung der Szene sahen?
Urs Meier: Solche Bilder sieht man nicht gerne, vor allem wenn man früher selbst dabei war. Für das TV-Publikum sind Torlinien-Situationen natürlich ein gefundenes Fressen, ein Fehlentscheid wird sofort jedem bewusst.
Torrichter István Vad hat versagt!
Das würde ich nicht sagen. Man muss sich bewusst sein, wie komplex eine solche Situation ist. Es spielt sich alles in Sekundenbruchteilen ab, und wenn der Ball wie gestern in der Luft ist, fehlt dem Torrichter die Referenzlinie. Das menschliche Auge kann gewisse Szenen gar nicht richtig einschätzen.
Hätten Sie es besser als Vad gekonnt?
Wohl kaum. Michel Platini hatte vor Jahren mal die Idee, «pensionierte» Schiedsrichter hinter die Torlinie zu stellen. Es stimmt zwar, dass es dafür Erfahrung und Wissen braucht, aber ich würde das nie und nimmer tun wollen.
Umso mehr braucht es also dringend technische Hilfsmittel.
Ja, dafür plädiere ich schon lange. Wenn man diese Wembley-Tor-Diskussionen für immer vom Tisch haben möchte, gibt es keine andere Lösung. Ob es die Torkamera sein wird oder der Chip im Ball, spielt letztlich keine Rolle – Hauptsache, solche Fehlentscheide gehören der Vergangenheit an.
Weshalb verschliesst die UEFA die Augen vor der Problematik?
Die Torraumtechnologie wird kommen, da habe ich keine Zweifel. Es gab in der Vergangenheit zahlreiche Bestrebungen, Technik einzusetzen. Aber keine Technologie genügte den hohen Ansprüchen zu 100 Prozent. Ich bin überzeugt, dass wir an der WM 2014 erstmals den Chip im Ball oder – was wahrscheinlicher ist – die Torkamera haben werden.
Sind die Torraumrichter überhaupt für etwas gut?
Bis jetzt haben wir eine EM mit relativ wenig umstrittenen Strafraumsituationen erlebt. Das kann auch ein Verdienst des fünften beziehungsweise sechsten Manns sein, wir können die Funkgespräche zwischen den Schiedsrichtern ja nicht mithören. Sobald die technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, bin ich für eine Rückkehr zur Einfachheit: Drei Schiedsrichter reichen, aber diese müssen gut ausgebildet sein. Es ist wie in der Küche: Zu viele Köche verderben den Brei.
Sie mussten nach einem strittigen Entscheid an der EM 2004 eine Zeit lang untertauchen und erhielten Polizeischutz. Droht dem Torraumrichter von gestern das gleiche Schicksal?
Ich hoffe es nicht für ihn, das war für mich keine lustige Zeit. So wie der ukrainische Trainer Oleg Blochin nach dem Spiel getobt hat, habe ich aber ein ungutes Gefühl. Mir tut die Sache auch für den Hauptschiedsrichter Viktor Kassai leid. Hoffentlich wird ihm diese Szene nicht zum Verhängnis. Er hat bis anhin eine hervorragende EM gepfiffen und war eigentlich mein Favorit fürs Finalspiel.
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