ThinspirationEssstörungen als Lifestyle zelebriert
Magersucht, Bulimie: Das klingt nicht so sexy wie Thinspiration. Unter dem Begriff verbreiten Frauen Bilder ihrer dürren Körper.
Hashtags wie #thinspiration, #thinspo und #thynspiration, geistern seit einiger Zeit durch die sozialen Netzwerke. Auf Instagram und anderen Plattformen posten junge Frauen Schnappschüsse ihrer knochigen Hüften und dünnen Ärmchen und wollen sich so gegenseitig zur Gewichtsabnahme motivieren. Der Begriff setzt sich aus den Worten thin (Englisch für dünn) und Inspiration zusammen. Die Bilder sind zum Teil dramatisch. Und ganz unverhohlen wird begleitend vom «Sterben, um dünn zu sein» geschrieben.
Die Hashtags #thinspiration and #thinspo sind zwar seit April 2012 offiziell verboten – zuvor war Instagram, Tumblr und Twitter vorgeworfen worden, auf ihren Plattformen Essstörungen populär zu machen. Doch ist es schwierig, dem gefährlichen Trend Einhalt zu gebieten. Immer wieder tauchen neue abgewandelte Hashtags auf, unter denen Bilder extrem dünner Frauen zu finden sind. Auch auf Google findet man unzählige Fotos und «Ratschläge» von Frauen mit Essstörungen. Der erste Treffer? Gesammelte Tweets über Thinspiration. Essstörungen sind eine Krankheit, Thinspiration ist dagegen ein erstrebenswerter Lifestyle, so die Botschaft der Bewegung.
«Thinspiration ist keine Inspiration»
Mit dem glorifizierenden Begriff Thinspiration haben auch Experten Mühe. «Thinspiration ist keine Inspiration. Solche Körper-Selfies der zwanghaften Schlankheit erhöhen für junge Besucherinnen der Website höchstens den Druck, einem völlig übertriebenen Dünn-sein-Ideal nachzueifern», sagt der Zürcher Jugendpsychologe Frank Margulies. «Hier wird etwas als schön, positiv etc. dargestellt, das häufig zu Krankheit und Leiden führt oder hinter dem bereits Krankheit und Leiden steckt.»
Zwar sei die psychische Dynamik hinter dem Wunsch, seinen ausgemergelten Körper anderen zu präsentieren, immer eine individuelle. Doch allgemein lässt sich laut dem Experten sagen, dass das Zelebrieren von maximaler Körperkontrolle im Vordergrund steht. «Die Bilder sollen Bewunderung und Anerkennung wecken, obwohl eigentlich etwas völlig Ungesundes und meist Unsicherheit, mangelndes Selbstwertgefühl und Einsamkeit dahinterstecken», sagt der Fachpsychologe FSP.
Es sind vorwiegend junge Frauen, die im Netz falschen Vorbildern nacheifern. Doch die falsche Selbsteinschätzung des eigenen Gewichts macht auch vor älteren Frauen nicht halt. An den Golden Globes schockierte am Sonntag der dürre Körper von Giuliana Rancic. Die 40-jährige E!-Moderatorin, die neben der Globes-Verleihung und einer täglichen TV-Show auch den Teil auf dem roten Teppich an der Oscar-Verleihung moderierte, zeigte sich so einem Millionenpublikum, darunter unzählige junge Frauen.
Ein denkbar schlechtes Vorbild. Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, betont die Amerikanerin in Interviews stets, wie gut ihre Fettverbrennung funktioniere. Diese scheint sich sogar zunehmend zu verbessern, denn so schlank wie an der Filmpreisverleihung sah man Rancic noch nie. Und so wurde sie selbst zu einer traurigen Schlagzeile am Event. Auch ohne den passenden Hashtag.