Wo sogar Teddybären Sex haben

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Miley-KonzertberichtWo sogar Teddybären Sex haben

Einen züchtigen Auftritt hat niemand erwartet. Was Miley Cyrus bei ihrem Gig im Zürcher Hallenstadion abzog, war aber grotesk – und genau deshalb genial.

Neil Werndli
von
Neil Werndli

In einem glitzernden Kleid setzt Miley schon beim Eröffnungssong zum ersten Twerk an. Da sind sie nun also: die berüchtigten Hüften, denen das ehemalige Disney-Püppchen ihren jüngsten Karriereschub zu verdanken hat. Im Hintergrund zeigt der riesige Bildschirm Comics. Sofort befindet man sich in Mileys eigener Welt. Wo sexuelle und kindliche Elemente wie selbstverständlich kombiniert werden. Willkommen bei Mileys Horrorshow im Zürcher Hallenstadion.

Sie lutscht auf der Bühne penis-förmige Lollipops, bezeichnet die jungen Mädchen im Hallenstadion konsequent als «Bitches» und lässt sogar ihre Teddybären-Tänzer sexuelle Handlungen vortäuschen. Jemand hätte die Gesichter der irritierten Väter fotografieren sollen.

Geknutsche unter Reizüberflutung

Als Miley dann in Masturbations-Pose auf der Motorhaube eines goldenen Autos umherrollt, prangt immerhin ein «Parental Advisory»-Schild auf den Screens. Die ganze Show ist ein vulgärer Zirkus – der feuchte Traum eines verwirrten Teenagers, der sich an psychedelischen Drogen vergriffen hat.

Das Ganze ist entweder ein unglaublich guter oder ein unglaublich schlechter Trip. Mileys Zauberwort ist Reizüberflutung. Sei es nun ein etwa 20 Meter hoher Hund mit Laseraugen oder dass plötzlich ein Bett auf der Bühne steht und die Sängerin darin mit ihren Tänzern rummacht – kaum ein Song kommt ohne Special Effects aus.

Ein zynischer Beobachter könnte behaupten, dass dies nur von der mittelmässigen Musik ablenken soll und er hätte zu einem gewissen Grad recht. Im Grunde tut Miley aber nichts, was es nicht schon gab – schon seit Madonna verkaufen sich grosse Popstars mit sexuellen Reizen. Miley treibt das Konzept nur auf die Spitze. Und wenn sie auf einem gigantischen Hot-Dog durchs Hallenstadion fliegt, wirkt das dermassen übertrieben, dass man denken könnte Mileys Show sei nur Satire an das Popbusiness.

«Wollt ihr feucht werden?»

«Ich bin etwas betrunken», sagt Miley schon bald. Sie lallt auch dementsprechend. Und trotzdem ist sie während der Songs unglaublich präsent. Dass Miley tatsächlich eine grossartige Stimme hat, hat sie in jüngeren Jahren immer wieder bewiesen. Im Gegensatz zu den meisten ihrer Konkurrentinnen, kommt sie ohne Playback aus.

«Es ist unglaublich heiss hier drinnen. Wollt ihr etwas feucht werden?», fragt Miley die Mädchen in der ersten Reihe zweideutig und bespuckt sie im Anschluss mit Wasser. Publikumsinteraktion geht ihr leicht von der Hand: Während «Adore You» fordert Miley ihre Fans im Stadion auf, miteinander rumzumachen – «Schnappt euch einfach irgendwen.» Wer besonders schön knutscht, wird auf dem Bildschirm hinter ihr gezeigt.

Die meisten Fans winken jedoch nur oder fuchteln unkontrolliert kreischend mit den Armen rum, sobald sie die Kamera einfängt. Ab und zu kommt es dann tatsächlich noch zum Kuss. Es ist der Zeitpunkt, an dem einige Eltern mit ihren doch noch kleinen Kindern das Stadion verlassen. Die Haupt-Zielgruppe der 14- bis 18-Jährigen hält weiterhin mit dem Smartphone drauf.

Der harte Kern stand schon seit den frühen Morgenstadion vor dem Hallenstadion. (Video:: Lorenz von Meiss)

Auch musikalisch ist die «Bangerz»-Tour ein buntes Durcheinander: Von der Hit-Ballade «Wrecking Ball», über «Jolene», ein Cover von Mileys Patin Dolly Parton bis zu einem Metal-Interlude ist alles dabei. Das Beatles-Cover «Lucy In The Sky With Diamonds» – die meisten Zuschauer reagieren auf die Ansage des Titels eher ratlos – widmet sie ihrem verstorbenen Hund Floyd, um den die Skandalnudel auch heute noch weint, wenn sie nach dem Spektakel alleine im Hotelbett liegt.

Wer auch immer Miley ihr neues Image und das Konzept zu dieser Show eingeredet hat, muss ein ziemlich schräges Genie sein. Aber derjenige hat die Popkultur verstanden und persifliert sie sogar mit der «Bangerz»-Tour. Der Sinn von Popmusik ist, die Massen zu unterhalten. Wenn man alleine nach diesem Kriterium urteilt, hat Miley Cyrus momentan die beste Popshow im Business.

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