Ozapft is!Die Schweiz im Oktoberfest-Rausch
Das Oktoberfest in München ist das grösste Volksfest der Welt. Mittlerweile will die ganze Welt ein Stück von der Brezel. Auch in der Schweiz boomt die Bierschwemme.
Die Tradition des Münchner Oktoberfests ist über 200 Jahre alt. Kein anderer Termin wird in der bayrischen Hauptstadt so dick im Kalender angestrichen wie die Mega-Fete auf der Theresienwiese.
Die Faszination Oktoberfest strahlt in die ganze Welt aus. Jedes Jahr strömen tausende Touristen aus aller Welt nach München, um sich literweise Bier hinter die Binde zu kippen und sich mit Brezeln, halben Ochsen und Hendl zu verköstigen. 2014 zählten die Organisatoren 6,3 Millionen Gäste. Dass solche Zahlen massive Umsätze mit sich bringen, versteht sich von selbst.
«Schweizer kennen die bayrische Geschichte und Tradition nicht»
Dass mit dem Oktoberfest Geld zu verdienen ist, hat man auch in der Schweiz gemerkt. Über das ganze Land verteilt, spriessen die Bierzelte wie Pilze aus dem Boden. In Zürich gibt es gar zwei Veranstaltungen zur selben Zeit. Für Starwerber Frank Bodin steht aber nicht das Finanzielle im Vordergrund. «Wir verbringen immer mehr Zeit im virtuellen Raum und isolieren uns in unseren vier Wänden. Darum wächst das Bedürfnis, in einer Gruppe live zu feiern», analysiert er den Oktoberfest-Boom. Die Rahmenhandlung mit Dirndl, Lederhosen, Bier und Brezeln sei derweil nur eine Hülle. Dieses Set-up biete die Möglichkeit für ein fröhliches Beisammensein, sagt der Werber. Genauso gut könne man an ein Konzert oder an die Street Parade gehen.
Eine ähnliche Ansicht vertritt auch It-Boy und Partyveranstalter Reto Hanselmann. Er organisiert in Zürich selber ein eintägiges Oktoberfest und ist sich bewusst, dass sich die Schweizer nicht wirklich für die bayrische Tradition interessieren und auch die Geschichte des Fests nicht kennen. Für ihn ist das Gesellige das Schönste am Oktoberfest: «Das gemeinsame Sitzen an einem Tisch bringt die Menschen viel näher zueinander als in einem Club», sagt Hanselmann. Er stört sich auch nicht daran, dass immer mehr Oktoberfest-Plagiate in der Schweiz stattfinden. «Das ist doch gut für alle, die es sich nicht leisten können, nach München zu fahren.»
Migros und Manor haben Lederhosen im Sortiment
Der Hype ums Oktoberfest hat bereits die Schweizer Detailhändler erreicht. Migros und Manor haben Dirndl und Lederhosen in ihr Sortiment aufgenommen. Reine Geldmacherei? Werber Bodin verneint: «Dass es eine Marketing-Masche ist, ist ein Irrtum. Ein Wunsch trifft auf ein Angebot», erklärt er und ergänzt: «Man darf es der Migros oder dem Manor nicht verübeln, dass sie auf den Zug aufspringen. Auch Halloween ist keine Schweizer Tradition, die Kleinen möchten dann trotzdem Kürbisse schnitzen. Warum sollte Migros zu diesem Anlass keine Kürbisse verkaufen dürfen?»
Frank Bodin vermutet, dass der Hype um das Oktoberfest in den nächsten Jahren wieder abklingen wird. «Das Oktoberfest ist Brauchtum. Wie es das Wort sagt, wird Brauchtum immer wieder anders gebraucht und interpretiert. Gerade dann ist Tradition schön, wenn sie in Bewegung bleibt und Menschen inspiriert.»