SteuerstreitThielemann empfahl Sanktionen gegen Schweiz
«Überhaupt kein Problembewusstsein», Strafmassnahmen als Faustpfand - das Protokoll der Steuerflucht-Debatte im deutschen Bundestag zeigt: der HSG-Ethiker Ulrich Thielemann fuhr schweres Geschütz gegen die Schweiz auf.
Am 25. März sagte der deutsche HSG-Ethikdozent Ulrich Thielemann in der öffentlichen Anhörung des deutschen Bundestages zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung aus. Das Wortprotokoll beweist, wie scharf Ulrich Thielemann seine Aussagen formulierte: «Die Illegitimität der Steueroasen ist überhaupt keine Frage. Für die fiskalische Behandlung von Steuerausländern gibt es überhaupt keine ethische Rechtsgrundlage», sagte Thielemann.
In der Schweiz bestehe bezüglich der steuerlich relevanten Behandlung von Steuerausländern mit Wohnsitz im Ausland keinerlei Unrechtsbewusstsein, überhaupt kein Problembewusstsein. Grundsätzlich nannte Thielemann zwei Möglichkeiten, um den Konflikt beizulegen: «Die Schweiz und die Staatengemeinschaft im Übrigen erkennt das Wohnsitzprinzip und das Ansässigkeitsprinzip insgesamt an.»
Schweiz habe nur auf Druck reagiert
Das Wohnsitzprinzip bedeutet, dass ein Staat sämtliche Personen, die im Lande wohnen, besteuern kann. Kritiker werfen den Steueroasen vor, dieses Prinzip zu untergraben, indem sie nicht genügend Informationen übermitteln: So könne beispielsweise Deutschland Steuerinländer, die in Deutschland wohnen, aber in der Schweiz ihr Kapital lagern, nur ungenügend besteuern.
Ob die Schweiz diese Praxis ändere, sei jedoch unklar, fuhr Thielemann fort. Der HSG-Ethiker machte keinen Hehl daraus, dass Deutschland das Problem am besten lösen würde wie Amerika: «Offenkundig hat die Schweiz - und andere Steueroasen ganz genauso - nur darum Zugeständnisse gemacht, weil der internationale Druck da war, offenbar auch den USA, die es leid waren.»
Sanktionen «richtig» und «notwendig»
Deshalb sei der gegenwärtige Vorschlag des Bundesfinanzministeriums, «ein Gesetz zu erlassen, welches Sanktionen für diese Steueroasen ausspricht, im Grundsatz richtig und vor allem auch sehr notwendig». Es gehe in diesem Fall, so Ulrich Thielemann, um ein hohes Rechtsgut und um gigantische Summen an Schwarzgeld, die da in den Steueroasen liegen würden.
Stellung will heute noch keiner der Betroffenen nehmen: Weder Ulrich Thielemann selbst noch dessen oberster Vorgesetzter, der St. Galler SVP-Bildungsdirektor und HSG-Universitätsratspräsident Stefan Kölliker. Auch HSG-Rektor Ernst Mohr lässt vorläufig nichts mehr verlauten. Gestern hatte er Thielemann eine Rüge erteilt und dessen Entlassung nicht ausgeschlossen. Man sei zurzeit daran, die verschiedenen Positionen innerhalb der HSG zum Thema zusammenzutragen und werde in den nächsten Tagen eine Stellungnahme veröffentlichen.
Bereits haben Professoren aus der ganzen Schweiz Protest eingelegt gegen Mohrs Rüge an Thielemann: Sie fürchten um die Freiheit der Wissenschaftler, auch unangenehme Meinungen äussern zu können.