Schweizer FilmEine Prise Heimatkitsch – und die Kassen klingeln
«Heidi», «Schellen-Ursli» oder «Mein Name ist Eugen»: Schweizer Filme mit deutlichem Folklore-Anstrich sind erfolgreicher als andere. Eine Expertin erklärt.
Ein Film auf Erfolgskurs: Seit dem Kinostart im Dezember 2015 lockte «Heidi» von Regisseur Alain Gsponer alleine in der Deutschschweiz über 400'000 Besucher ins Kino. Mit Deutschland und Österreich zusammen sind es gar über 1,7 Millionen Zuschauer – was «Heidi» zum erfolgreichsten Schweizer Film aller Zeiten macht.
Im Dezember lag der Heimatfilm sogar noch vor «Star Wars: The Force Awakens» in den Schweizer Kinocharts. Dass es Alp-Öhi mit dem Science-Fiction-Epos aufnehmen könnte, darauf hätte hierzulande und bei all dem Hype, der um «Star Wars» gemacht wurde, wohl niemand gewettet. Doch auch «Schellen-Ursli» von Regisseur Xavier Koller knackte in der Deutschschweiz bereits die 400'000er-Marke.
Für Filmemacher «sichere Werte»
Woher kommt dieser Erfolg der urchigen, ur-schweizerischen Geschichten im Film? Schlägt das Herz der hiesigen Kinobesucher tatsächlich so stark für Folklore?
Filmwissenschaftlerin Marcy Goldberg zeigt sich über die üppigen Besucherszahlen von «Heidi» oder «Schellen-Ursli» wenig überrascht: «Diese Filme sind typische Kinder- und Familienfilme. Sie sprechen also ein breites Publikum an. Und sie basieren auf klassischen Kinderbüchern, die schon seit Jahrzehnten beliebt sind», sagt die Expertin gegenüber 20 Minuten, «aus Produktionssicht sind das zweifellos sichere Werte.»
Bei Hollywood abgeschaut
Aus der Rangliste der erfolgreichsten Schweizer Filme seit 1976 des Bundesamts für Statistik geht hervor, dass der Heimat-Kontext ein Garant dafür ist, die Kinokassen zu füllen. Auf der Liste findet man auch die Lausbubengeschichte «Mein Name ist Eugen», die RS-Komödie «Achtung, fertig, Charlie!», den Horrorstreifen «Sennentuntschi» oder den historisch-kritischen «Verdingbub». Ein Ausreisser ist Wilhelm Tell: «Tell» mit Mike Müller in der Hauptrolle floppte 2007 auf der Kinoleinwand.
Ältere, bestehende Geschichten abzuarbeiten, sei ein Phänomen, das man sich von den USA abgeschaut habe, sagt Goldberg. «In den letzten zwanzig Jahren sind in Hollywood etliche Filme gedreht worden, die aus Serien entstanden sind. Darunter viele Kinderbuchklassiker und Disney-Geschichten.» Sieht man die Dinge aus dieser Perspektive, ist «Heidi» im Grunde nichts anderes als «Superman», nur eben schweizerisch: Etwas realitätsfremd zwar, aber äusserst beliebt.
Neuere Stoffe angehen
Die Kritiker indes sind sich nicht einig, wie sehr man die zwei jüngsten Heimat-Klassiker auf der Kinoleinwand loben soll. Schon im August 2015, lange vor dem Kinostart von «Heidi» meldete sich die «WoZ» zu Wort und bemängelte, dass der Film im Grunde doch «generalstabsmässige Folklore vor gepützelter Kulisse» sei.
Die «NZZ» hingegen liess den Schriftsteller Alex Capus im Dezember 2015 darüber fachsimpeln, ob die Musterschülerin Heidi oder nicht doch eher der widerborstige Schellen-Ursli zu uns Schweizern passt. Immerhin sind Heimatfilme identitätsstiftend, wie man sagt. Capus entschied sich für den Schellen-Ursli. Die «NZZ am Sonntag» wiederum sprach sich für andere Geschichten aus, die die heimischen Produktionen angehen sollten. Das heisst: Weniger Folklore, dafür mehr «aktuelle, brachliegende Themen» behandeln. Der Fifa-Skandal etwa oder die turbulente Vergangenheit des Finanzplatzes Schweiz.