Zeitgemässes Bezahlmodell?Schweizer verdienen kaum etwas mit Streaming
Streaming rettet die ganze Branche aus der Misere. Finanziell profitieren die Künstler jedoch nicht. Schweizer Musiker haben es sogar doppelt schwer.
Zuerst verdrängten die Downloads das CD-Geschäft. Nun verdrängt Streaming die Downloads. In den USA ist der Streaming-Konsum 2015 im Vergleich zum Vorjahr gar über 90 Prozent in die Höhe geschossen. Global haben sich die Einnahmen fast verdoppelt.
Auch in der Schweiz ist der Trend zu beobachten. Der Marktanteil des Streaming-Geschäfts ist von 2012 bis 2015 von 1 Prozent auf knapp 20 Prozent des gesamten Musikmarkts gestiegen. Obwohl die Umsätze aus dem Streaming-Segment stark wachsen, gehen die meisten Musiker aber praktisch leer aus – auch in der Schweiz.
Mehr Musik, weniger Geld
Grund ist das Bezahlmodell. Weil die Abonnenten nicht pro abgespielten Titel bezahlen, sondern eine fixe Nutzungsgebühr pro Monat entrichten, verkleinert ein grösserer Musikkonsum die Einnahmen pro Stream. Generell gilt: Je mehr die Kunden Musik konsumieren, desto weniger pro abgespielten Titel verdienen die Interpreten.
Bei Spotify belaufen sich die Ausschüttungen an die Musikindustrie auf zirka 70 Prozent der Gesamteinnahmen, also den Einnahmen aus Werbung und zahlenden Abonnenten. Bei den Konkurrenten wie Apple Music ist es ähnlich.
Künstler werden anteilsmässig bezahlt
Seit dem Start im Jahr 2008 gab Spotify fünf Milliarden US-Dollar an die Musikindustrie weiter. Die Zahl der aktiven Nutzer stieg auf 100 Millionen. 40 Prozent davon sind zahlende Premium-Abonnenten. Apple Music zählt etwa die Hälfte.
Von den monatlichen Ausschüttungen werden die Künstler pro Land anteilsmässig bezahlt. Das heisst: Macht ein Künstler ein Prozent des monatlichen Streaming-Volumens aus, erhält er ein Prozent aus den gesamten monatlichen Ausschüttungen für das jeweilige Land, wie Spotify erklärt.
Lists statt Alben
Der Löwenanteil dieser Einnahmen verteilt sich weltweit auf einen Bruchteil der Musikschaffenden. Neben aktuellen Grössen wie Adele oder Taylor Swift werden insbesondere auch Klassiker wieder vermehrt gehört.
Dazu kommt, dass Streaming-Anbieter regelmässig eigens erstellte Musiklisten anbieten. Diese seien sehr international ausgerichtet, kritisiert Lorenz Haas, Geschäftsführer des Verbands der Musiklabel (IFPI Schweiz). Solche Listen finden bei den Musikhörern starken Anklang, während Alben immer weniger abgespielt werden. Schweizer Interpreten würden dabei allerdings wenig Beachtung finden. Der Markt sei für die grossen Streaming-Dienstleister zu klein, um Schweizer Künstler zu berücksichtigen.
Laut Spotify beschäftigen sich weltweit 50 Playlist-Kuratoren mit 4500 Musiklisten. Zwar gebe es diese länderspezifisch, allerdings existiere aktuell keine Playlist-Redaktion für die Schweiz.
Nicht mal einen Rappen
Für weniger bekannte Künstler und Musiker ist das Geschäft mit dem Streaming wenig lukrativ. Der Berner Mundart-Musiker Trummer etwa verdiente 2015 von rund 17'000 Streams 108 Schweizer Franken, durchschnittlich also 0,0064 Franken pro Stream. Für das gleiche Geld bräuchte es nur 120 Titel-Downloads.
Von den Streaming-Einnahmen müssen Musiker mit einem Plattenvertrag zudem einen Anteil dem Label abgeben. Wie viel hängt davon ab, welche Vereinbarung einerseits zwischen der Plattenfirma und dem Streaming-Dienstleister und zum anderen zwischen Plattenfirma und Künstler getroffen wurde.
Ob dieses Modell noch zeitgemäss ist, sei dahingestellt. Während die Kosten für die Vermarktung des Künstlers und der Vertrieb der Alben durch das Internet gesunken ist, ist die Reichweite an potenziellen Musikkonsumenten nämlich gestiegen. (los/sda)